Gequält
nicht zusammen?«
»Ich verstehe zwar nicht, was Sie das angeht, aber am Montag wollte ich shoppen. Mattias zog es vor, sich anderweitig zu beschäftigen, Stadtbummel war nie sein Ding.«
»Haben Sie etwas gekauft?«
»Ich glaube nicht, nein.«
»Wann am Montag war das?«
»Nachmittag, Spätnachmittag, ich erinnere mich nicht mehr so genau.«
»Wie praktisch.«
Sara lächelte.
»Was?«, fragte sie.
»Wissen Sie, was Mattias unternommen hat, während Sie so passend shoppen gingen?«
»Nein.«
»Sie haben ihn nicht gefragt?«
»Das wäre mir nicht im Traum eingefallen.«
Karlsson stand abrupt auf.
»Sie halten sich für verdammt clever, was?«, sagte er.
»Überhaupt nicht«, sagte Sara gelassen. »Ich bin mir meiner Grenzen sehr bewusst.«
Gerdin erhob sich, nickte zum Abschied und folgte seinem Kollegen. In der Tür drehte er sich noch einmal um.
»Laienschauspiel«, sagte er.
»Wie bitte?«
»Wenn es für die großen Bühnen schon nicht reicht, bewerben Sie sich doch bei einer Laientruppe. Dann können Sie sich gegenseitig im Hamlet abmurksen und normale Leute in Ruhe lassen.«
»Jetzt verstehe ich Sie nicht.«
»Eine Putzfrau. Eine unschuldige, hart arbeitende Putzfrau.«
Saras Miene zeigte keinerlei Regung. Gerdin betrachtete sie betrübt.
»Nicht einmal ein leichtes Zucken?«, meinte er. »Oder ein leichtes Zittern der Unterlippe?«
77
Es war alles andere als eine Mondwanderung. Die Schritte waren schwer und bleiern. Die Kollegen betrachteten ihn verstohlen, nickten verständnisvoll, fragten, wie es mit der Hand gehe, und fanden es klasse, dass er die Wahrheit gesagt hatte. Aber in der Redaktion hielt niemand mehr den Atem an, wenn er vormittags eintraf, und an der Kaffeemaschine stellte sich auch keine dreiundzwanzigjährige Praktikantin mehr hinter ihm an. Der Chefredakteur des Unterhaltungsressorts eilte auch nicht mehr mit frisch ausgedruckten Presseerklärungen an seinen Tisch, und niemand kommentierte seine neuesten Texte. Anders Malmbergs unaufhaltsamer Abstieg hatte begonnen.
Er spürte eine Hand auf seinem Rücken, drehte sich um und lächelte unsicher.
»Hast du Zeit?«, fragte die Chefredakteurin.
»Jetzt? Ja klar.«
Sie führte ihn ins Besprechungszimmer.
»Könntest du bitte die Tür hinter dir schließen?«
Anders fielen die neugierigen Gesichter seiner Kollegen auf. Als er ihre Blicke erwiderte, schauten alle weg.
»Nimm Platz.«
Anders setzte sich.
»Alles in Ordnung?«
Anders blinzelte nervös.
»Und die Hand?«, fuhr die Chefredakteurin fort.
»Ich habe Mühe mit dem Schlafen, sonst ist alles okay.«
»Gut. Also, Folgendes … «
Sie verstummte und sah ihn an. Er betrachtete sie fragend.
»Was hältst du davon, mit dem Redigieren anzufangen?«
»Redigieren?«, fragte Anders. »Warum sollte ich … «
»Wir können keinen Reporter gebrauchen, der falsche Aussagen gemacht hat.«
»Ich habe nicht vor Gericht ausgesagt.«
»Dann eben: einen Reporter, der die Polizei belügt. Das ist dasselbe, zumindest in den Augen der Leser.«
»Aber ich habe in meinem Artikel alles offen dargelegt. Wie vereinbart.«
»Durchaus. Und das hast du gut gemacht. Wirklich.«
Anders merkte auf. Wirklich war ein verstärkendes Wort, das eine Behauptung abschwächte und in ihr Gegenteil verwandelte.
»Du feuerst mich?«, fragte Anders. »Du feuerst mich, weil man mich verprügelt hat?«
»Ich biete dir eine andere Stelle in der Schlussredaktion an.«
»Aber ich schreibe. Deswegen bin ich hier.«
Die Chefredakteurin lächelte geduldig.
»Verstehst du denn nicht, welche Chance ich dir biete?«, sagte sie. »Journalisten gibt es im Überfluss, und die wenigsten halten mehr als ein paar Jahre durch. Redakteure werden immer gebraucht. Ich sage ja auch gar nicht, dass es für immer ist, nur bis Gras über die Sache gewachsen ist.«
»Bist du jemals in deinen eigenen vier Wänden verprügelt worden?«
»Nein, Gott sei Dank nicht, das ist mir erspart geblieben.«
»Verstehst du nicht, was für eine Belastung das ist? Was für ein Psychohorror? Jedes Mal, wenn es klingelt, frage ich wie ein verängstigter Rentner, wer da ist, bevor ich aufmache.«
»Das verstehe ich, ich sage nur … «
»Wenn du wüsstest, was ich durchmache, dann hätten wir diese Diskussion jetzt nicht.«
Anders redete schnell und erregt.
»Anders, hör mir zu.«
Die Chefredakteurin streckte ihren Arm aus, ergriff seine Hand und fing seinen unruhigen Blick auf.
»Du bist begabt, du hast das Zeug
Weitere Kostenlose Bücher