George, Elizabeth
großzügig aushält«, wie Heinrich es ausdrückte. Er
schüttelte den Kopf, aber sein Gesichtsausdruck verriet Sympathie. »Er hält
sich für einen Gigolo.«
»Und hat er Erfolg damit?«
Heinrich lachte leise in sich
hinein. »Noch nicht. Aber das hindert ihn nicht daran, es weiter zu versuchen.
Er würde gern ein Boutique-Hotel aufmachen, so wie dieses hier. Aber er möchte
es sich kaufen lassen.«
»Er hält also nach einer Menge
Geld Ausschau.«
»So ist Frazer.«
Lynley dachte darüber nach und
was dies mit den Wahrheiten zu tun haben könnte, über die Jemima hatte sprechen
wollen. Für einen Mann, der eine Frau mit Geld suchte, wäre die Nachricht,
dass sie es ihm nicht geben würde, in der Tat eine harte Wahrheit. Ebenso wie
die Möglichkeit, dass sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte, weil sie
entdeckt hatte, dass er nur hinter ihrem Geld her war... falls sie überhaupt welches besaß.
Aber es kamen auch noch andere
Wahrheiten infrage, wenn es um Jemima ging. Für Paolo di Fazio wäre es eine
harte Wahrheit, die vielleicht ausgesprochen worden war: dass sie vorhatte,
mit Frazer Chaplin zusammenzuleben trotz Paolos Gefühlen für sie. Wenn man erst
einmal anfing zu graben, würden bei allen, angefangen bei Abbott Langer bis hin
zu Yukio Matsumoto, Wahrheiten zum Vorschein kommen, die vielleicht ausgesprochen
werden mussten.
Auf der Grundlage von Frazer
Chaplins täglichem Schichtbeginn in der Bar des Duke's rechnete Lynley nach: Zwischen
dem Feierabend des Iren im Eisstadion und seinem Arbeitsantritt in der Bar
lagen anderthalb Stunden. Reichte die Zeit, um nach Stoke Newington zu fahren,
Jemima Hastings zu ermorden und rechtzeitig im Hotel einzutreffen? Lynley sah
nicht, wie das möglich sein sollte. Außerdem hatte Abbott Langer ausgesagt,
dass Frazer immer zuerst nach Putney und erst dann zum Duke's fuhr, und selbst wenn das
nicht stimmte, würde der Londoner Verkehr es so gut wie unmöglich machen. Und
Lynley konnte sich nicht vorstellen, dass der Mörder mit öffentlichen Verkehrsmitteln
zu jenem Friedhof gekommen sein sollte.
Als Frazer Chaplin im Duke's eintraf, beschlich Lynley das
Gefühl, den Mann schon einmal gesehen zu haben. Wo genau er ihn gesehen hatte,
konnte er fast mit Händen greifen, aber er kam einfach nicht drauf. Er
versuchte, sich zu erinnern, wo er in den letzten Tagen überall gewesen war,
aber ein konkretes Ergebnis stellte sich nicht ein. Für den Moment beließ er
es dabei.
Er war kein Experte für
männliche Attraktivität, aber er konnte sich gut vorstellen, dass Frazer
anziehend wirkte auf Frauen, die auf dunkle, kantige Typen standen, die etwas
Gefährliches ausstrahlten, eine Mischung aus einem modernen Heathcliff und
Sweeney Todd. Chaplin trug ein cremefarbenes Jackett und ein weißes Hemd mit
roter Fliege, dazu eine schwarze Hose, und Lynley fand es nachvollziehbar, dass
er sich lieber zu Hause umzog, anstatt seine Kleidung mit sich
herumzuschleppen oder in einem Spind im Eisstadion aufzubewahren. Ebenso wie
Abbott Langer hatte er fast schwarzes Haar, das er allerdings im Gegensatz zu
Langer modisch geschnitten trug. Es sah frisch geduscht aus, und er hatte sich
rasiert. Seine manikürten Hände wirkten gepflegt, und an seinem linken
Ringfinger trug er einen Opalring.
Er gesellte sich unverzüglich
zu Lynley, nachdem der Barmann ihn ins Bild gesetzt hatte. Lynley hatte an
einem Tisch ganz in der Nähe des auf Hochglanz polierten Mahagonitresens Platz
genommen, und Frazer ließ sich in einen Sessel fallen, streckte ihm die Hand
hin und sagte: »Heinrich sagt, Sie wollen mich sprechen? Gibt es etwas Neues,
das Sie mich fragen wollen? Ich habe mich bereits mit Ihren Kollegen unterhalten.«
Nachdem Lynley sich
vorgestellt hatte, sagte er: »Sie sind offenbar der Letzte gewesen, der mit
Jemima Hastings gesprochen hat, Mr. Chaplin.«
Lynley fiel sein melodischer
irischer Akzent auf, der auf die Damen sicherlich ebenso anziehend wirkte wie seine
Männlichkeit. »Tatsächlich?« Es klang eher wie eine Feststellung. »Und woher
wollen Sie das wissen, Inspector?«
»Wir haben die Gespräche
aufgezeichnet, die sie mit ihrem Handy geführt hat«, erwiderte Lynley.
»Aha«, sagte Chaplin. »Ich
nehme mal an, dass die letzte Person, mit der sie gesprochen hat, der Kerl
war, der sie umgebracht hat. Es sei denn, es geschah ohne Vorwarnung.«
»Sie hat in den Stunden vor
ihrem Tod mehrmals bei Ihnen angerufen. Auf der Suche nach Ihnen hatte sie auch
mit Abbott Langer
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