Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)
ahmte er ihr zu Ehren sofort das australische Nationaltier Känguru nach, was ihm in Anbetracht seines fortgeschrittenen Alters nicht ganz leicht fiel. Ich glaube, auf die Sprünge verzichtete er. Doch er war so »super drauf«, dass wir schließlich mehr oder weniger die ganze Show nochmals erleben durften.
Einmal wartete er vor seiner Abreise aus dem Hotel auf seinen Chauffeur, der ihn zum Flughafen bringen sollte. Er waren an diesem Tag kaum Gäste im Grill, und so konnten wir ein wenig plaudern. Ich nahm dies zum Anlass, ihm einmal zu sagen, wie sehr ich von ihm und seinem Leben beeindruckt bin. Von den vielen verschiedenen Sachen, die er in seinem Leben gemacht hat. Er war unter anderem Schauspieler, Regisseur, Autor, Stimmenimitator, Komödiant, ja sogar Rennfahrer. Er habe in seinem Leben, so teilte er mir mit, alle schönen Autos der Welt gefahren. Besonders gern die PS-starken und schnellen.
All das hat einen kleinen Schatten auf mein demgegenüber vergleichsweise armes Leben geworfen, was ich ihn auch wissen ließ. Am Ende meiner Lamentationen verkündete ich, dass ich im Leben, ehe es zu Ende gehe, noch einmal etwas Großes, Schönes und Reines machen möchte. Das sei so ein Wunsch von mir, setzte ich erklärend hinzu. Er sah mich mit seinem verschmitzten Lächeln an und meinte, etwas mitleidsvoll: »So waschen Sie doch einen Elefanten«, worauf wir beide sehr herzlich lachten. Dass er hierbei feinsinnig eine Erwiderung zitierte, welche einst Else Lasker-Schüler ihrem Dichterkollegen Gottfried Benn auf eine recht ähnliche Frage gegeben hatte, wurde mir erst viele Jahre später bewusst. Sir Peter war eben auch ein sehr belesener Mann.
Peter Ustinov gehörte zu dem kleinen Kreis von Prominenten, bei denen ich mir erlaubte, sie um ein Autogramm zu bitten. Als er einmal alleine am Tisch saß, nutzte ich die Gelegenheit, mein Anliegen vorzubringen. »Oh«, sagte er mit seinem dezenten englischen Akzent, »recht gern.« Aber dann ließ er sich Zeit. Ich wartete und wartete. Fürs viele Warten wurde ich schließlich wahrhaft »fürstlich« belohnt. Er hatte die gereichte Visitenkarte des Hotels nicht nur mit seinem Namenszug versehen, sondern dazu auch noch ein recht gut getroffenes Porträt von mir gezeichnet. Darunter setzte er den Schriftzug: »Rudolf Nährig, dem Kronprinzen der k. u. k. Oberkellner.«
Noch eine allerletzte kleine Ustinov-Geschichte: Sir Peter war mit einigen Gästen zum Mittagessen verabredet. Da wenig Zeit war – es sollten hinterher gleich wichtige Gespräche stattfinden –, hatte man sich für ein vorbestelltes Menü entschieden. Eine Gemüsesuppe und danach Wiener Tafelspitz. Die Suppe ist gegessen, es kommt der Tafelspitz. Einer der Gäste isst nur Kartoffeln und Gemüse und würdigt den schönen Tafelspitz keines Blickes. Als Ustinov das sieht, fragt er seinen Gast: »Schmeckt Ihnen das Fleisch denn nicht?«
»Nein«, antwortete der Gast, »durch eine fleischlose Ernährung möchte ich mein Leben verlängern.«
»Komisch«, gab Ustinov zurück, »und ich dachte immer, euch Vegetariern macht es Spaß, ins Gras zu beißen.«
Christopher Lee – Ohne mich, jeder Tag dir so bang
Sir Peter war nicht der einzige internationale Filmstar, dem ich im Vier Jahreszeiten begegnet bin. »Sie sind Wiener«, ertönte einmal unvermittelt eine tiefe Stimme hinter mir. »Ja, woher wissen Sie das?«, fragte ich zurück, während ich mich umdrehte. »Ich habe in Wien viele Male gespielt und erkenne sofort die wienerische Farbe in Ihrer Sprache.« Es war Christopher Lee, der Schauspieler, den ich in einigen Filmen als Graf Dracula gesehen und bewundert habe.
Sofort intonierte er den Ochs von Lerchenau aus dem Rosenkavalier von Richard Strauss: »Ohne mich, ohne mich, jeder Tag dir so bang, mit mir, mit mir, keine Nacht dir zu lang.« Wir sangen sofort im Duett diesen großartigen Text Hugo von Hofmannsthals, der bekanntlich viele Libretti für Strauss geschrieben hat. »Jetzt«, sagte er sodann, »muss ich ein Wiener Schnitzel essen und dazu an Heirigen trinken.« Ein paar Minuten später kam auch seine Frau dazu. Eine elegante Dänin. Ganz in Schwarz gekleidet. Großer schwarzer Hut. Große dicke Sonnenbrille. Sah aus, als sei sie selbst ein Star. War sie wohl auch, halt nur keine Schauspielerin. Aber sie hat früher als Model gearbeitet.
Jedes Mal, wenn dieser große, hagere Mann wieder im Hotel wohnte – und das war oft zweimal im Jahr –, sangen wir zur Begrüßung die Arie des Ochsen
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