Georgette Heyer
ich meinen
Shakespeare sorgfältiger studieren muß.»
«Ich vermute, daß Sie Ihre Zeit
selten so nützlich verwendet haben!»
«Wer sind Sie?» fragte er abrupt.
«Ich habe Sie für eines der Dorfmädchen gehalten – wahrscheinlich die Tochter
eines meiner Pächter.»
«Nein, wirklich? Nun, wenn Sie sich
auf diese Art bei den Dorfmädchen aufzuführen gedenken, werden Sie hier nicht
viel Gelegenheit finden!»
«O nein, die Gefahr ist eher, daß
ich zuviel davon finden könnte!» gab er zurück. «Wer sind Sie? Oder sollte ich
mich Ihnen zuerst vorstellen? Ich bin nämlich Damerel.»
«Ja, das habe ich gleich zu Beginn
unserer entzückenden Bekanntschaft angenommen. Später war ich natürlich
sicher.»
«Oh, oh ...! < Mein Ruf, Jago,
mein Ruf! > » rief er aus und lachte wieder. «Schönes Verhängnis, Sie sind das
ungewöhnlichste Frauenzimmer, dem ich in meinen ganzen achtunddreißig Jahren
begegnet bin.»
«Sie können sich nicht vorstellen,
wie tief ich geschmeichelt bin!» versicherte sie ihm. «Es würde mir bestimmt
total den Kopf verdrehen, hätte ich nicht den Verdacht, daß unter so vielen
Ihrem Gedächtnis etwa ein Dutzend entfallen sind.»
«Eher ein Hundert! Soll ich
eigentlich Ihren Namen nie erfah ren? Ich werde es doch, wie Sie wissen, ob
Sie ihn mir sagen oder nicht!»
«Das werden Sie ohne die geringste
Schwierigkeit. Ich bin in diesem Lande viel besser bekannt als Sie, denn ich
bin eine Lanyon of Undershaw!»
«Höchst eindrucksvoll! Undershaw? O
ja! Ihr Besitz liegt neben dem meinen, nicht? Ist es eine Gewohnheit von Ihnen,
ohne jede Begleitung herumzuwandern, Miss Lanyon?»
«Ja – außer natürlich, wenn ich
gewarnt wurde, daß Sie in der Priory sind!»
«Gehässige kleine Katze!» sagte er
anerkennend. «Wie, zum Teufel, hätte ich Miss Lanyon of Undershaw in einem
verdrückten Kleid und einem Strohhut erkennen sollen, und sogar ohne die Begleitung
ihrer Jungfer?»
«Oh, soll ich darunter verstehen,
daß Sie, hätten Sie meinen Stand gewußt, mich nicht belästigt hätten? Wie
ritterlich!
«Nein, nein, ritterlich bin ich
nicht!» sagte er, sie verspottend. «Die Anwesenheit Ihrer Jungfer hätte mich im
Zaum gehalten, nicht Ihr Stand. Ich beklage mich ja nicht, aber ich staune über
den Wagemut einer solchen kleinen Schönheit, daß sie allein herumstreift. Oder
wissen Sie nicht, wie wunderschön Sie sind?»
«Doch», antwortete Venetia und nahm
ihm damit den Wind aus den Segeln. « < Item zwei Lippen, blasses Rot ... > »
«O nein, Sie irren sich ganz und
gar, und haben sich außerdem an den falschen Dichter gewandt! < Wie
Rosenknospen sehen sie aus, gefüllt mit Schnee. > »
«Ist das aus < Reife
Kirschen > ?» fragte sie. Er nickte und unterhielt sich sehr über ihren plötzlich
konzentrierten Blick. Dann funkelten ihre Augen vor Triumph; sie lachte
glucksend und gab zurück: «Dann weiß ich, was nachher kommt! < Doch kann
kein Peer noch Prinz sie ersteh'n, wenn sie nicht selber danach fleh'n! > Lassen
Sie sich das also eine Lehre sein, aufzupassen, welche Dichter Sie wählen!»
«Aber Sie sind ja bezaubernd!» rief
er aus.
Sie streckte schnell die Hände vor
sich, um ihn von sich abzuhalten. «Nein!»
Er packte ihre Handgelenke, bog sie
hinter ihren Rücken, hielt sie fest und drückte sie so Brust an Brust an sich.
Ihr Herz schlug schnell, sie war atemlos, fürchtete sich aber nicht.
«Ja!» sagte er, immer noch
spöttisch. «Sie hätten eben davonlaufen sollen, mein Goldmädchen, solange Sie
noch eine Chance dazu hatten!»
«Ich weiß, das hätte ich tun sollen,
und ich weiß überhaupt nicht, warum ich es nicht getan habe»,
antwortete sie, unheilbar aufrichtig.
«Ich könnte es vielleicht erraten.»
Sie schüttelte den Kopf. «Nein.
Nicht, wenn Sie meinen, weil ich wollte, daß Sie mich wieder küssen, denn das
will ich gar nicht. Ich kann Sie nicht davon abhalten, weil ich soviel weniger
stark bin als Sie. Sie brauchen nicht einmal zu fürchten, daß Sie dafür zur
Rechenschaft gezogen werden. Mein Bruder ist ein Schuljunge und – sehr lahm.
Vielleicht wissen Sie das schon?»
«Nein, und ich bin Ihnen sehr
verbunden, daß Sie mir das sagen! Ich sehe, ich brauche keine Gewissensbisse zu
haben.»
Sie schaute prüfend zu ihm auf und
versuchte seine Gedanken zu lesen, denn obwohl er spottete, hatte sie das Gefühl,
daß seine Stimme etwas bitter klang. Als sie ihm aber in die Augen starrte, sah
sie, daß sie lächelten und trotzdem wild waren, und ein Vers von
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