Gerechte Engel
gut konnte. »Und was noch wichtiger ist: eine von Consuelo Bullochs Enkelinnen. Vor allem aber ist sie die Besitzerin eines wertvollen Schmuckstücks, das sich gegenwärtig in den Händen deiner Klientin befindet. Und zwar unrechtmäßig. Mrs. Waterman hätte nicht das Geringste dagegen, wenn diese chirurgisch aufgemotzte Justine ins Kittchen käme.« Nachdenklich trommelte er sich mit den Fingern gegen die Lippen. »Hmmm. Darf man eigentlich von chirurgisch aufgemotzt reden, wenn das Ergebnis so katastrophal ist? Vermutlich nicht.«
Bree stieß ein Schnauben aus. »Weshalb soll sie denn ins Gefängnis kommen?«
»Zum Beispiel wegen schweren Diebstahls. Einer Brosche aus Saphiren und Diamanten in Gestalt eines Pfaus, entworfen von keinem Geringeren als Louis Comfort Tiffany und Eigentum …«
EB klappte ihren Stenoblock zu. »Der Matriarchin. Ist uns schon klar. Aber Consuelo ist tot. Wie kann denn einer Toten ein Schmuckstück gehören?«
»Na gut«, sagte Payton mit einer Miene, als habe er es mit geistig behinderten Kindern zu tun. »Dann will ich mal ganz genau sein. Diese Brosche gehört zum Nachlass der verstorbenen Mrs. Consuelo Bulloch.«
EB schüttelte den Kopf. »Nichts da. Justine zufolge hat Mrs. Bulloch ihren Besitz ihren drei Enkelinnen hinterlassen, und zwar zu gleichen Teilen …«
Bree strahlte Payton an. »Die Notizen, die sich Mrs. Billingsley macht, sind einmalig.«
»… wie kommt es dann aber, dass nur eine von ihnen Ms. Coville verklagen will? Denn falls diese Brosche«, fuhr EB unerbittlich fort, »nicht Sammi-Rose vermacht worden ist, in einem zusätzlichen …« Sie warf Bree einen fragenden Blick zu.
»Kodizill«, ergänzte Bree. »Das müsste vorhanden sein.«
»Kodizill. Genau.« EB notierte sich den Ausdruck. »Müssten dann nicht alle drei Enkelkinder eine Klage einreichen? Und nicht nur diese Mrs. Waterman?«
Bree nickte. »Selbstverständlich. Die Kläger müssten Bulloch, Waterman und … Wie heißt die dritte Enkelin noch mal? Also diejenige, die Mrs. Coville die Brosche geliehen hat. Cicerone. Nein, Moment mal. Es war Dixie Bulloch, die unserer Klientin das Schmuckstück geliehen hat. Offenbar setzt Payton eher auf Einschüchterung als auf Tatsachen, Mrs. Billingsley.«
»Weil sie eine alte Dame ohne jeden verwandtschaftlichen Beistand ist. Verstehe.« EB fixierte Payton mit einem Blick, der ebenfalls recht einschüchternd war. »Wissen Sie, Ms. Beaufort, ich glaube nicht, dass der Streifenwagen da draußen wegen Ms. Coville hier war. Er versucht nämlich nicht nur, alte Damen einzuschüchtern, sondern auch uns. Sie sollten sich was schämen, Mr. McAllister.«
»Vermutlich haben Sie recht, EB. Der lügt wie gedruckt. Typisch. Womit wir wieder bei Option A oder B wären«, fügte Bree fröhlich hinzu. »Also zieh Leine. Je früher, desto besser.«
»Du hast überhaupt keine Ahnung, auf was du dich da einlässt.« Paytons Gesicht war bleich vor Wut. Nur auf den Wangen glühten zwei rote Flecken. »Ihr werdet noch von uns hören, ihr beiden Miststücke.«
EB sah ihn stirnrunzelnd an. »Hüten Sie Ihre Zunge, Mr. McAllister. Was würde Ihre Mama wohl sagen, wenn Sie solche Wörter benutzen?«
War Miststück schon schlimm genug, so schlug der Ausdruck, den Payton als nächsten von sich gab, dem Fass endgültig den Boden aus.
Entrüstet schnappte EB nach Luft.
Payton grinste breit.
Bree geriet in Wut.
In der hintersten Ecke des Büros entstand ein Luftstrom, der die Papiere auf EBs Schreibtisch aufwirbelte. Bree spürte, wie der Wind zunahm, und nahm ein intensives silbernes Licht wahr. Die Zeit schien einen Moment lang stillzustehen, und Bree nutzte diese kurze Zeitspanne, um Payton von oben bis unten zu mustern.
Die Kanzlei Stubblefield, Marwick bestand darauf, dass ihre Mitarbeiter einer Kleiderordnung huldigten, wie sie nur noch bei den konservativsten Angehörigen der guten Gesellschaft von Savannah üblich war. Was hieß, dass Payton einen sehr gut geschnittenen grauen Nadelstreifenanzug trug und dazu eine Krawatte. Eine Krawatte in ziemlich knalligen Farben.
Bree sprang auf Payton zu und packte ihn mit der rechten Hand bei der Krawatte. Um ihren Kopf und ihre Schultern brauste Wind. Sie riss Payton hoch, wirbelte ihn herum und öffnete mit der linken Hand die Bürotür. Dann schleuderte sie ihn wie ein Frisbee in den Gang.
Er landete auf dem rechten Knie und fing sich mit den Händen ab. Was ihm vermutlich eine gebrochene Nase ersparte. Nicht dass es
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