Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
dich«, murmelte er. »Man kann hindurchkommen, ich schwöre es dir.«
    Um zu der schiefen Ebene zu gelangen, mußten sie gebeugt, bis zu den Schultern im Wasser gehen. Der Aufstieg begann von neuem und war jetzt gefährlicher durch diesen ganz verzimmerten Schlund von hundert Metern Länge. Anfänglich wollten sie das Seil herunterziehen, um unten den einen der Karren festzubinden; denn wenn der andere während ihres Emporklimmens niederführe, mußte er sie zermalmen. Aber es rührte sich nichts; irgendein Hindernis lähmte den Mechanismus. Sie wagten sich hinauf, ohne sich des Seiles zu bedienen, das ihnen hinderlich war und zerrissen sich die Nägel an den glatten Balken. Er kletterte hinter ihr und hielt sie mit dem Schädel fest, wenn ihre blutenden, zerschundenen Hände abglitten. Plötzlich stießen sie an Balkensplitter, welche die schiefe Bahn verrammelten. Erde war abgerutscht; ein Einsturz hinderte sie, höher hinaufzudringen. Glücklicherweise war da eine Tür, die in einen Gang führte.
    Zu ihrer grenzenlosen Verwirrung erblickten sie vor sich ein Lampenlicht. Ein Mann rief ihnen wütend zu:
    »Gibt es noch mehr solche Dummköpfe wie ich?«
    Sie erkannten Chaval; er war durch den Einsturz blockiert, welcher die schiefe Ebene verrammelte; die zwei Kameraden, die mit ihm aufgebrochen, waren mit gespaltenem Schädel unterwegs geblieben. Er selbst war am Ellbogen verletzt worden und hatte den Mut gehabt, auf allen Vieren kriechend zurückzukehren, um ihre Lampen zu nehmen und ihre Brotschnitten zu stehlen. Als er dann flüchtete, verlegte ein letzter Einsturz hinter ihm die Galerie.
    Er weigerte sich sogleich, seine Vorräte mit den Leuten zu teilen, die da aus der Erde hervorkamen. Er hätte sie umbringen mögen. Dann erkannte auch er sie, sein Zorn schwand, und er brach in ein boshaftes Gelächter aus.
    »Ach, bist du's, Katharina? Du bist übel angekommen und kehrst zu deinem Mann zurück, wie? Gut, gut, wir wollen zusammen Hochzeit halten.«
    Er tat, als sehe er Etienne nicht. Dieser war bestürzt wegen des Zusammentreffens und hatte eine Bewegung gemacht, wie um Katharina zu schützen, die sich an ihn schmiegte. Indes mußte er sich in die Lage finden. Er fragte einfach den Kameraden, als seien sie vor einer Stunde in bester Freundschaft geschieden:
    »Hast du dich unten umgesehen? Kann man nicht durch die Schläge hindurchkommen?«
    Chaval antwortete noch immer in seinem höhnischen Tone:
    »Ach, die Schläge! Die sind sämtlich eingestürzt; wir befinden uns zwischen zwei Mauern, in einer wahren Mäusefalle... Aber du kannst über die schiefe Ebene zurückkehren, wenn du ein guter Taucher bist.«
    In der Tat stieg das Wasser, man hörte das Geplätscher. Der Rückweg war schon abgeschnitten. Er hatte recht, es war eine Mäusefalle, ein Stück Galerie, vorn und hinten durch bedeutende Einstürze verrammelt. Kein Ausgang, die drei waren eingemauert.
    »Du bleibst also da?« fuhr Chaval höhnisch fort. »Es ist das beste, was du tun kannst, und wenn du mich in Ruhe läßt, will ich nicht ein Wort mit dir reden. Es ist noch Platz für zwei Menschen da ... Wir werden sehen, wer zuerst hin wird. Es sei denn, daß man kommt, uns zu retten, und das scheint mir schwer möglich.«
    »Wenn wir an die Wand pochten, würde man uns vielleicht hören«, hub Etienne wieder an.
    »Ich bin des Pochens schon überdrüssig ... Da, versuche es selbst mit diesem Stein.«
    Etienne hob das Stück Sandstein auf, welches der andere schon zum Teil zerbröckelt hatte, und schlug damit an die Wand im Hintergrunde den Anruf der Bergleute, das anhaltende Trommeln, womit die in Not geratenen Bergleute ihre Anwesenheit bekanntgeben. Darin drückte er ein Ohr an die Wand, um zu horchen. Diesen Vorgang wiederholte er zwanzigmal, doch von außen kam kein Geräusch zur Antwort.
    Inzwischen richtete sich Chaval mit erheuchelter Ruhe häuslich ein. Zunächst stellte er seine drei Lampen an die Wand hin; nur eine brannte, die anderen sollten später an die Reihe kommen. Dann legte er auf einen Balken der Verholzung die zwei Brotschnitten, die er noch besaß. Das war sein Speiseschrank; bei kluger Wirtschaft werde er mit diesem Vorrat zwei Tage das Auslangen finden. Zu Katharina gewendet sagte er:
    »Die Hälfte ist für dich, wenn du gar zu hungrig wirst.«
    Das Mädchen schwieg. Um das Maß ihres Unglücks vollzumachen, mußte sie sich zwischen diesen beiden Männern befinden.
    Jetzt begann das furchtbare Leben. Chaval und Etienne saßen

Weitere Kostenlose Bücher