George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika
Staatsanleihen und andere Schulden zu bezahlen – auf Spanien und Italien aus, aber diese Länder dürfen sich nicht zu den niedrigeren Zinsen Geld leihen, die Griechenland als Zugeständnis gewährt werden.
Dies bringt sie auf einen Weg, durch den sie am Ende in der gleichen Notlage landen wie Griechenland. Im Falle Griechenlands ist die Schuldenlast inzwischen eindeutig untragbar. Den Anleihebesitzern wurde eine „freiwillige“ Umschuldung angeboten, mit der sie niedrigere Zinsen und verzögerte oder verminderte Rückzahlungen akzeptieren würden. Aber es wurden keine Vorkehrungen für eine mögliche Insolvenz oder für das Ausscheiden aus der Eurozone getroffen.
Diese beiden Mängel – keine Zinszugeständnisse an Italien oder Spanien und keine Vorbereitung auf eine mögliche Insolvenz oder das Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone – werfen einen dunklen Schatten des Zweifels auf die Staatsanleihen der anderen Defizitländer und auf das Bankensystem der Eurozone, das mit solchen Anleihen beladen ist. Als Verlegenheitsmaßnahme sprang die Europäische Zentralbank (EZB) in die Bresche, indem sie am Markt spanische und italienische Anleihen aufkaufte. Aber das ist keine tragfähige Lösung. Das Gleiche hatte die EZB auch für Griechenland gemacht, was aber nicht verhinderte, dass die Verschuldung Griechenlands untragbar wurde. Wenn Italien mit seiner Verschuldung von 108 Prozent des BIPs und seinem Wachstum von weniger als einem Prozent auf Kredite Risikoprämien von drei Prozent oder mehr bezahlen müsste, würden seine Schulden auch untragbar werden.
Die frühere Entscheidung der EZB, griechische Anleihen zu kaufen, war höchst umstritten. Das deutsche EZB-Ratsmitglied Axel Weber trat aus Protest aus dem Rat aus. Diese Intervention verwischte die Grenze zwischen Währungs – und Finanzpolitik, aber von einer Zentralbank wird erwartet, dass sie alles Nötige für den Erhalt des Finanzsystems tut. Dies gilt besonders in Abwesenheit einer Finanzbehörde. Danach führte die Kontroverse dazu, dass sich die EZB eisern gegen eine Restrukturierung der griechischen Schulden stellte – wodurch neben anderen Maßnahmen die Rückzahlungsfrist verlängert würde. Dadurch wurde die EZB von einem Retter des Systems zu einem Quertreiber. Die EZB hat sich durchgesetzt: Die EFSF hat der EZB das Risiko eines möglichen Zahlungsausfalls auf griechische Anleihen abgenommen.
Die Lösung dieses Disputs erleichterte es wiederum der EZB, ihr derzeitiges Aufkaufprogramm für italienische und spanische Anleihen zu starten, die im Gegensatz zu den griechischen nicht im Begriff stehen, auszufallen. Trotzdem stieß diese Entscheidung auf den gleichen internen Widerstand Deutschlands wie die vorherige Intervention für die griechischen Anleihen. Jürgen Stark, der Chefvolkswirt der EZB, schied am 9. September aus dem Amt aus. Auf jeden Fall muss der Umfang der derzeitigen Intervention begrenzt werden, denn die Kapazitäten der EFSF, Hilfe zu gewähren, sind durch die Rettungsaktionen, die bereits in Griechenland, Portugal und Irland laufen, schon so gut wie erschöpft.
In der Zwischenzeit fällt es dem griechischen Staat immer schwerer, die Bedingungen zu erfüllen, die ihm das Hilfsprogramm auferlegt. Die Troika, die das Programm beaufsichtigt – die EU, der IWF und die EZB –, ist nicht zufrieden. Die griechischen Banken haben die letzte Auktion von Staatsanleihen nicht vollständig gezeichnet und dem griechischen Staat gehen die Mittel aus.
Unter solchen Umständen könnten eine geordnete Insolvenz und ein vorübergehender Rückzug aus der Eurozone einem langwierigen Todeskampf vorzuziehen sein. Aber dafür wurden keine Vorbereitungen getroffen. Eine ungeordnete Insolvenz könnte Kernschmelze ähnlich der nach dem Bankrott von Lehman Brothers auslösen, aber diesmal fehlen die Autoritäten, die für ihre Eindämmung nötig wären.
Da ist es kein Wunder, dass die Finanzmärkte von Furcht ergriffen werden. Die Risikoprämien, die beim Kauf von Staatsanleihen bezahlt werden müssen, steigen, und die Aktienkurse purzeln, allen voran die der Bank-Aktien, und sogar der Euro ist kürzlich nach unten aus seinem Schwankungsbereich ausgebrochen. Die Volatilität der Märkte erinnert an den Crash 2008.
Leider wurde die Fähigkeit der Finanzbehörden, die nötigen Maßnahmen zur Eindämmung der Krise einzuleiten, durch die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stark eingeschränkt. Es scheint, als hätten die
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