George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika
kostspieliger, je länger Deutschland zögert, sie zu treffen.
Der Ursprung der Eurokrise liegt in der Entscheidung der deutschen Kanzlerin Angela Merkel nach dem Bankrott von Lehman Brothers im September 2008, dass nicht die Europäische Union gegen weitere Bankrotte bürgen sollte, sondern die einzelnen Länder für sich. Und Deutschlands Zögern verschlimmerte auch die Krise Griechenlands und verursachte die Ansteckung, die sie zu einer für Europa existenziellen Krise machte.
Nur Deutschland kann die Dynamik der Desintegration in Europa umkehren. Das wird nicht ohne Reibungen ablaufen: Schließlich hat Merkel die öffentliche Stimmung in Deutschland richtig interpretiert, als sie ihre schicksalhafte Entscheidung traf, und seither ist die innenpolitische Stimmung für die Gewährung von Krediten an das restliche Europa noch unwirtlicher geworden.
Merkel kann den politischen Widerstand nur in einer Krisenatmosphäre und nur in kleinen Schritten überwinden. Der nächste Schritt ist wahrscheinlich die Ausweitung der EFSF, aber bis dieser Schritt unternommen wird, könnte das AAA-Rating von Frankreich bereits gefährdet sein. Tatsächlich könnte zu dem Zeitpunkt, zu dem Deutschland der Einführung von Eurobonds zustimmt, sogar sein eigener AAA-Status in Gefahr sein.
Europa kann aus dieser Falle nur dadurch entkommen, dass es im Vorgriff auf die Reaktionen der Finanzmärkte handelt, anstatt nachträglich ihrem Druck nachzugeben. Dafür wären intensive Debatten und Selbstanalysen nötig, und zwar insbesondere in Deutschland, das als größte und kreditwürdigste Volkswirtschaft Europas in die Position gedrängt worden ist, über die Zukunft Europas zu entscheiden.
Diese Rolle wollte Deutschland unbedingt vermeiden, und es ist auch jetzt nicht willens, sie zu akzeptieren. Aber in Wirklichkeit hat Deutschland gar keine Wahl. Ein Zusammenbruch des Euros würde eine Bankenkrise lostreten, die von den globalen Finanzbehörden nicht mehr unter Kontrolle gebracht werden könnte. Je länger Deutschland braucht, um dies zu erkennen, einen umso höheren Preis wird es dafür bezahlen müssen.
DREI SCHRITTE ZUR LÖSUNG DER EUROZONEN-KRISE
Financial Times , 15. August 2011
Eine umfassende Lösung der Eurokrise braucht drei Hauptbestandteile : eine Reform und Rekapitalisierung des Bankensystems; die Einführung von Eurobonds; einen Ausstiegsmechanismus.
Zunächst zum Bankensystem: Der Maastricht-Vertrag der Europäischen Union war dafür gedacht, Ungleichgewichte im öffentlichen Sektor zu beheben, aber im Bankensektor waren die Exzesse viel gravierender. Die Einführung des Euros führte in Ländern wie Spanien und Irland zu Immobilienbooms. Die Banken der Eurozone gehörten bald zu den am stärksten überschuldeten der Welt und sie benötigen nach wie vor Schutz vor Kontrahentenrisiken.
Ein erster Schritt wurde gemacht, indem der europäische Stabilitätsfonds die Genehmigung bekam, Banken zu retten. Jetzt muss noch die Kapitalausstattung der Banken stark erhöht werden. Wenn eine Behörde für die Zahlungsfähigkeit der Banken bürgt, muss sie sie auch beaufsichtigen. Eine mächtige europäische Bankenbehörde könnte die inzestuöse Beziehung zwischen Banken und Regulatoren beenden und würde gleichzeitig weniger in die Souveränität der Staaten eingreifen als das Diktat ihrer Steuerpolitik.
Zweitens braucht Europa Eurobonds. Die Einführung des Euros sollte eigentlich die Konvergenz stärken, aber in Wirklichkeit hat er Divergenzen geschaffen und es bestehen stark unterschiedliche Niveaus der Verschuldung und der Wettbewerbsfähigkeit. Wenn hoch verschuldete Länder hohe Risikoprämien bezahlen müssen, werden ihre Schulden untragbar. Das geschieht gerade. Die Lösung liegt auf der Hand: Defizitäre Länder müssen ihre Schulden zu den gleichen Bedingungen refinanzieren dürfen wie Länder mit Überschuss.
Das erreicht man am besten durch Eurobonds, die von allen Mitgliedstaaten gemeinsam verbürgt wären. Das Prinzip ist zwar klar, aber an den Details muss noch intensiv gefeilt werden. Welche Behörde sollte mit ihrer Ausgabe betraut werden und an welche Vorschriften würde sie sich halten?
Vermutlich würden die Eurobonds unter der Kontrolle der Finanzminister der Eurozone stehen. Der Rat würde das fiskalische Gegenstück zur Europäischen Zentralbank darstellen und er wäre auch das europäische Gegenstück zum Internationalen Währungsfonds. Deshalb würde es Debatten um die Stimmrechte geben. Die EZB
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