Georg Büchner - Gesammelte Werke: Dantons Tod, Lenz, Leonce und Lena, Woyzeck, Lucretia Borgia, Maria Tudor (Gesammelte Werke bei Null Papier) (German Edition)
Leben hin, indem ich ihnen Degengriffe meisele, deren Klingen ich ihnen durch den Leib rennen möchte.
Jane : Gilbert!…
Gilbert : Vergib, Jane. Nicht wahr, die Liebe macht Einen sehr böse.
Jane : Nein, sehr gut. – Ihr seid gut, Gilbert.
Gilbert : O wie ich dich liebe! Jeden Tag mehr. Ich möchte für dich sterben. Liebe mich, oder liebe mich nicht, es ist in deiner Hand. Ich bin ein Narr. Verzeihe mir, was ich gesagt habe. Es ist spät, ich muß dich verlassen. Lebe wohl. Mein Gott, wie traurig es ist dich zu verlassen! Gehe hinein. Hast du deinen Schlüssel nicht?
Jane : Nein, ich weiß seit einigen Tagen nicht, wo er hingekommen ist.
Gilbert : Da ist der meinige. – Auf Morgen, Morgen. – Jane, vergiß nicht: noch heute dein Vater, in acht Tagen dein Gemahl.
Er küßt sie auf die Stirne und geht.
Jane allein : Mein Gemahl! O nein, ich werde dies Verbrechen nicht begehen. Armer Gilbert, er liebt mich – und der Andere!… wenn mich nur die Eitelkeit nicht um die Liebe betrogen hat! Ich Arme, in wessen Hände bin ich jetzt? O, ich bin sehr undankbar und schuldbeladen! Ich höre Tritte; schnell zurück. Sie tritt in das Haus.
Vierte Szene
Gilbert. Ein Mann, der in einen Mantel gehüllt ist und eine gelbe Mütze trägt. Der Mann hält Gilbert bei der Hand.
Gilbert : Ja, ich erkenne dich, du bist der Betteljude, welcher seit einigen Tagen um dies Haus schleicht. Was willst du von mir? Warum hast du mich bei der Hand gefaßt und hierher geführt?
Der Mann : Was ich Euch zu sagen habe, kann ich nur hier sagen.
Gilbert : Nun! was ist es denn? Sprich, rasch.
Der Mann : Hört, junger Mann. – Es sind jetzt sechzehn Jahre seit der Nacht, wo Lord Talbot, Graf von Waterford, wegen Papismus und Hochverrates bei Fackelschein enthauptet wurde, und die Soldaten des Königs Heinrich des Achten seine Anhänger in London in Stücke hieben. Man schoß die ganze Nacht in den Straßen auf einander. In dieser Nacht nun arbeitete in seiner Bude ein junger Arbeiter, der weit mehr mit seiner Arbeit, als mit dem Kampfe beschäftigt war. Es war die erste Bude am Anfang der Londoner Brücke. Eine niedrige Türe zur Rechten, Spuren von alter, roter Malerei auf der Mauer. Es mochte zwei Uhr des Morgens sein. Man schlug sich in der Nähe. Die Kugeln flogen pfeifend über die Themse. Plötzlich wurde an die Türe der Bude geklopft, durch welche die Lampe des Arbeiters einen schwachen Lichtschimmer warf. Der Arbeiter öffnete. Ein Mann, den er nicht kannte, trat ein. Dieser Mann trug in seinen Armen ein Kind, noch in den Windeln, das sehr erschrocken war und weinte. Der Mann legte das Kind auf den Tisch und sagte: da ist ein Geschöpf, das weder Vater noch Mutter mehr hat. Dann ging er langsam weg und schlug die Türe hinter sich zu. Gilbert, der Arbeiter, hatte selbst weder Vater noch Mutter. Der Arbeiter nahm das Kind, die Waise adoptierte die Waise. Er nahm es, er wachte über es, er kleidete, er ernährte, er hütete, er erzog, er liebte es. Er widmete sich ganz diesem armen kleinen Geschöpf, das der Bürgerkrieg in seine Bude geworfen hatte. Er vergaß Alles für es, seine Jugend, seine Liebeshändel, sein Vergnügen; er machte aus diesem Kinde den einzigen Gegenstand seiner Arbeit, seiner Neigung, seines Lebens, und jetzt sind es sechzehn Jahre, daß das so fortgeht. Gilbert, der Arbeiter wart Ihr; das Kind…
Gilbert : War Jane. Alles, was du da sagst, ist wahr; aber was willst du damit?
Der Mann : Ich vergaß dir zu sagen, daß an die Windeln des Kindes ein Papier mit einer Nadel geheftet war, worauf die Worte standen: Habt Erbarmen mit Jane.
Gilbert : Das war mit Blut geschrieben. Ich habe das Papier aufgehoben und trage es immer bei mir. Aber du spannst mich auf die Folter. Was willst du damit? Sprich!
Der Mann : Das. – Ihr seht, ich kenne Eure Geschichten. Gilbert! Wacht diese Nacht über Euer Haus.
Gilbert : Was willst du?
Der Mann : Kein Wort mehr. Geht nicht an Eure Arbeit. Bleibt in der Nähe dieses Hauses. Wacht. Ich bin weder Euer Freund, noch Euer Feind, es ist ein Rat, den ich Euch gebe. Für jetzt verlaßt mich, um Euch nicht selbst zu schaden. Geht nach der Seite da und kommt, wenn Ihr mich um Hilfe rufen hört.
Gilbert : Was bedeutet das? Er geht langsam ab.
Fünfte Szene
Der Mann, allein
Der Mann : Die Sache ist so gut angelegt. Ich hatte was Junges und Kräftiges nötig, das mir helfen kann, wenn es Not tut. Den Gilbert kann ich gerade brauchen. – Es ist mir, als hörte ich das Geräusch
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