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Georg Büchner - Gesammelte Werke: Dantons Tod, Lenz, Leonce und Lena, Woyzeck, Lucretia Borgia, Maria Tudor (Gesammelte Werke bei Null Papier) (German Edition)

Georg Büchner - Gesammelte Werke: Dantons Tod, Lenz, Leonce und Lena, Woyzeck, Lucretia Borgia, Maria Tudor (Gesammelte Werke bei Null Papier) (German Edition)

Titel: Georg Büchner - Gesammelte Werke: Dantons Tod, Lenz, Leonce und Lena, Woyzeck, Lucretia Borgia, Maria Tudor (Gesammelte Werke bei Null Papier) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Büchner
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König Heinrich’s des Achten. Ich gab mich in der Zeit mit den Religionshändeln ab, ich schlug mich für die eine und für die andere Partei. Es war damals das Beste, was man tun konnte. Es war übrigens eine kitzliche Sache. Es frug sich, ob man für oder wider den Pabst sei. Die Leute des Königs hingen die, welche dafür, und verbrannten die, welche dagegen waren. Die Gleichgültigen, d. h. die, welche weder dafür noch dagegen waren, hing oder verbrannte man, wie’s gerade kam. Der Teufel mochte sich da herausziehen. Ja, der Strick – nein, der Scheiterhaufen – weder ja, noch nein, der Strick und der Scheiterhaufen. Ich, der ich mit euch spreche, habe oft genug nach Braten gerochen und weiß nicht genau, ob ich zwei- oder dreimal bin wieder abgeschnitten worden. Das war eine schöne Zeit. Ohngefähr wie jetzt. Ja, ich schlug mich für Alles. Hole mich der Teufel, wenn ich noch weiß, für wen und für was ich mich geschlagen habe. Wenn man mir wieder vom Meister Luther und vom Pabst Paul dem Dritten spricht, so zucke ich die Achseln. Siehst du, Gilbert, wenn man graue Haare hat, muß man nicht mehr nach den Meinungen sehen, für die man sich geschlagen, und nach den Weibern, denen man den Hof im zwanzigsten Jahre gemacht hat. Weiber und Meinungen sehen dann gar häßlich, gar alt, gar hinfällig, gar zahnlückig, gar runzlig, gar dumm aus. Das ist meine Geschichte! Jetzt habe ich mich von den Geschäften zurückgezogen. Ich bin weder Soldat des Königs, noch Soldat des Pabstes, ich bin Schließer des Turmes von London. Ich schlage mich für Niemand mehr und schließe hinter Jedermann zu. Ich bin Schließer und bin alt; ich stehe mit dem einen Fuße im Kerker und mit dem andern in der Grube. Ich lese die Scherben alter Minister und alter Günstlinge auf, die bei der Königin zerbrochen werden. Das ist sehr unterhaltend. Und dann habe ich ein kleines Kind, das ich liebe, und dann euch beide, die ich auch liebe, und bin glücklich, wenn ihr glücklich seid.
    Gilbert : Dann sei glücklich, Joshua! Nicht wahr, Jane?
    Joshua : Ich, ich kann nichts für dein Glück tun, aber Jane Alles; du liebst sie! Ich werde dir nie in meinem Leben einen Dienst tun. Du bist glücklicher Weise kein so vornehmer Herr, daß du jemals den Schlüsselträger des Londoner Turms nötig haben solltest. Jane wird meine Schuld mit der ihrigen abtragen; denn sie und ich verdanken dir Alles. Jane war ein armes Kind, eine verlassene Waise; du hast sie aufgenommen und erzogen. Ich, ich war nahe daran, an einem schönen Abend in der Themse zu ertrinken; du hast mich aus dem Wasser gezogen.
    Gilbert : Zu was immer davon sprechen, Joshua?
    Joshua : Nur um dir zu sagen, daß es unsere Pflicht ist, dich zu lieben; ich, wie ein Bruder, Jane… nicht wie eine Schwester.
    Jane : Nein, wie ein Weib. Ich verstehe Euch, Joshua. Sie verfällt wieder in ihr Träumen.
    Gilbert : leise zu Joshua: Betrachte sie, Joshua! Ist sie nicht schön und reizend? wäre sie nicht eines Königs würdig? Wenn du wüßtest! Du kannst dir nicht vorstellen, wie ich sie liebe!
    Joshua : Nimm dich in Acht, das ist unklug; ein Weib, das liebt sich nicht so; ein Kind, meinetwegen!
    Gilbert : Was willst du sagen?
    Joshua : Nichts. – Ich werde in acht Tagen bei eurer Hochzeit sein. Ich hoffe, daß mir dann die Staatsgeschäfte ein wenig Ruhe lassen und daß Alles vorbei sein wird.
    Gilbert : Wie? Was soll vorbei sein?
    Joshua : Ah, du kümmerst dich um diese Sachen nicht, Gilbert. Du bist verliebt. Du bist aus dem Volke. Was kümmern dich die Ränke da oben, dich, der du unten glücklich bist? Doch, weil du mich fragst, will ich dir sagen, daß man hofft, in acht Tagen von heute an, in vierundzwanzig Stunden vielleicht, werde Fabiano Fabiani bei der Königin durch einen Andern ersetzt sein.
    Gilbert : Wer ist der Fabiano Fabiani?
    Joshua : Er ist der Geliebte der Königin, ein sehr mächtiger und sehr liebenswürdiger Günstling, ein Günstling, der einem Menschen, welcher ihm mißfällt, den Kopf in weniger Zeit abschlagen läßt, als ein holländischer Bürgermeister braucht, um einen Löffel Suppe zu essen; der beste Günstling, den der Henker des Londoner Turms seit zehn Jahren hatte. Denn du weißt, daß der Henker für den Kopf eines großen Herrn zehn Silbergulden und zuweilen das Doppelte erhält, wenn der Kopf recht wichtig ist. Man wünscht sehr den Sturz dieses Fabiani. – Es ist wahr, bei meinem Dienste im Turm höre ich nur Leute von sehr übler Laune,

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