George, Elizabeth
zwar Jeans, aber
von der Designersorte, die ihre Kurven betonte, wie man es von Filmstars
kannte. Ihre Lederstiefel waren modisch und frisch gewienert und nicht dazu
gedacht, im Mist herumzutrampeln. Sie hatte eine karierte Bluse an, aber die
Ärmel waren hochgekrempelt, sodass ihre gebräunten Unterarme zur Geltung
kamen, und sie hatte den Kragen elegant hochgeschlagen. Sie sah aus, wie jemand
sich ein Mädchen vom Land vorstellen mochte, aber ganz und gar nicht wie eine
echte Landfrau.
»Hallo.« Meredith fühlte sich
unbehaglich. Sie und die Blondine waren etwa gleich groß, aber damit hatte es
sich auch schon mit den Ähnlichkeiten. Diese Vision des Landlebens in Hampshire,
die auf sie zukam, war Meredith vollkommen fremd. In ihrem knöchellangen Kaftan
kam sie sich vor wie eine in einen Vorhang gewickelte Giraffe.
»Verzeihung. Ich fürchte, ich
blockiere Ihr Auto.« Mit einer Kopfbewegung deutete sie in Richtung ihres Polo.
»Kein Problem«, sagte die
Frau. »Ich habe nicht vor wegzufahren.«
»Nein?« Meredith war gar nicht
erst auf die Idee gekommen, dass Jemima und Gordon umgezogen sein könnten, aber
das schien der Fall zu sein. »Wohnen Gordon und Jemima denn nicht mehr hier?«
»Gordon wohnt noch hier«,
antwortete die Frau. »Aber wer ist Jemima?«
Bei der Betrachtung dessen,
was mit John Dresser geschah, spielt der Kanal eine entscheidende Rolle. Als
Teil des Verkehrswegenetzes aus dem neunzehnten Jahrhundert, auf dem Güter quer
durch das Vereinigte Königreich transportiert wurden, teilt dieser spezielle
Abschnitt des Midlands Trans-Country Canal, der für uns von Interesse ist, die
Stadt und hat auf diese Weise gegensätzliche sozioökonomische Stadtviertel
geschaffen. Der Kanal verläuft auf einer Länge von mehr als einem Kilometer
entlang der nördlichen Grenze der Gallows. Wie bei den meisten Kanälen in
Großbritannien ermöglicht ein Treidelpfad Fußgängern und Radfahrern Zugang zum
Kanal, und daran entlang stehen Häuser und Gebäude mit Blick aufs Wasser.
Die Vorstellung von einem
Kanal und dem Leben am Wasser mag romantische Gefühle wecken, aber der besagte
Abschnitt des Midlands Trans-Country Canal bietet nur wenig Anlass dazu. In der
schmierigen Kloake leben weder Enten, Schwäne noch sonstige Tiere, und entlang
des Treidelpfads wachsen weder Schilf noch Weiden, Wildblumen oder andere
Pflanzen. Die Ufer sind vielmehr übersät von angeschwemmtem Müll, und über dem
Wasser liegt ein fauliger Gestank, der auf defekte Abwasserrohre schließen
lässt.
Der Kanal diente den Bewohnern
der Gallows bereits seit geraumer Zeit als Deponie für jede Art von Sperrmüll.
Als Michael Spargo, Reggie Arnold und lan Barker dort gegen 9:30 Uhr eintrafen,
entdeckten sie einen Einkaufswagen im Wasser und begannen, mit Steinen,
Flaschen und Ziegeln, die sie vom Weg klaubten, danach zu werfen. Es scheint
Reggies Idee gewesen zu sein, dorthin zu gehen, lan lehnte zunächst mit dem
Argument ab, die beiden anderen wollten nur »dorthin, um sich gegenseitig zu
wichsen oder es wie die Köter zu treiben«, wobei er zweifellos Vorgänge
zitierte, die er im Schlafzimmer seiner Mutter hatte mit ansehen müssen. Reggie
zufolge hänselte lan Michael überdies wegen seines rechten Auges. (Aufgrund
einer Schädigung der Wangennerven, verursacht durch die bei seiner Geburt
verwendete Zange, war Michaels rechtes unteres Augenlid gelähmt, sodass es
herunterhing und das Auge nicht synchron mit dem linken blinzelte.) Reggie gab
an, er habe »lan ordentlich die Meinung gesagt«, woraufhin die Jungen sich
anderen Dingen zuwandten und auf der Suche nach Gelegenheiten für andere
Streiche weiterzogen.
Da die Gärten der Häuser
entlang des Treidelpfads nur durch teils schadhafte Holzzäune geschützt waren,
fiel es den Jungen leicht, auf die Grundstücke zu gelangen. In einem Garten
rissen sie Wäschestücke von der Leine und warfen sie in den Kanal. In einem
anderen entdeckten sie einen Rasenmäher, den dasselbe Schicksal ereilte. (»Der
war eh total verrostet«, so Michael.)
Möglicherweise brachte ein
Kinderwagen sie schließlich auf die Idee zu ihrem fatalen Plan. Sie entdeckten
ihn auf der Terrasse eines der Reihenhäuser. Im Gegensatz zu dem Rasenmäher war
der Kinderwagen jedoch nicht nur neu - an ihm tanzte überdies ein metallicblauer
Luftballon mit dem Aufdruck: »Es ist ein Junge!« Die drei wussten natürlich,
dass sich dies auf ein Neugeborenes bezog.
In den Besitz des Kinderwagens
zu gelangen, erwies
Weitere Kostenlose Bücher