Georgette Heyer
verachten gewesen.»
«Zum
Kuckuck, Madam, ich pfeife auf ihr Geld! Ich will nichts als mein eigenes
Vermögen!» sagte Seine Lordschaft.
«Wenn sie
deine Hand akzeptiert hätte, dann hättest du es ja bekommen, und ich wäre froh
gewesen, es in deinen Händen zu sehen, obwohl du, weiß der Himmel, das ganze
Kapital verschwendet hättest, bevor man sich vorsehen könnte. Ach, Anthony,
wenn ich dich nur dazu bewegen könnte, deinen Lebenswandel aufzugeben, der mein
armes Herz mit Entsetzen vor deiner Zukunft erfüllt.»
Seine
Lordschaft befreite sich eiligst. «Um Gottes willen, Madam, regen Sie sich
meinetwegen nicht auf!» bat er.
«Ich wußte,
daß sie dich ablehnen würde», sagte Lady Sheringham. «Und ich frage dich,
mein Sohn, welches wohlerzogene Mädchen würde einwilligen, jemanden zu
heiraten, der den Weg des Lasters beschreitet? Muß sie denn nicht vor
zügellosen Neigungen zurückschrecken, die ...»
«Nun hören
Sie mal, Madam», protestierte der erschrockene Viscount. «So schlimm ist es
nicht, meiner Seel', so ist es wieder nicht!»
Sein Onkel
seufzte. «Du wirst doch zugeben müssen, mein lieber Junge, daß es kaum eine
extravagante Torheit gibt, die du, seit du großjährig bist, nicht begangen
hättest.»
«Nein,
gewiß nicht», erwiderte der Viscount. «Verwünscht, ein junger Mensch kann
nicht in der Stadt leben, ohne wenigstens hie und da eineh tollen Streich zu
begehen.»
«Anthony,
kannst du deiner Mutter aufrichtig sagen, daß es kein Geschöpf gibt
(denn ich kann es nicht über mich bringen, sie ein Mädchen zu nennen!), mit
dem du dich nicht schämen müßtest, an den meisten öffentlichen Plätzen gesehen
_zu werden? Und daß dieses Geschöpf an deinem Arm hängt und in einer Art und
Weise zärtlich mit dir ist, die mich mit Abscheu erfüllt?»
«Nein, das
kann ich nicht», erwiderte der Viscount. «Aber ich würde viel drum geben, zu
erfahren, wer dir etwas von dem kleinen Vögelchen erzählt hat.»
Während er
sprach, richtete er seine Augen jähzornig auf seinen Onkel, aber die
Aufmerksamkeit dieses Gentleman konzentrierte sich auf die
gegenüberliegende Wand, und seine Gedanken schienen weit entfernt von
irdischen Betrachtungen zu sein.
«Du wirst
mir noch das Herz brechen», erklärte Lady Sheringham und führte ihr Taschentuch
neuerdings an die Augen.
«Nein,
Madam, das wird bestimmt nicht der Fall sein», sagte ihr Sohn offenherzig.
«Denn ich habe nie etwas darüber gehört, daß Ihr Herz wegen irgendeiner der
Passionen meines Vaters gebrochen ist. Oder wenn es geschehen wäre, dann kann
es nicht nochmals geschehen. Das ist doch klar. Außerdem werde ich das alles
aufgeben, wenn ich erst einmal verheiratet bin.»
«Aber du
wirst doch nicht heiraten», erklärte Lady Sheringham. «Und das ist noch nicht
alles. Nie im Leben wurde ich so gedemütigt wie an dem Tag des vergangenen
Monats, an dem ich mich gezwungen sah, mich bei General Ware für dein
unerhörtes Betragen auf der Straße nach Kensington zu entschuldigen. Ich wäre
am liebsten im Erdboden versunken. Natürlich warst du angeheitert.»
«Das war
ich nicht!» schrie Seine Lordschaft auf, an seiner empfindlichsten Stelle
getroffen. «Du lieber Gott, Madam, Sie glauben doch nicht, daß es mir gelungen
wäre, die Speichen der Räder von fünf Equipagen zu streifen, wenn ich einen
Affen gehabt hätte!»
Seine
Mutter ließ das Taschentuch aus ihrer plötzlich erschlafften Hand fallen. «Die
Speichen der Räder von fünf Equipagen streifen?» stotterte sie, während sie ihn
ansah, als fürchte sie für seinen gesunden Menschenverstand.
«Fünf Stück
hintereinander und ohne Unfall!» bestätigte der Viscount. «War bloß ein
unglücklicher Zufall, daß ich den Phaeton des alten Ware umschmiß. Muß den
richtigen Moment verpaßt haben. Hat mich obendrein eine Wette gekostet. Habe
gewettet, ich könnte die Speichen der ersten sieben Wagen, die ich jenseits
des Schlagbaums im Hydepark antreffe, streifen, ohne einen von ihnen
umzustürzen. Verstehe nicht, wieso ich es verpfuschte. Muß die Art gewesen
sein, wie Ware kutschierte. Konnte nie in Reih und Glied bleiben: er ist nichts
als ein alter Peitschenknaller! Hat keine Präzision des Auges!»
«Mein
unglückliches Kind!» rief seine Mutter mit zitternder Stimme. «Ist denn jedes
Schamgefühl in dir erstorben? Horace, sprich du mit ihm!»
«Wenn er
das tut», sagte der Viscount, und sein Kinn streckte sich gefährlich vor, «dann
werfe ich ihn aus diesem Fenster,
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