Geraubte Herzen
Kopf.
Er sah sie an.
Fast hätte sie zu lachen angefangen. Er sah so ernst aus, wie ein Schulmeister, der absolute Ehrlichkeit einforderte, aber sie kannte die Wahrheit. Seit heute Nacht kannte sie die ganze Wahrheit.
Er war nicht so hart, wie er sich gab. Er war, genau genommen, weich wie Butter.
Sie legte die Hand an seine Wange und sagte: »Ich bin angenehm wund.«
»Hast du Angst vor dem nächsten Mal, wenn wir uns lieben?«
Dem nächsten Mal. Sie lachte. Er plante schon ihr nächstes Mal. »Ich könnte niemals Angst vor dir haben.«
Er seufzte erleichtert, und seine Miene entspannte sich. »Gut, denn bei dir fühle ich mich wie sechzehn. Du kriegst vielleicht nie mehr die Chance, irgendwelche Kleider anzuziehen.«
Bevor sie mit ihm darüber streiten konnte - und in Anbetracht ihres morgigen Stundenplans hatte sie das vor -, zog er sich sacht aus ihr zurück.
Sie zuckte ein wenig zusammen.
Er sah es natürlich. Wie auch nicht? Er beobachtete sie mit Argusaugen. Er steckte die Decke um ihre Schultern fest und befahl: »Bleib ganz ruhig liegen. Ich bin gleich wieder da.« Er rutschte von der Bettkante.
Sie schob die Hand unter die Wange und sah ihn ins Badezimmer gehen. Sein Körper war eine Inspiration, ein Musterexemplar an Männlichkeit, und sie fragte sich träge, ob am Mount Rushmore noch irgendwo Platz war. Die weibliche Bevölkerung, das garantierte sie, hätte das Felsmassiv überrannt, wenn sie ihn in Stein gemeißelt hätten.
Er kehrte mit einem feuchten Waschlappen zurück, und sie wusste, welch schwere Entscheidung dem Steinmetz bevorstand: von vorne oder von hinten?
»Du wirkst so ernst. Sag nicht, dass dir im Nachhinein Zweifel kommen.«
»Nein, überhaupt nicht.« Obwohl sie, nachdem sie in seinem Bett gelandet war, noch nicht einmal für anfängliche Zweifel Zeit gehabt hatte.
»Gut, das hätte ich auch nicht zugelassen.« Er schob die Decke zurück, stupste ihre Beine auseinander und wusch sie vorsichtig ab.
Sie ließ es zu. Nicht, weil es sie nicht verlegen gemacht hätte, das tat es, sondern weil er tun musste, was er für richtig hielt. Das kühle Wasser beruhigte sie, und als er fertig war, warf er den Waschlappen Richtung Badezimmer und traf dabei die Tür. Ohne sich um die Unordnung zu scheren, wandte er sich wieder Hope zu. Sein Blick verweilte mit einem Feuer und einem Interesse auf ihr, als hätten sie nicht eben erst Erfüllung gefunden. Widerwillig zog er die Decke hoch. »Warm genug?«
»Brutzelwarm.«
»Möchtest du etwas zu essen? Zu trinken?« Er berührte das Pflaster an ihrer Schläfe. »Tut es weh?«
»Es geht mir gut.« Sie mochte es, umsorgt zu werden.
»Gut.« Er streifte die Hand über ihre Nippel und sagte: »Dein Busen hat die perfekte Größe … und, mein Gott, diese Form. Makellos.« Er folgte mit einem Finger dem Rand ihrer Brustwarze. »Ich bin nächtelang wach gelegen und habe mir ausgemalt, wie wir beide im Bett sind. Aber ich hätte nie gedacht, dass es so wunderbar sein würde.«
Sie kuschelte sich in die Kissen. »Meine Schwester hat immer gesagt, meine Brüste sehen aus wie zwei Pfirsiche auf einem Bügelbrett.«
Sie bemerkte ihren Fehler sofort. Sie biss sich auf die Lippe.
Sie hatte ihre Schwester erwähnt.
Er hob den Blick und verlangte wortlos nach mehr. Er wusste jetzt schon mehr über ihre Familie, als irgendwer sonst auf der Welt. Falls er die Wahrheit herausfand, würde er sie aus diesem komfortablen Bett werfen, und sie fürchtete, dass sie diese eine Abfuhr nicht überlebte. Sie war zu schwach. Sie war zu erschöpft. Sie war viel zu - ihr stockte der Atem - sie war viel zu verliebt.
19
Hope liebte ihn. Liebte Griswald. Deswegen war sie hergekommen. Sie musste bei ihm sein, weil sie dem Tod so nah gewesen war.
Die Erkenntnis erschütterte sie bis ins Mark, aber sie rührte sich nicht, sagte kein Wort … er schien nicht zu bemerken, dass sich ihre ganze Welt aus den Angeln hob.
»Erzähl mir von deiner Schwester«, murmelte er, die Stimme verführerisch und weich wie Samt.
Sie musste es riskieren. Sie musste glauben, dass er sie nicht verstoßen würde.
Sie holte langsam Luft und sagte: »Ich hatte eine Schwester. Zwei Schwestern. Und einen Bruder.«
Wieder nur ein winziges Stückchen Information. Sie ließ so selten etwas heraus, Zack kam sich vor, als schürfe er nach unbezahlbarem, flüchtigem Gold. Es war ihr offenkundig nicht wohl dabei, sie sah überallhin, nur ihn sah sie nicht an. Stück für Stück rückte er von
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