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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Page und die Herzogin
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Liebchen in die Gesellschaft
einzuschmuggeln.»
    Madame de
Saint-Vire saß nun aufrecht in ihrem Lehnstuhl, die Finger in die Armstützen
verkrallt. Ihre Lippen bewegten sich lautlos; sie war dem Zusammenbrechen
gefährlich nahe, und es war deutlich zu erkennen, daß ihr dieser Teil der
Geschichte neu war.
    «Welch
abgefeimter Schurke!» rief Lavoulère.
    «Warten
Sie, mein lieber Lavoulère. Er war so gütig, dem Kind eine Wahl zu lassen. Er
versprach zu schweigen, wenn sie aus der Welt, in die sie eben erst
eingetreten, verschwinden wolle.» Avons Augen härteten sich, seine Stimme war
wie Eis. «Ich sagte bereits, daß sie ihren Vormund liebte, Messieurs. Ihn
verlassen, dazu verdammt sein, in ihr früheres schmutziges Leben
zurückzukehren, war schlimmer als der Tod für sie. Sie hatte erst – am Kelch
des Glücks genippt.»
    Nur wenige
Leute befanden sich noch im Zimmer, die die Geschichte nicht verstanden;
Entsetzen stand in vielen Gesichtern geschrieben; das Schweigen war allgemein.
Condé beugte sich in seinem Stuhl vor, Erbitterung und Angst standen in seinen
Zügen.
    «Fahren Sie
doch fort!» rief er rauh. «Sie – kehrte zurück?»
    «Nein,
Prinz», antwortete Avon.
    «Was
sonst?» Condé hatte sich erhoben.
    «Prinz, für
die Verzweifelten, für die Unerwünschten, für die, denen das Herz brach, gibt
es stets einen Ausweg.»
    Madame du
Deffand erschauerte und bedeckte ihre Augen.
    «Sie wollen
damit doch nicht sagen ...?»
    Avon
deutete zum Fenster.
    «Da
draußen, Prinz, gar nicht so weit entfernt, strömt der Fluß dahin. Er hat
schon viele Geheimnisse, viele Tragödien in seinen Fluten geborgen. Dieses Kind
bedeutete nur eine weitere Tragödie, die darin ihr Ende fand.»
    Ein
durchdringender und schriller Schrei, vergeblich zu ersticken versucht,
ertönte. Madame de Saint-Vire war, einem unerbittlichen Zwang gehorchend,
aufgesprungen und stolperte gleich einer Wahnsinnigen nach vorne.
    «Nein,
nein, nein!» keuchte sie. «Das kann nicht sein, kann nicht sein! Ach, meine
süße Kleine! Bist du so unbarmherzig, Gott? Sie darf nicht tot sein!» Ihre
Stimme steigerte sich und erstickte ihr dann in der Kehle. Sie warf ihre Arme
hoch und brach zu Avons Füßen zusammen; dort blieb sie, heftig schluchzend,
liegen.
    Lady Fanny
sprang auf.
    «Oh, die
Arme! Nein, nein, Madame, sie lebt, ich schwöre es! Helft mir doch jemand!
Madame, Madame, beruhigen Sie sich!»
    Plötzlich
gerieten alle in Aufruhr; Davenant wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    «Mein
Gott!» stöhnte er heiser. «Welch schauerliches Werk – du kluger, kluger
Teufel!»
    In der
allgemeinen Verwirrung ließ sich eine bestürzte weibliche Stimme hören.
    «Ich
verstehe nicht! Wie – ist dies das Ende der Geschichte?»
    Avon wandte
nicht das Haupt.
    «Nein,
Mademoiselle. Ich warte noch immer auf das Ende.»
    Ein
plötzliches Handgemenge im Alkoven zog die Aufmerksamkeit von Madame de
Saint-Vire auf den Grafen. Als Madame die Beherrschung verlor, war er
aufgesprungen, wohl wissend, daß ihr Ausbruch ihn
endgültig verraten hatte, und nun rang er, eine Hand an der Hüfte, wahnwitzig
mit Merivale. Selbst als einige hinzustürzten, kämpfte er sich frei, bleigrau
im Gesicht und keuchenden Atems; sie sahen, daß er eine kleine Pistole in der
Hand hielt.
    Condé warf
sich plötzlich vor den Herzog und die Mündung der Pistole.
    In wenigen
Sekunden war es vorbei. Man hörte Saint-Vire gellend wie ein Irrer schreien: «Du Teufel!
Teufel!»
    Dann
ertönte ein ohrenbetäubender Knall, eine Frau kreischte auf, und Rupert schritt
heran, um sein Taschentuch über Saint-Vires zerschmettertes Haupt zu breiten.
Er und Merivale neigten sich über die Leiche des Grafen; Seine Gnaden trat
langsam auf sie zu und blickte kurz auf das nieder, was Saint-Vire gewesen war.
Am anderen Ende des Zimmers erlitt eine Frau einen Nervenzusammenbruch. Seine
Gnaden sah Davenant in die Augen.
    «Sagte ich
nicht, daß es poetisch sein würde, Hugh?» bemerkte er und wandte sich wieder
zum Kamin. «Mademoiselle ...» er verbeugte sich vor dem erschrockenen Mädchen,
das ihn um das Ende der Geschichte befragt hatte – «Monsieur de Saint-Vire hat
das Ende beigestellt.» Er nahm das zerknitterte Papier vom Kaminsims und warf
es lachend ins Feuer.

31
    SEINE
GNADEN GEWINNT DAS GESAMTE SPIEL
    Und abermals ritt Seine Gnaden der
Herzog von Avon auf einem gemieteten Pferd in das Dörfchen Bassincourt ein. Er
trug wildlederne Kniehosen und einen Rock aus mattpurpurnem Samt mit

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