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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Page und die Herzogin
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Meisterwerk zu betrachten. «Das halte ich nicht aus! Gott sei
gedankt, daß Justin dich aufs Land bringen wird! Du bist weitaus zu hübsch!
Betrachte dich im Spiegel, du lächerliches Geschöpf!»
    Léonie
wandte sich um, um in den hinter ihr stehenden hohen Spiegel zu sehen. Sie
schien mit einemmal viel größer und unendlich hübscher zu sein; die Locken
bauschten sich um ihr spitzes Gesichtchen mit den großen ernsten und scheuen
Augen. Ihre Haut hob sich schneeweiß von der apfelgrünen Seide ab. Sie musterte
sich verwundert, zwischen ihren Brauen krauste sich verwirrt die Stirn. Fanny
sah es.
    «Was? Nicht
zufrieden?»
    «Ein
blendender Anblick, Madame, und – und ich sehe, glaube ich, ganz nett aus, aber
...» Sie warf einen sehnsuchtsvollen Blick auf die verworfene Pagentracht. «Ich
möchte meine Hose!»
    Fanny warf
die Arme empor.
    «Noch ein
Wort von dieser Hose, und ich verbrenne sie! Du jagst mir einen Schauer über
den Leib, Kind!»
    Léonie sah
sie feierlich an.
    «Ich sehe
nicht ein, wieso Ihnen diese Hose ...»
    «Du
aufreizendes Geschöpf! Ich bestehe darauf, daß du schweigst! Rachel, nimm diese
– diese Kleider augenblicklich weg! Ich dulde sie keinesfalls in meinem
Zimmer.»
    «Sie dürfen
nicht verbrannt werden!» rief Léonie herausfordernd. Fanny hielt dem trotzigen
Blick stand und brach in kurzes Kichern aus.
    «Wie du
willst, meine Liebe! Lege sie in eine Schachtel, Rachel, und bringe sie in Miss
Léonies Appartement. Léonie, sieh dich doch an! Sag mir, ist das nicht geradezu
eine Création?» Sie trat zum Mädchen und brachte mit einigen Kniffen die
schweren Seidenfalten in die richtige Lage.
    Léonie
betrachtete nochmals ihr Spiegelbild.
    «Ich
glaube, ich bin gewachsen», sagte sie. «Was geschieht, wenn ich mich bewege,
Madame?»
    «Was sollte
denn da geschehen?» fragte Fanny verwundert.
    Léonie
wiegte zweifelnd den Kopf.
    «Ich
glaube, irgend etwas wird platzen, Madame. Vielleicht ich.» Fanny lachte.
    «Welcher
Unsinn! Es ist doch so locker geschnürt, daß es fast von dir herunterfällt!
Nein, nein, hebe nicht den Rock so hoch! Himmel, Kind, du darfst doch nicht
deine Beine zeigen! Das ist fürchterlich unschicclich!»
    «Pah!»
sagte Léonie und schritt, ihre Röcke hochraffend, vorsichtig durch das Zimmer.
«Ich werde bestimmt platzen», seufzte sie. «Ich werde Monseigneur sagen, daß
ich Frauenkleider nicht tragen kann. Ich fühle mich wie in einem Käfig.»
    «Sag nicht
schon wieder, daß du platzen wirst!» flehte Fanny sie an. «Dies ist ein äußerst
undamenhafter Ausdruck!»
    Léonie
hielt in ihrem Hin- und Herwandern inne.
    «Bin ich
denn eine Dame?» erkundigte sie sich.
    «Natürlich!
Was denn sonst?»
    Das
schelmische Grübchen kam zum erstenmal zum Vorschein, und die blauen Augen
begannen zu tanzen.
    «Nun, was
gibt's jetzt? Ist denn das so komisch?» fragte Fanny leicht verdrossen.
    Léonie
nickte.
    «Aber doch,
Madame. Und – und sehr verwirrend.» Sie kehrte zum Spiegel zurück und verneigte
sich vor ihrem Bild. «Bonjour,
Mademoiselle de Bonnard! Peste, qu' elle est ridicule!»
    «Wer?»
fragte Fanny.
    Léonie
deutete mit dem Finger verächtlich auf sich selbst.
    «Dieses
alberne Geschöpf.»
    «Das bist
du.»
    «Nein!»
rief Léonie entschieden. «Nie und nimmer!»
    «Du bist
wirklich widerlich!» kreischte Fanny. «Da gebe ich mir alle Mühe, dich in mein
hübschestes Kleid zu stecken – ja, in das hübscheste, wenn's mir auch nicht zu
Gesicht stand –, und du sagst, es sei albern!»
    «Nicht
doch, Madame. Ich bin albern. Könnte ich nicht, nur noch heute abend,
meine Hose behalten?»
    Fanny hielt
sich die Ohren zu.
    «Ich
weigere mich, dich weiter anzuhören! Wage nicht, dieses Wort vor Edward zu wiederholen,
ich beschwöre dich!»
    «Edward?
Puh, was für ein Name! Wer ist das?»
    «Mein
Gatte. Ein lieber Mensch, auf mein Wort, aber ich wage mir nicht auszumalen,
wie ihm würde, wenn er dich dieses Wort aussprechen hört!» Fanny brach in ein
gurrendes Lachen aus. «Ach, wie unterhaltsam wird es sein, Kleider für dich zu
kaufen! Ich liebe Justin geradezu dafür, daß er dich hierhergebracht hat! Und
was wird gar Rupert sagen?»
    Léonie
wandte den Blick vom Spiegel.
    «Das
ist Monseigneurs Bruder, n'est-ce pas?»
    «Das
unerträglichste Geschöpf», nickte Fanny. «Total verrückt, weißt du. Aber im
Grunde genommen sind wir Alastairs alle so. Du hast das ohne Zweifel schon
selbst bemerkt?»
    Die großen
Augen zwinkerten lustig. «Nein, Madame.»
    «Was?

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