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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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fünfzigtausend Franken Ersparnisse, die er in einem Strumpfe verborgen hielt. Der unerschütterlichen Zuversicht seines Gebieters nachgebend, holte er zehntausend Franken aus dem Strumpfe und erwarb einen Denar. Er zitterte dabei vor Angst, daß er seine Kinder berauben könne. Sein Sohn Eugen bezog in der Tat sehr magere Dividenden; da er sich auf den Fuß einer spießbürgerlichen Existenz eingerichtet und überdies die Torheit begangen hatte, die anderen vierzigtausend Franken des väterlichen Erbes in einer unglücklichen Geschäftsunternehmung zu verschleudern, führte er ein ziemlich bedürftiges Leben. Doch der Zinsenertrag des Denars stieg allmählich; die Wohlhabenheit begann mit Felix; ihm gelang es, einen Traum zu verwirklichen, den sein Großvater, der ehemalige Verwalter, seit seiner Kindheit gehegt hatte; er konnte die zum Nationalgut erklärte und zerstückelte Besitzung Piolaine um einen Pappenstiel an sich bringen. Die folgenden Jahre waren jedoch ungünstig; es galt die Abwickelung des revolutionären Umsturzes und das blutige Ende Napoleons zu überdauern. So zog erst Leon Grégoire in erstaunlicher Steigerung die Vorteile aus der zaghaften Kapitalsanlage seines Vorfahren. Mit dem Gedeihen der Gesellschaft wuchsen und gediehen auch diese armseligen zehntausend Franken. Seit dem Jahre 1820 trugen sie hundert Prozent, das sind zehntausend Franken, im Jahre i85o vierzigtausend Franken; vor zwei Jahren endlich war die Dividende auf fünfzigtausend Franken gestiegen; der Wert eines Denars, auf der Börse zu Lille mit einer Million angesetzt, war in einem Jahrhundert auf das Hundertfache gestiegen.
    Herr Grégoire, dem man bei dem Kurse von einer Million geraten hatte, seinen Anteil zu verkaufen, hatte mit seiner lächelnden und väterlichen Miene diesen Rat abgelehnt. Sechs Monate später brach eine Industriekrise aus, und der Denar sank auf sechsmalhunderttausend Franken. Doch er lächelte noch immer und bedauerte nichts, denn die Grégoires hatten ein beharrliches Vertrauen zu ihrem Bergwerk. Die Aktien würden sicher wieder steigen. In diese Zuversicht mengte sich, übrigens auch eine tiefe Dankbarkeit für einen Wert, der seit einem Jahrhundert die Familie so schön ernährte, daß sie die Hände in den Schoß legen konnte. Dieser Wert war gleichsam ihre Gottheit, die ihr Egoismus mit einem Kultus umgab; der Wohltäter der Familie, der sich in einem breiten Bette der Trägheit wiegte, an einer leckeren Tafel mästete. Das ging vom Vater auf den Sohn über: warum das Schicksal durch einen Zweifel erzürnen? Auf dem Grunde ihrer Treue lauerte ein abergläubischer Schrecken, die Furcht, daß die Million plötzlich zerfließen könne, wenn sie ihren Anteil zu Geld machten und es in das Spind legten. Sie hielten ihren Schatz für besser gehütet in der Erde, von wo ein Heer von Arbeitern, Geschlechter von Hungerigen ihn für sie heraufholten, jeden Tag etwas, je nach ihren Bedürfnissen.
    Übrigens flossen Glück und Segen reichlich auf dieses Haus hernieder. Herr Grégoire hatte in jugendlichem Alter die Tochter eines Apothekers von Marchiennes geheiratet, ein häßliches Fräulein ohne einen Sou, das er anbetete und das ihm an Glückseligkeit alles ersetzte. Sie hatte sich in ihrer Häuslichkeit eingeschlossen, lebte in ewigem Entzücken an der Seite ihres Gatten, hatte keinen andern Willen als den seinigen; niemals hatte eine Verschiedenheit des Geschmacks sie getrennt; dasselbe Ideal der Wohlfahrt vereinigte ihre Wünsche; so lebten sie seit vierzig Jahren in Zärtlichkeit und Sorge füreinander. Es war ein geregeltes Dasein; die vierzigtausend Franken wurden in Ruhe verzehrt, die Ersparnisse für Cäcilie ausgegeben, deren spätes Kommen einen Augenblick ihre Berechnungen ins Schwanken brachte. Auch heute noch befriedigten sie jede ihrer Launen: ein zweites Pferd, noch zwei Wagen, Toiletten aus Paris. Doch dies war ihnen eine Freude; sie fanden nichts zu schön für ihre Tochter, während sie selbst einen solchen persönlichen Widerwillen gegen jeden Prunk hatten, daß sie an den Moden ihrer Jugend festhielten.
    Jede Ausgabe, die keinen Nutzen brachte, schien ihnen unsinnig.
    Plötzlich ging die Tür auf, und eine kräftige Stimme rief:
    »Was heißt das? Man frühstückt ohne mich?«
    Es war Cäcilie, die eben aus dem Bette kam, die Augen noch voll Schlaf. Sie hatte in aller Eile ihre Haare aufgesteckt und war in einen Frisiermantel von weißem Wollstoff geschlüpft.
    »Nein,« sagte die Mutter,

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