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George, Elizabeth

George, Elizabeth

Titel: George, Elizabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wer dem Tod geweiht
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das gerade erst laufen
gelernt hatte - entführt, durch die halbe Stadt geschleppt, nackt ausgezogen,
mit Kupferrohren geprügelt, mit Betonbrocken gesteinigt und in ein Klo
geworfen worden war?
    Außerdem lägen vollständige
Geständnisse von zumindest zwei der Jungen vor. (lan Barker gestand lediglich,
an jenem Tag im Einkaufszentrum gewesen zu sein und John Dresser gesehen zu
haben, bevor er sich während aller folgenden Verhöre auf den Satz versteifte:
»Vielleicht hab ich was getan, vielleicht auch nicht.«) Mehr als das war für
eine Verurteilung nicht notwendig.
    Es muss jedoch erwähnt werden,
dass möglicherweise noch ein weiteres Argument die Staatsanwaltschaft in Bezug
auf die inneren Verletzungen John Dressers zum Schweigen veranlasste: Wären
diese Verletzungen bekannt geworden, hätte dies Fragen zum psychischen Zustand
der Mörder aufgeworfen, und in diesem Fall hätte das Gericht in seinem Urteil
unweigerlich auf Totschlag anstatt Mord entscheiden müssen, denn es wäre nicht
umhingekommen, den Homicide Act aus dem Jahr 1957 heranzuziehen, in dem es heißt, dass
niemand »wegen Mordes zu verurteilen ist, der unter einer solchen Abnormalität
seines Geisteszustands leidet [...] die seine geistige Verantwortung für seine
Taten erheblich einschränkt«.
    Abnormalität des
Geisteszustands (zum Zeitpunkt des Verbrechens) ist hier der Schlüsselbegriff, und
Johns Verletzungen lassen eindeutig auf schwerwiegende Abnormalität bei allen
drei Tätern schließen.
    Eine Verurteilung wegen
Totschlags wäre jedoch angesichts des allgemeinen Klimas, in dem der Prozess
stattfand, undenkbar gewesen. Obwohl der Prozess an ein anderes Gericht
verwiesen worden war, hatte das Verbrechen längst internationales Aufsehen
erregt. »Blut fordert Blut«, wie Shakespeare schrieb, und die Reaktion der
Öffentlichkeit war ein Beispiel dafür.
     
    Von verschiedener Seite wurde
das Argument ins Feld geführt, dass die Jungen, als sie die Haarbürste aus dem
Ramschladen in dem Einkaufszentrum stahlen, genau gewusst hätten, wozu sie sie
später benutzen würden. Es ist allerdings anzuzweifeln, dass sie wirklich dazu
in der Lage waren, sich das alles im Voraus auszudenken und zu planen. Ich will
nicht leugnen, dass mein Widerstreben, in diesem besonderen Fall an
Vorsätzlichkeit zu glauben, mit dem Widerstreben einhergeht einzugestehen, dass
ein solches Potenzial an Boshaftigkeit in den Köpfen und Herzen zehn- und
elfjähriger Jungen vorhanden sein kann. Ich will nicht abstreiten, dass ich
eher daran glaube, dass der Einsatz der Haarbürste auf einen spontanen Impuls
zurückzuführen ist.
    Allerdings sehe auch ich, was
die Art des Einsatzes der Haarbürste über die Jungen aussagt: dass diejenigen,
die gewalttätig werden und andere misshandeln, früher selbst Opfer von Gewalt
und Misshandlung gewesen sind, und zwar nicht nur ein Mal, sondern wiederholt.
    Als die Haarbürste bei den
Verhören zur Sprache kam, war keiner der Jungen bereit, darüber zu reden. In
den Tonbandmitschnitten variieren ihre Reaktionen von lans Behauptung, er habe
»keine Haarbürste gesehen«, über Reggies Versuch, die Schuld von sich zu weisen
- »Mikey hat vielleicht eine in dem Laden geklaut, aber davon weiß ich nichts«,
und: »Ich hab keine Haarbürste geklaut, Mum. Du musst mir glauben, dass ich
keine Haarbürste geklaut hab« -, bis hin zu Michaels Beteuerung: »Wir hatten
keine Haarbürste, wir hatten keine Haarbürste, wirklich nich, ehrlich«, die mit
jeder Wiederholung hysterischer wird. Als Michael behutsam erklärt wird: »Du
weißt genau, dass einer von euch die Haarbürste gestohlen hat, mein Junge«,
gibt er zu: »Reggie vielleicht, aber das hab ich nich gesehn«, und: »Ich weiß
nich, was danach damit war.«
    Erst als man sie damit
konfrontierte, dass die Haarbürste auf dem Dawkins-Gelände gefunden worden war
und dass an ihr sowohl Fingerabdrücke als auch Blut- und Kotspuren
sichergestellt werden konnten, eskalierten die Reaktionen der Jungen. Michael
stammelt: »Ich hab keine... Ich hab doch schon die ganze Zeit gesagt, dass ich
keine Haarbürste geklaut hab... Wir hatten überhaupt keine Haarbürste«, und
dann: »Reggie hat dem Baby... Reggie wollte... lan hat sie ihm abgenommen...
Ich hab gesagt, er soll aufhören, aber Reggie hat's getan.«
    Reggie dagegen wendet sich an
seine Mutter: »Mum, nie würd ich 'nem Baby was tun... Vielleicht hab ich's mal
geschlagen... Aber ich hab nich... Ich hab ihm den Schneeanzug ausgezogen,

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