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George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika

George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika

Titel: George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Soros , Steve Clemons
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funktioniert nach dem Prinzip eine Stimme pro Land und der IWF verteilt die Rechte nach den Beiträgen der Länder. Was sollte sich durchsetzen? Ersteres könnte Schuldnern einen Freibrief für Defizite ausstellen und Letzteres könnte ein Europa der zwei Geschwindigkeiten festschreiben. Ein Kompromiss ist gefragt.
    Da das Schicksal Europas von Deutschland abhängt und da Eurobonds die Kreditwürdigkeit Deutschlands in Gefahr bringen, muss ein etwaiger Kompromiss Deutschland ans Ruder lassen. Leider hat Deutschland krude Vorstellungen von makroökonomischer Wirtschaftspolitik und will, dass Europa seinem Beispiel folgt. Aber was für Deutschland funktioniert, kann nicht auch für den Rest Europas funktionieren: Kein Land kann einen chronischen Außenhandelsüberschuss fahren, wenn nicht andere Defizite haben. Deutschland muss Regeln zustimmen, an die sich auch andere halten können.
    Diese Regeln müssen einen schrittweisen Abbau der Verschuldung bewirken. Außerdem müssen sie Ländern mit hoher Arbeitslosigkeit, zum Beispiel Spanien, Haushaltsdefizite gestatten. Wichtig ist auch, dass sie für Überarbeitungen und Verbesserungen offen sind.
    Der Brüsseler Thinktank Bruegel hat vorgeschlagen, dass Eurobonds 60 Prozent der Auslandsschulden von Mitgliedern der Eurozone stellen sollten. Aber angesichts der hohen Risikoprämien, die in Europa vorherrschen, ist dieser Anteil zu gering, um für gleiche Wettbewerbsbedingungen zu sorgen. Meiner Ansicht nach sollten alle Neubegebungen vollständig in Eurobonds erfolgen, und zwar bis zu einem vom Rat festgelegten Limit.
    Je höher das Aufkommen an Eurobonds, die ein Land ausgeben möchte, umso strengere Auflagen würde der Rat verlangen. Der Rat sollte seinen Willen durchsetzen können, denn die Verweigerung des Rechts, zusätzliche Eurobonds zu begeben, dürfte äußerst abschreckend wirken.
    Das führt uns direkt zum dritten ungelösten Problem: Was passiert, wenn ein Land nicht willens oder in der Lage ist, die vereinbarten Bedingungen einzuhalten? Die Unfähigkeit, Eurobonds zu begeben, könnte dann in einer ungeordneten Insolvenz oder Abwertung resultieren. Wenn es keinen Ausstiegsmechanismus gibt, könnte das katastrophal sein. Einer Abschreckung, die zu gefährlich ist, um sie zu aktivieren, fehlt es an Glaubwürdigkeit.
    Griechenland ist ein warnendes Beispiel und viel hängt davon ab, wie seine Krise ausgeht. Möglicherweise könnte man sich für ein kleines Land wie Griechenland einen geordneten Ausstieg ausdenken, den man für ein großes Land wie Italien nicht anwenden könnte. Wenn es keinen geordneten Ausstieg gibt, müsste das Regelwerk Sanktionen beinhalten, denen man nicht entrinnen kann – eine Art europäisches Finanzministerium, das sowohl politisch als auch finanziell legitimiert ist. Dies könnte sich nur aus dem tief greifenden Umdenken über den Euro ergeben, das (vor allem in Deutschland) so dringend nötig ist.
    Die Finanzmärkte gewähren wohl nicht die Atempause, die erforderlich wäre, um diese neuen Arrangements einzuführen. Wenn der Druck der Märkte anhält, muss der Europäische Rat vielleicht eine Überbrückungslösung finden, um eine Katastrophe zu vermeiden. Er könnte der EZB bis zur Einführung eines Eurobond-Regelwerks die Erlaubnis geben, Staaten Geld zu leihen, die sich keines leihen können. Aber sicher ist nur eines: Wenn der Euro eine tragfähige Währung sein soll, müssen diese Probleme gelöst werden.

HAT DER EURO EINE ZUKUNFT?
New York Review of Books , 15. September 2011
    Die Eurokrise ist eine unmittelbare Folge des Crashs 2008. Als Lehman Brothers pleiteging, begann das gesamte Finanzsystem zusammenzubrechen und musste an die künstliche Lebenserhaltung angeschlossen werden. Das fand in der Form statt, dass die zusammengebrochenen Bank- und sonstigen Kredite durch staatliche Kredite ersetzt wurden. Die europäischen Finanzminister garantierten auf einem denkwürdigen Gipfel im November 2008, sie würden es nicht zulassen, dass weitere Finanzinstitute, die für das Funktionieren des Finanzsystems von Bedeutung sind, bankrottgehen. Die Vereinigten Staaten folgten ihrem Beispiel.
    Dann verkündete Angela Merkel, dass die Bürgschaft durch jeden europäischen Staat einzeln erfolgen sollte und dass nicht die Europäische Union oder die Eurozone gemeinsam handeln sollten. Dies legte den Keim für die Eurokrise, denn es enthüllte und aktivierte eine versteckte Schwäche in der Konstruktion des Euros: das Fehlen eines

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