Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
scheint,
Ist er doch der angestammte
Urgrund aller jener Sonnen,
Die dir um so heller scheinen,
Je geschwächter der Trabant wirkt.
So im Großen, so im Kleinen.
Sommerlich warm
Früchte schrumpfen, Beeren trocknen.
Im schier endlosen Bescheinen
Schickt sich Grünes an zu gilben,
Übt sich Großes im Verkleinen:
Will dir etwas wohl, sei wachsam!
Jede Wohltat kann sich rächen.
Was dich säftigte, dich dörren,
Und was kräftigte, dich schwächen.
Vom Pfirsich
Ungezählter Pfirsichfrüchte
Rund an Rund in dichtem Laube,
Pfirsichernte unermeßlich -
Da mach ich mich aus dem Staube:
Menge freut sich an der Menge,
Dichter schon am Einzelfalle.
Ihm genügt der An-und-Pfirsich:
Kennt er einen, kennt er alle.
Mittagsruhe
Ausgestreckt auf breiter Matte,
Wäscheknattern, Wipfelrauschen
Über mir und mir zu Füßen
Weites Land. Zwei Falter tauschen
Gaukelnd unverstellte Botschaft,
Und ich spür mit allen Sinnen
Zeit sich sammeln, Zeit sich stauen,
Zeit verströmen, Zeit verrinnen.
Vom Wein
War denn schon vom Wein die Rede?
Nein? Dann laßt mich von ihm singen.
Singend trink ich, trinkend will ich's
Lied zu gutem Ende bringen:
Folgt auch Trunk aus Pöbelmaul
Unverständlich Lallen -
Singt des Dichters reiner Mund:
Rotwein wird sich ballen.
Verfrühtes Dunkel
Mehltau trübt die bunten Bilder,
Frösteln lähmt die muntern Glieder,
Schwacher Trost: Mit meiner Schwäche
Find ich mich in allen wieder.
Biene summt nicht, Echse jagt nicht,
Katz und Hund verharrn verbiestert,
Sonne wärmt nicht, Strahl erhellt nicht,
Seit der Holden Braue düstert.
26. September
Unvertrauter Schmerz
»Sieh den Mann dort auf der Bettstatt«,
Sprach die Gottheit zu dem Schützen,
»Halte nicht aufs Herz des Toren,
Herzschmerz pflegt der auszunutzen.
Halt auf seine linke Schulter,
jene, die er nie bedachte.
Er wird sie ab heut bedenken!«
Schütze schoß und Gottheit lachte.
Morgenlektion
Schaut dein Auge trüb zu Boden,
Kommt der Hund vorbeigeflogen,
Wird dein Blick auch wider Willen
Aufgefrischt und hochgezogen.
Will dein finsteres Gemüte
Allem Frohsinn sich verweigern,
Lehrt ein Blick auf den Galopper:
Leben nur kann Leben steigern.
Unmögliche Reise
Glück vergangner Völkerschaften
Lag auf schnellem Pferderücken.
Andrer Sattel, andres Reittier
Soll mich Mann von heut beglücken:
Hü, mein braves motorino!
Trage mich mit vierzig Sachen
Weit, weit fort von dumpfen Grillen
Rasch, rasch hin zu frohem Lachen.
Zweierlei Winzer
Jenes Feld ist schon geerntet,
Dieses blaut noch voller Trauben.
Jener hat gedacht: Mehr gibt's nicht.
Dieser lebt im festen Glauben
Daran, daß die Sonne endlos
Süßespendend weiterstrahle -
Sehe jeder, wie er's treibe,
Und wer irrt, daß er auch zahle.
Abendgang 18 Uhr
Anfangs geh ich frisch im Schatten
Abwärts in gewohnter Richtung,
Dann, am Bildnis der Madonna,
Trete ich in letzte Lichtung,
So denn weiter in die Sonne,
Schritt für Schritt zu reinster Sichtung
Steigt der Weg, und schrittweis fügt sich
Wort zu Satz und Satz zu Dichtung.
Abendgang 18 Uhr 15
Geht die Sonne, folgt die Farbe.
Nach durchscheinendstem Verglühen
Hat der Baum nichts mehr zu bieten.
Also spart er sich die Mühen
Und verharrt gedeckter Tönung,
Bis im nächsten Sonnenschimmer
Er erneut erglüht. Doch vorerst
Dreht der Abend still am Dimmer.
27. September
Morgendlicher Fund
Auf dem Weg unübersehbar
Grellgestreifte Spuren eines
Niegesehnen Tiers, da nächtlich:
Borstengruß des Stachelschweines.
So, wie ich an jene Tiere
Glaube dieser Borsten wegen,
Kann sich angesichts des Schönen
Dank an einen Schöpfer regen.
Sonnenblumen
Sommersonne strahlt vom Himmel,
Sonnenblumen starrn zur Erde.
Wer sie anschaut, steht betroffen:
Soviel Stirb! Wo bleibt das Werde?
Nicht mehr Sonne, kaum mehr Blume -
Angesichts des Dörrzeugs lerne:
Was da schwarz die Köpfe neiget
Birgt millionenfache Kerne.
Tadel des Schönen
Wie auf einer Perlenkette
Reiht sich Tag an Tag in Schöne.
Wieso kommt's dem Dichter vor, als
Ob das Schöne ihn verhöhne?
Anfangs glückte ihm das Rühmen.
Gern gedenkt er jener Zeiten.
Aber mählich fehln ihm Worte,
So wie seiner Leier Saiten.
Lob des Irrtums
Unabweislich starker Eindruck:
Schöner kann es nicht mehr werden!
Das war gestern. Heut ist's schöner.
Derart läßliche Beschwerden
Zeigen mir, daß ich ein Mensch bin.
Denn »humanum est errare«,
Lehrt der Weise. Solchem Irrtum
Blas ich gerne die
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