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Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gernhardt
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Lämmern,
    Lautlos, schleicht der Mensch zum Schönen.
    Aber bald hört man ihn hämmern.
    Hör ich Hämmern, trag ich Trauer.
    Hämmern heißt: Da wird gehandelt.
    Angesichts des Schönen meint das
    Leider stets: Da wird verschandelt.
    Ergebung
    Süßer wird der Wein und süßer,
    Immer milder wird der Sinn,
    Streift der Blick wie träumend über
    Die zerrupfte Landschaft hin.
    Ach der Häuschen, ach der Menschlein,
    Eingehüllt in blauen Dunst.
    Euch zu schelten ist ein Leichtes.
    Euch zu rühmen eine Kunst.
    Beispiel Bella zum Ersten
    Tosender Akazienrain,
    Den ein Spatzenschwarm durchzittert,
    Weckt in ihr den Hühnerhund:
    Bella steht erstarrt und wittert.
    Solch durchgreifendes Erinnern
    Dünkt den Dichter exemplarisch:
    Fühlt er sich doch selber manchmal
    Vor dem Schönen leicht pindarisch.
    Gute Nacht
    Alles ruht. Nun nimmt sich Morpheus
    Aller an. In seinen Armen
    Findet, wer geplagt, Erlösung,
    Wer von Schuld bedrückt, Erbarmen.
    Alles schläft. Doch Morpheus' Arme
    Haben jemanden vergessen.
    Einen, der noch mal zum Heft greift,
    Schlafverlassen, albbesessen.
    1. Oktober
    Morgenstimmung 9 Uhr 30
    Hohe Nebel bremsen kräftig
    Sonnenwagens fahle Scheibe -
    Einmal wird sie noch besungen,
    Und dann seh' sie, wo sie bleibe:
    Bin nicht Frater San Francesco.
    Dieser weihte dir sein Leben.
    Für mich Kurzzeitrühmer aber
    Naht die Zeit, mich fortzuheben.
    Beispiel Bella zum Zweiten
    »Über jeden Morgenausgang
    Freut die Bella sich wie Bolle.
    Manchmal habe ich den Eindruck,
    Daß sie mir was sagen wolle -«
    »Mensch, du willst vom Hunde lernen?
    Hund, lehr du den Mensch das Freuen,
    Und die Freude jeden Morgen
    Selbstvergessen zu erneuen.«
    Vorfreude auf den Morgengang
    Der Blick ins Blau. Den Weg bergab,
    Durch Sonnenrauch zu Tal und Wiese.
    Dann übern Bach, den Bach entlang,
    Und schon empfängt uns bergend diese
    Tiefgrüne Dunst- und Kühleschleuse,
    Aus der wir neu erfrischt hervorgehn,
    Den Weg bergauf, bis wir das Blau
    Durch goldner Blätter lichten Flor sehn.
    Tote Hose
    Jagdsaison. Die vielen Jäger
    Sind nicht nur der Tod des Hasen.
    Die gesamte Tierwelt deckt hier
    Buchstäblich der grüne Rasen.
    Alles tot. Da dämmert manchem,
    Was er für ein armes Schwein ist.
    Also schafft der Mensch sich Aliens,
    Damit er nicht ganz allein ist.
    Udo geht
    Schön ist gutbestellter Boden.
    Bauer ist das Salz der Erde.
    Aber der gesteht uns seufzend,
    Daß er's Land verlassen werde.
    Allzu mühsam das Gelände,
    Allzu müde seine Knochen.
    Übers Jahr ist von dem Schönen
    Wieder ein Stück weggebrochen.
    Alte Künste
    Weidenbaum trieb Weidenrute,
    Weidenrute band den Wein
    An den Stamm des Maulbeerbaumes:
    So stand eins fürs andre ein
    Auf den Äckern frührer Zeiten.
    Raren Orts tut's das noch immer
    Und ergreift Herz, Geist und Auge:
    Alter Künste letzter Schimmer.
    Versucher zum Dritten
    »Stör mich nicht. Es läuft die Zeit ab,
    Die mir bleibt, etwas zu sagen.«
    »Narr, das Ungesagte wird dein
    Schongesagtes ständig schlagen.
    Jegliches gesagte Wort meint
    Myriaden ungesagte.«
    »Heb dich fort! Noch kann ich's sagen:
    Du bist hier der Ungefragte.«
    Lob der Wärme
    Wärme, Freund, ist nicht gleich Wärme.
    Heut hat sie was Fokussiertes.
    Setze dich in diesen Fokus,
    Schließ die Augen, schon passiert es,
    Schon verspürst du: Diese Wärme
    Ist bei Gott höchst ungewöhnlich!
    Wärmt nicht einfach all- und jedes,
    Sondern dich. Dich höchstpersönlich.
    Versucher zum Vierten
    »Als dich himmelwärts entrückte
    Stiller See, da riß ein Beben
    Um Assisi in den Orkus
    Häuser, Kunst und Menschenleben.«
    »Was, zum Teufel, soll der Unsinn,
    Solchen Vorwurf zu erheben?
    Ob ich preise oder fluche -
    Beben wird es immer geben.«
    Guter Vorsatz
    Liebgewordene Gewohnheit,
    Witternd durch den Tag zu eilen
    Und was irgend übern Weg läuft
    In acht Zeilen mitzuteilen:
    Grade weil sie liebgeworden,
    Will ich die Gewohnheit lassen.
    Rasch erwächst aus Wohltat Plage,
    Und das Lieben kippt in Hassen.
    Rückfall und Versucher zum Letzten
    »Hast du noch etwas zu sagen?«
    »Allerdings. Zum Thema ›Preisen‹.
    Unterstellt, die Welt sei eine
    Kippfigur, würd' das beweisen,
    Daß der recht hat, der sie schwarz sieht,
    So wie jener, der sie weiß sieht.
    Ihr gerecht wird die Verfluchung,
    Ihr gerecht wird auch das Preislied.«
    Nachmittag 16 Uhr
    Alles farblos. So, als suche
    Jemand lautlos meine Nähe
    Mit dem ganz speziellen Auftrag,
    Daß er's Licht herunterdrehe.
    Alles Licht. Nicht nur das draußen.
    Auch

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