Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gernhardt
Vom Netzwerk:
scheint,
    Ist er doch der angestammte
    Urgrund aller jener Sonnen,
    Die dir um so heller scheinen,
    Je geschwächter der Trabant wirkt.
    So im Großen, so im Kleinen.
    Sommerlich warm
    Früchte schrumpfen, Beeren trocknen.
    Im schier endlosen Bescheinen
    Schickt sich Grünes an zu gilben,
    Übt sich Großes im Verkleinen:
    Will dir etwas wohl, sei wachsam!
    Jede Wohltat kann sich rächen.
    Was dich säftigte, dich dörren,
    Und was kräftigte, dich schwächen.
    Vom Pfirsich
    Ungezählter Pfirsichfrüchte
    Rund an Rund in dichtem Laube,
    Pfirsichernte unermeßlich -
    Da mach ich mich aus dem Staube:
    Menge freut sich an der Menge,
    Dichter schon am Einzelfalle.
    Ihm genügt der An-und-Pfirsich:
    Kennt er einen, kennt er alle.
    Mittagsruhe
    Ausgestreckt auf breiter Matte,
    Wäscheknattern, Wipfelrauschen
    Über mir und mir zu Füßen
    Weites Land. Zwei Falter tauschen
    Gaukelnd unverstellte Botschaft,
    Und ich spür mit allen Sinnen
    Zeit sich sammeln, Zeit sich stauen,
    Zeit verströmen, Zeit verrinnen.
    Vom Wein
    War denn schon vom Wein die Rede?
    Nein? Dann laßt mich von ihm singen.
    Singend trink ich, trinkend will ich's
    Lied zu gutem Ende bringen:
    Folgt auch Trunk aus Pöbelmaul
    Unverständlich Lallen -
    Singt des Dichters reiner Mund:
    Rotwein wird sich ballen.
    Verfrühtes Dunkel
    Mehltau trübt die bunten Bilder,
    Frösteln lähmt die muntern Glieder,
    Schwacher Trost: Mit meiner Schwäche
    Find ich mich in allen wieder.
    Biene summt nicht, Echse jagt nicht,
    Katz und Hund verharrn verbiestert,
    Sonne wärmt nicht, Strahl erhellt nicht,
    Seit der Holden Braue düstert.
    26. September
    Unvertrauter Schmerz
    »Sieh den Mann dort auf der Bettstatt«,
    Sprach die Gottheit zu dem Schützen,
    »Halte nicht aufs Herz des Toren,
    Herzschmerz pflegt der auszunutzen.
    Halt auf seine linke Schulter,
    jene, die er nie bedachte.
    Er wird sie ab heut bedenken!«
    Schütze schoß und Gottheit lachte.
    Morgenlektion
    Schaut dein Auge trüb zu Boden,
    Kommt der Hund vorbeigeflogen,
    Wird dein Blick auch wider Willen
    Aufgefrischt und hochgezogen.
    Will dein finsteres Gemüte
    Allem Frohsinn sich verweigern,
    Lehrt ein Blick auf den Galopper:
    Leben nur kann Leben steigern.
    Unmögliche Reise
    Glück vergangner Völkerschaften
    Lag auf schnellem Pferderücken.
    Andrer Sattel, andres Reittier
    Soll mich Mann von heut beglücken:
    Hü, mein braves motorino!
    Trage mich mit vierzig Sachen
    Weit, weit fort von dumpfen Grillen
    Rasch, rasch hin zu frohem Lachen.
    Zweierlei Winzer
    Jenes Feld ist schon geerntet,
    Dieses blaut noch voller Trauben.
    Jener hat gedacht: Mehr gibt's nicht.
    Dieser lebt im festen Glauben
    Daran, daß die Sonne endlos
    Süßespendend weiterstrahle -
    Sehe jeder, wie er's treibe,
    Und wer irrt, daß er auch zahle.
    Abendgang 18 Uhr
    Anfangs geh ich frisch im Schatten
    Abwärts in gewohnter Richtung,
    Dann, am Bildnis der Madonna,
    Trete ich in letzte Lichtung,
    So denn weiter in die Sonne,
    Schritt für Schritt zu reinster Sichtung
    Steigt der Weg, und schrittweis fügt sich
    Wort zu Satz und Satz zu Dichtung.
    Abendgang 18 Uhr 15
    Geht die Sonne, folgt die Farbe.
    Nach durchscheinendstem Verglühen
    Hat der Baum nichts mehr zu bieten.
    Also spart er sich die Mühen
    Und verharrt gedeckter Tönung,
    Bis im nächsten Sonnenschimmer
    Er erneut erglüht. Doch vorerst
    Dreht der Abend still am Dimmer.
    27. September
    Morgendlicher Fund
    Auf dem Weg unübersehbar
    Grellgestreifte Spuren eines
    Niegesehnen Tiers, da nächtlich:
    Borstengruß des Stachelschweines.
    So, wie ich an jene Tiere
    Glaube dieser Borsten wegen,
    Kann sich angesichts des Schönen
    Dank an einen Schöpfer regen.
    Sonnenblumen
    Sommersonne strahlt vom Himmel,
    Sonnenblumen starrn zur Erde.
    Wer sie anschaut, steht betroffen:
    Soviel Stirb! Wo bleibt das Werde?
    Nicht mehr Sonne, kaum mehr Blume -
    Angesichts des Dörrzeugs lerne:
    Was da schwarz die Köpfe neiget
    Birgt millionenfache Kerne.
    Tadel des Schönen
    Wie auf einer Perlenkette
    Reiht sich Tag an Tag in Schöne.
    Wieso kommt's dem Dichter vor, als
    Ob das Schöne ihn verhöhne?
    Anfangs glückte ihm das Rühmen.
    Gern gedenkt er jener Zeiten.
    Aber mählich fehln ihm Worte,
    So wie seiner Leier Saiten.
    Lob des Irrtums
    Unabweislich starker Eindruck:
    Schöner kann es nicht mehr werden!
    Das war gestern. Heut ist's schöner.
    Derart läßliche Beschwerden
    Zeigen mir, daß ich ein Mensch bin.
    Denn »humanum est errare«,
    Lehrt der Weise. Solchem Irrtum
    Blas ich gerne die

Weitere Kostenlose Bücher