German für Deutsche
mag, will oder braucht, bekommt sie. In Computerheften, Geldanlageblättern, Surfer-Fanzines 3 oder Popmusik-Magazinen. Und wer sie nicht versteht, liest eh die passenden Medien, die zu seinen allgemeinen Verständnismöglichkeiten passen.
3 Dass hier » Fanzine« steht, hat mit dem Stilzwang zu tun, unter dem Schreiber stehen. » Heft«, » Blatt«, » Magazin« hatte der Autor schon abgehakt, da fiel mir nur noch der Anglizismus ein. Stellen Sie sich vor, ich hätte » Rechnermagazine, Geldanlagemagazine, Wellenreitermagazine und Populärmusikmagazine« geschrieben. Ziemlich steif, oder?
Wo wird Englisch gesprochen?
Das Englische blüht oder wuchert (Geschmackssache) im Jargon von Berufen, die höhere Bildung (Studium) und globale Kommunikation verbinden. Die üblichen Verdächtigen sind Wirtschaft, Technik, Werbung und Medien. Nicht zu vergessen: Alle Wissenschaften, in denen der Austausch von Texten Sprachgrenzen überschreitet und eine Verständigungssprache (oder lingua franca ) vonnöten ist. Wissenschaftliche Aufsätze sollen global zitiert werden; also werden sie auf Englisch verfasst. Wer das Geschäft oft genug betreibt, neigt dazu, auch im Deutschen die englisch getönten und nicht die älteren griechisch-lateinischen Fachbegriffe zu benutzen. Der persönliche Sprachstil eines Menschen verändert sich schließlich durch das, was er liest oder schreibt.
Wen stört das? Wissenschaftler wollen effektiv kommunizieren. Wirtschaftler global. Werber, Designer und Marketingmenschen beweisen sich mit englischem Wortgeklingel, dass sie anders, besser, auf jeden Fall: sie selbst sind. Das Spiel treiben wir alle, auch der Fußballfan; der nur mit anderem Wortgeklingel. (Aber ohne » Hattrick«, » Keeper« oder » Golden Goal« kommt auch der mittlerweile nicht aus.)
Wo kommt das viel gescholtene Englisch in deutschen Texten nun vor? In Heftchenromanen? Liebesschmökern? Lokalen Anzeigenblättern? Nein, oder: eher nicht. Und wenn, dann wegen Marketingfehlern der besagten Medien.
Anglizismen aller Art tummeln sich:
In Fachzeitschriften (Computer, Unterhaltungselektronik, Wirtschaft, Medien, Marketing, Design). Beispiel: » Mit dem kostenlosen Image Grabber können Sie Video-Screenshots erstellen.« Chip ( 5-2 010)
In » gehobeneren« Publikumszeitschriften und News-Magazinen ( Der Spiegel, Focus, Stern ). Beispiel: » Der Boreout, so ihre Beobachtung, entwickelt sich vor allem im Schatten des Burnout.« Stern ( 6-2 007)
In Magazinen für junge Zielgruppen (Musik, Mode, Technik, Computerspiele, Motor, Aktivsport). Beispiel: » Zum Lernen ist Shelar wirklich eine super Kante, hochbeamen, abturnen und wieder hochbeamen …« dhv.de (Es geht um Paragliding, Entschuldigung: Gleitschirmfliegen.)
In überregionalen » Qualitäts«-Zeitungen ( Frankfurter Allgemeine, Die Welt, Süddeutsche Zeitung, Die Zeit ). Beispiel: » Das Artwork des diesjährigen Burton Vapor zum Beispiel übernahm die New Yorker Graffiti-Legende Futura 2000, der als Gründer der abstrakten Streetart gilt.« Süddeutsche Zeitung ( 2-2 009)
In der gedruckten Werbung, die in den genannten Medien stattfindet. Beispiel: » Item m6 – The intelligent Legwear; für sie: Shaping – Style – Sexy; für ihn: Hightech – Energy – Personality.« ELLE (1 0-2 012)
Im Internet. Das World Wide Web ist das am stärksten von Anglizismen infiltrierte Medium. Zugleich ist es das Leitmedium des jüngeren Deutschland, also von Menschen unter 50. Hier hat sich im Dunstkreis von Foren, Chats und Blogs ein Neudeutsch herausgebildet, das nicht nur von Anglizismen strotzt, sondern auch von Orthographiefehlern, Grammatikmissgriffen und Stilentgleisungen. Den Autor graust’s darob; aber ändern kann man’s nicht.
All diese Medien, Kommunikationsformen und Werbebotschaften haben Absender und Adressaten. Wer hier Geld verdienen will, beschreibt erst einmal Zielgruppen, die er mit bestimmten Mitteln erreichen muss. Medien richten sich nicht demokratisch an alle Menschen. Sondern gut marketing-strategisch an ganz bestimmte Menschen. Mit dem passenden Geschmack, dem passenden Geld, der passenden Bildung, eben auch: den passenden Englischkenntnissen.
Auf der Modezeitschrift ELLE darf das Titelthema » Soft Luxury« heißen. Auf dem Frauenblatt Brigitte wird im gleichen Herbstmonat » Lust auf Stricken« getitelt (und nicht etwa » Lust for knitting« ). Die ELLE - Leserinnen verstehen den Story-Titel nicht nur, er gehört zum Erwartungshorizont der Käuferinnen, den das
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