George, Elizabeth
Thomas.«
»Es besteht kein Grund für
Sie, sich mir zu erklären, Chefin. Und ich habe nicht vor, zu Hilliers
Schnüffler zu werden. Das weiß er.«
»Aber er legt Wert auf Ihre
Meinung.«
»Ich weiß nicht, warum das
neuerdings der Fall sein sollte. Früher hat er jedenfalls nie etwas auf meine
Meinung gegeben.«
Sie hörten leise Stimmen, die
sich näherten, und einen Augenblick später betraten zwei Personen die Bar.
Lynley erkannte den Cellisten sofort. Seine Begleiterin war eine attraktive
Asiatin in einem elegant geschnittenen Kostüm und Schuhen mit Stilettoabsätzen,
die auf dem Fußboden ein Geräusch machten wie Peitschenhiebe.
Sie warf Lynley einen kurzen
Blick zu und wandte sich dann an Ardery: »Superintendent?« Als Ardery nickte,
stellte sie sich als Zaynab Bourne vor. »Und das ist Mr. Matsumoto«, fügte sie
hinzu.
Hiro Matsumoto deutete steif
eine Verbeugung an, streckte gleichzeitig seine Hand aus und murmelte ein paar
Begrüßungsfloskeln. Sein Händedruck war kräftig. Er hatte ein liebenswürdiges
Gesicht, dachte Lynley. Seine Augen hinter der Nickelbrille wirkten
freundlich. Für einen international berühmten Star der klassischen Musik wirkte
er außerdem erstaunlich be scheiden, als er um eine Tasse Tee bat. Grünen Tee,
wenn möglich, sagte er. Wenn nicht, sei schwarzer auch in Ordnung.
Er sprach ohne wahrnehmbaren
Akzent. Lynley erinnerte sich, dass Matsumoto in Kyoto geboren war, jedoch in Europa
studiert und schon seit Jahren als Musiker gearbeitet hatte.
Zurzeit spiele er in der
Albert Hall, sagte er. Er sei nur für zwei Wochen in London und unterrichte
eine Meisterklasse am Konservatorium. Es sei reiner Zufall, dass er das
Phantombild seines Bruders - »das Porträt des Künstlers«, wie er sich ausdrückte
- in der Zeitung und in den Fernsehnachrichten gesehen hatte. »Bitte glauben
Sie mir«, sagte Matsumoto ruhig, »wenn ich Ihnen versichere, dass Yukio die
Frau, von der in den Zeitungen berichtet wird, nicht getötet hat. Er kann das
unmöglich getan haben.«
»Warum?«, fragte Ardery. »Er
war in der Nähe des Tatorts. Dafür haben wir einen Zeugen. Und er ist offenbar
von dort geflüchtet.«
Matsumoto blickte gequält
drein. »Dafür wird es eine Erklärung geben. Was auch immer er sein mag, was
auch immer er tut, mein Bruder ist kein Mörder.«
Wie zur Erklärung sagte Zaynab
Bourne: »Mr. Matsumotos jüngerer Bruder leidet an paranoider Schizophrenie,
Superintendent. Leider nimmt er keine Medikamente. Aber er hat, seit er in
London lebt, noch nie Ärger mit der Polizei gehabt. Das können Sie gern
überprüfen. Er führt im Allgemeinen ein zurückgezogenes Leben. Mein Mandant« -
dabei berührte sie besitzergreifend Hiro Matsumotos Arm - »hat seinen Bruder
identifiziert, sodass Sie Ihre Bemühungen jetzt auf das konzentrieren können,
worauf es ankommt.«
»Das mag ja durchaus sein -
also, dass der Bruder schizophren ist«, sagte Ardery. »Aber ein Zeuge hat
gesehen, wie er von einem Tatort geflüchtet ist, an dem ein Mord verübt wurde.
Und da er eines seiner Kleidungsstücke ausgezogen hatte und zusammengeknüllt
unterm Arm hielt...«
»Es war sehr heiß«, warf die
Anwältin ein.
»... werden wir mit ihm reden
müssen. Wenn Sie also wissen, wo er sich aufhält, Mr. Matsumoto, dann müssen
Sie uns das sagen.«
Der Cellist zögerte. Er zog
ein Taschentuch heraus und putzte seine Brille. Ohne die Brille wirkte er
plötzlich sehr jung. Er war Ende vierzig, das wusste Lynley, hätte aber gut und
gerne für Anfang dreißig durchgehen können.
Er sagte: »Zuerst muss ich
Ihnen etwas erklären.«
Ardery machte ein Gesicht, als
wäre eine Erklärung das Letzte, was sie wünschte, aber Lynley war neugierig.
Als Untergebener von Ardery stand es ihm zwar nicht zu, dennoch sagte er:
»Ja?«
Sein Bruder sei ein begabter
Musiker, sagte Hiro Matsumoto. Sie seien eine Musikerfamilie, und man habe
ihnen allen dreien - es gebe noch eine Schwester, sie sei Flötistin und spiele
in einem Orchester in Philadelphia - schon im Kindesalter Instrumente in die
Hand gedrückt. Man habe von ihnen erwartet, dass sie lernten, dass sie viel
und intensiv übten, dass sie erfolgreiche Musiker würden. Die Familie habe
keine Kosten gescheut, um ihnen eine musikalische Ausbildung zu ermöglichen. Es
habe sowohl ihren Eltern als auch ihnen selbst große Opfer abverlangt.
»Natürlich«, sagte er,
»durchlebt man keine normale Kindheit bei solch einer... Fokussierung.« Das
letzte Wort
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