Georgette Heyer
Sie
wissen – selbst wenn ich als Leichtgewicht reite!»
«Du bist ein dickköpfiger junger
Hund. Und wer macht jetzt eigentlich das großartige Getue, möchte ich wissen?
Alles nur um ein Beruhigungsmittel, damit du dich etwas besser fühlst, bis dich
dein Doktor wieder in Ordnung bringt! Jetzt trink das sofort und laß mich
keinen Unsinn mehr hören!»
Gänzlich ungewohnt, herrische
Befehle zu erhalten, wurde Aubrey etwas steif; aber nachdem er Damerel aus
gefährlich schmalen Augen einen Augenblick lang gemessen hatte, kapitulierte
er und sagte mit seinem verzerrten Lächeln: «Na also, schön!»
«Klingt schon besser», sagte Damerel
und nahm ihm das leere Glas ab. Etwas in Aubreys schmalem, starrem Gesicht ließ
ihn hinzufügen: «Ich habe das starke Gefühl, daß mit dir nicht viel mehr los
ist als blaue Flecken und Gespenster sehen. Du hättest schlimmere Schmerzen,
wenn du dir etwas Ernstes zugefügt hättest, so reiß dich aus deiner
deprimierten Stimmung, du junger Hohlkopf!»
Aubrey wandte ihm schnell die Augen
zu. «Jaja, das dürfte es sein. Daran habe ich nicht gedacht. Danke – ich bin
Ihnen sehr verbunden. Ich wollte nicht unhöflich sein – zumindest, ich wollte
schon, aber – aber ich bitte dafür um Entschuldigung, Sir!»
«Och, pah! Jetzt schlaf.»
«Ja, das werde ich sehr
wahrscheinlich, nachdem ich dieses ab scheuliche Zeug getrunken habe», stimmte
ihm Aubrey zu, mit einem schüchternen Grinsen, das ihn plötzlich jünger
erscheinen ließ. «Nur wird meine Schwester ein bißchen besorgt sein, möchte ich
wetten. Meinen Sie ...»
«Keine Angst! Ich habe schon einen
der Stalljungen mit einem Brief für sie nach Undershaw geschickt.»
«Oh! Danke! Sie haben ihr nichts
gesagt, was sie aufregen könnte, nicht?»
«Nein, warum auch? Ich habe ihr
genau das gesagt, was ich dir gesagt habe, und habe sie nur gebeten,
zusammenzutun, was du an Nachthemden und Zahnbürsten brauchst, damit es der
Junge mit zurückbringen kann.»
«Das ist recht!» sagte Aubrey
erleichtert. «Darüber können sie wirklich nicht aus dem Häuschen geraten!»
4
Der Brief, der Venetia erreichte, war höchst
elegant und formell – und in einem Geist unheiligen Vergnügens geschrieben
worden. Damerel gab sich große Mühe mit ihm und fragte sich, was für eine
Wirkung er wohl auf sie haben würde. Er apostrophierte sie als Fremde, aber es
war unwahrscheinlich, daß sie sich davon täuschen ließ, und meinte, er
erinnere sich nicht sehr gut, wer sie war. Obwohl er sorgfältig darauf achtete,
nicht ein Wort niederzuschreiben, das ihr verraten konnte, wie sehr er die
Situation genoß, würde sie bestimmt merken, wie boshaft ihm das Schicksal in
die Hand gespielt hatte. Das konnte sie vielleicht in einer Stimmung schäumenden
Grolls zur Priory bringen, aber er glaubte nicht, daß es sie von einem jungen
Bruder von zarter Gesundheit fernhalten würde, der ausschließlich ihrer Obhut
anvertraut zu sein schien; und Damerel zweifelte nicht an seiner Fähigkeit, sie
so sanft behandeln zu können, daß sich ihr gesträubtes Gefieder legte. Er
beendete seinen Brief mit einem steifen «Ihr ergebener usw.» und wünschte
sich, als er ihn versiegelte, ihr Gesicht sehen zu können, wenn sie ihn las.
Tatsächlich aber schoß ihr nicht ein
einziger der Gedanken durch den Kopf, die er sich vorgestellt hatte. Als der
Brief Undershaw erreichte, war sie viel aufgeregter, als sie es Nurse verraten
wollte, die, seit man entdeckt hatte, daß Aubrey nicht heimgekommen war, um mit
seiner Schwester mittagzuessen, unentwegt eine Katastrophe prophezeit hatte.
Der Umstand an sich hatte Venetia noch nicht erschreckt; Aubrey hatte
ihr nicht gesagt, wohin er ritt, und soviel sie wußte, hätte es ganz gut Thirsk
oder sogar York sein können, wo es einen Buchladen gab, der sich seiner
Kundschaft erfreute. Aber gegen vier Uhr hatte sie das nervenzermürbende
Stadium erreicht, daß sie sich fragte, ob sie alle Diener ausschikken solle,
um das Land abzusuchen, oder ob sie, wenn sie das tat, einem Anfall
ausgefallener Torheit nachgab, die Aubrey wütend machen würde. Als ihr daher Ribble
den Brief brachte – die händeringende Nurse in seinem Kielwasser, die
erklärte, sie hätte es doch gleich gewußt, und da war ihr heiliges Lämmchen
mehr tot als lebendig aufgeklaubt worden und nun lag es in der Priory mit
sämtlichen Knochen im Leib gebrochen –, hatte kein Gedanke an Damerel Platz in
Venetias Kopf. Ihre Finger zitterten, als sie den Brief
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