Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Page und die Herzogin
Vom Netzwerk:
Und
du hast – hast drei Monate lang an der Seite Avons gelebt?» Fanny blickte auf.
Das Geräusch einer zufallenden Tür unten spornte sie
zu plötzlicher Betriebsamkeit an. «Nun also! Edward ist bereits von White
zurückgekehrt. Ich will zu ihm hinuntergehen und – und mit ihm plaudern, während
du dich ausruhst. Armes Kind, ich möchte schwören, daß du schon schrecklich
müde bist?»
    «N-nein»,
erwiderte Léonie. «Aber Sie wollen Mr. Marling mitteilen, daß ich gekommen bin,
nicht wahr? Und wenn's ihm nicht paßt – und ich glaube, es wird ihm nicht
passen –, kann ich ...»
    «Larifari!»
rief Fanny, leicht errötend. «Das kommt nicht in Frage, meine Liebe, versichere
ich dir. Edward wird entzückt sein! Natürlich wird er's
sein, du Dumme! Das wäre ja hübsch, wenn es mir nicht gelänge, ihn um meinen
kleinen Finger zu wickeln. Ich wollte nur, daß du dich ausruhst, und das wirst
du auch! Möchte wetten, daß du vor Müdigkeit fast schon umfällst. Fange nicht
schon wieder zu streiten an, Léonie!»
    «Ich
streite ja gar nicht», machte Léonie geltend.
    «Nein – ich
meinte nur, du könntest es, und das macht mich so ärgerlich! Komm, ich bringe
dich auf dein Zimmer.» Sie führte Léonie in ein blau
ausgestattetes Gastzimmer und seufzte. «Bezaubernd!» sagte sie.
    «Ich
wollte, du wärst nicht gar so reizend. Deine Augen gleichen diesen
Samtvorhängen. Ich habe sie in Paris bekommen, meine Liebe. Sind sie nicht
erlesen schön? Ich verbiete dir, dein Kleid anzurühren, während ich weg bin,
hörst du?» Sie rollte fürchterlich die Augen, tätschelte Léonies Hand und
entschwebte in einem Wirbelwind von Seide und Spitzen, Léonie allein mitten im
Zimmer zurücklassend.
    Léonie
schritt zu einem Stuhl und setzte sich vorsichtig nieder, die Fersen
aneinandergepreßt und die Hände zimperlich im Schoß gefaltet.
    «Das alles
finde ich nicht sehr nett», sprach sie zu sich selbst. «Monseigneur ist
weggegangen, nie könnte ich ihn in diesem gräßlichen großen London
wiederfinden. Diese Fanny ist albern, glaube ich. Oder vielleicht ist
sie verrückt, wie sie's selbst gesagt hat.» Léonie hielt inne, um dies
eingehender zu erwägen. «Nun, vielleicht ist sie nur eine richtige Engländerin.
Und Edward wird es nicht passen, daß ich hier hin. Mon Dieu, wahrscheinlich
wird er mich für une fille de joie halten. Sehr leicht möglich. Ich
wollte, Monseigneur wäre nicht gegangen.» Diese Vorstellung gab ihr eine
Zeitlang zu denken und führte zu einer weiteren. «Was wird er wohl von mir
denken, wenn er mich so sieht? Diese Fanny sagte, ich sei reizend. Das ist
natürlich richtig dumm, aber ich glaube doch, daß ich ganz hübsch aussehe.» Sie
stand auf und schob ihren Stuhl vor den Spiegel. Stirnrunzelnd versenkte sie
sich in den Anblick ihres Bildes und schüttelte den Kopf. «Das eine ist gewiß:
Léon bist du nicht. Nur ein kleines bißchen von dir ist Léon.» Sie neigte sich
vor, um ihre Füße zu betrachten,
die noch immer in Léons Schuhen staken. «Héias! Gestern noch war ich der
Page Léon, und heite bin ich Mademoiselle de Bonnard. Und ich fühle mich in
diesen Kleidern schrecklich unbehaglich. Und ich bin, glaube ich, ein wenig
verschreckt. Nicht einmal M. Davenant ist mir geblieben. Ich werde gezwungen
sein, Pudding zu essen, und diese Frau wird mich ewig küssen.» Sie seufzte tief
auf. «Das Leben ist furchtbar schwer», bemerkte sie kummervoll.

11
    MR.
MARLINGS HERZ WIRD GEWONNEN
    Lady Fanny traf ihren Gatten in der
Bibliothek an; er stand vor dem Kamin und wärmte sich die Hände. Er war ein
Mann von mittlerer Größe mit regelmäßigen Gesichtszügen und ruhigen grauen
Augen. Als sie den Raum betrat, wandte er sich um und streckte ihr die Arme
entgegen. Lady Fanny trippelte auf ihn zu.
    «Bitte, gib
auf mein Kleid acht, Edward. Cerisette hat es frisch geliefert. Ist es nicht
elegant?»
    «Wundervoll
elegant», bestätigte Marling. «Aber wenn das heißt, daß ich dich nicht küssen
darf, werde ich es für abscheulich halten.» Sie schlug ihre porzellanblauen
Augen zu ihm auf.
    «Also, nur
einen einzigen Kuß, Edward. Oh, sind Sie aber gierig, Sir! Nein, Edward, ich
kann's nicht länger bei mir behalten. Ich hab dir etwas ungeheuer Aufregendes
zu sagen.» Sie warf ihm einen Seitenblick zu, voll der Zweifel, wie er die
Neuigkeit aufnehmen werde. «Erinnerst du dich, mein Lieber, wie ennuyée ich heute war, so daß ich fast in Tränen ausgebrochen
wäre?»
    «Und ob!»
lächelte Edward.

Weitere Kostenlose Bücher