Georgette Heyer
Herkommen. Der Herzog ist kein
Mensch. Einige Leute nennen ihn Satanas, und, mon Dieu, sie haben
recht!»
«Ich habe
nie den Teufel zu Gesicht bekommen», antwortete Léon aus der Tiefe eines
breiten Lehnstuhls hervor, auf dem er im Schneidersitz kauerte. «Aber ich
glaube nicht, daß Monseigneur ihm gleicht.» Er überlegte. «Aber wenn er dem
Teufel gleicht, würde ich den Teufel sehr gern haben. Mein Bruder sagt, ich sei
ein Kind des Teufels.»
«Wie
schändlich!» sagte die Haushälterin, die dicke Madame Dubois, entsetzt.
«Meiner
Treu, ein Teufelstemperament hat er!» kicherte Gregory, ein Lakai.
«Aber hör
mich doch an, du!» drang Gaston in ihn. «Monsieur le Duc ist die Härte in
Person! Wer wüßte es besser als ich? Ich sage dir, moi qui vous parle, wär
er nur zornig, ginge alles in Ordnung. Wenn er mir einen Spiegel an den Kopf
würfe, nicht ein Wort würd ich sagen! Das ist Herrenart, Edelmannsart! Aber der
Herzog! Der spricht leise und sanft – oh, wie sanft! – und seine Augen sind
halbgeschlossen, während seine Stimme – voilà, ich schaudere!» Er
erschauerte wirklich, belebte sich jedoch augenblicklich, als Beifallsgemurmel
ausbrach. «Und du, Petit! Wann hat er schon zu dir gesprochen, wie man
zu einem Jungen spricht? Er spricht zu dir, als ob du sein Hund wärst! Ach, es ist
geradezu schwachsinnig, einen solchen Mann zu bewundern! Kaum glaublich
ist's!»
«Ich bin sein Hund. Er ist freundlich zu mir, und ich liebe ihn», erklärte Léon
fest.
«Freundlich!
Madame, hören Sie?» Gaston appellierte an die Haushälterin, die tief aufseufzend
ihre Hände faltete.
«Er ist
noch so jung», sagte sie.
«Nun will
ich dir mal was sagen!» rief Gaston. «Was, glaubst du, hat dein geliebter
Herzog vor drei Jahren getan? Du siehst dieses Palais, ja? Schön ist es,
kostbar ist es. Eh bien! Ich, ich hab dem Herzog seit sechs Jahren
gedient, du kannst dir also denken, daß ich die Wahrheit spreche. Vor drei
Jahren war er noch arm! Steckte bis über den Hals in Schulden. Na, gelebt haben
wir trotzdem standesgemäß, bien sir; die Alastairs haben's nie anders
gehalten. Haben immer im selben Glanz gelebt, aber hinter all der Pracht gab's
nichts als Schulden. Ich weiß es. Dann sind wir nach Wien gegangen. Der
Herzog hat seit eh und je um große Einsätze gespielt: das ist in diesem Haus so
üblich. Zuerst hat er verloren. Man könnt nicht sagen, daß er sich's zu Herzen
genommen hätte, denn er hat noch immer gelächelt. Auch das ist so seine Art.
Dann kommt ein junger Edelmann daher, sehr reich, sehr wohlgemut. Spielt mit
dem Herzog. Er verliert. Er schlägt einen noch höheren Einsatz vor, der Herzog
geht drauf ein. Und was geschieht? Der junge Edelmann verliert weiter. Und er
verliert weiter und weiter, bis zum Schluß – alles futsch! Das Vermögen hat den
Besitzer gewechselt. Der junge Mann ist ruiniert – absolument! Der
Herzog geht. Er lächelt – oh, dieses Lächeln! Ein bißchen später ficht der
junge Mann ein Pistolenduell aus und feuert weit, weit in die Luft! Weil er
ruiniert war, hat er den Tod gewählt. Und der Herzog ...» Gaston machte eine
weitausholende Handbewegung – «der Herzog kommt nach Paris und kauft sich
dieses Palais mit dem Vermögen des jungen Edelmanns!»
«Ach!»
seufzte Madame und schüttelte ihr Haupt.
Léon schob
leicht das Kinn vor.
«Das ist
gar nicht so schlimm. Monseigneur spielt immer fair. Dieser junge Mann
war ein Narr. Voilà, tout!»
«Mon
Dieu, so beurteilst
du die verkörperte Schlechtigkeit? Oh, ich könnte dir
Dinge erzählen! Wenn du all die Frauen kenntest, die der Herzog
hofiert hat! Wenn du wüßtest ...»
«Monsieur!»
Madame Dubois hatte protestierend ihre Hände erhoben. «Vor
mir solch eine Sprache?»
«Ich bitte
um Entschuldigung, Madame. Nein, ich sage kein Wort. Nicht ein
einziges! Aber was ich alles weiß!»
«Die einen
sind so, die andern wieder anders», sagte Léon ernst. «Habe schon
vieles mit angesehen.»
«Fi
donc!» schrie
Madame auf. «So jung, und schon so ...»
Léon
beachtete die Unterbrechung nicht und blickte Gaston mit einer Lebensweisheit
an, die dem jungen Gesicht merkwürdig anstand.
«Und so oft
ich solche Dinge sah, habe ich mir gedacht, daß stets die Frauen
schuld sind.»
«Hört euch
dieses Kind an!» rief Madame. «Was kannst du, petit, in deinem
Alter schon davon wissen?»
Léon zuckte
die Achseln und beugte sich wieder über sein Buch.
«Vielleicht
nichts», antwortete er.
Gaston warf
ihm einen
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