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Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gernhardt
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wurzelndem
    Grundglück.
    Vor allem Unglück
    war Glück. Vor allem
    Mißglücken glückte es.
    Ihr glücklichen Tage!
    Nur wen ihr beglückt,
    der kennt glücklose Nächte.
    Wir glücklichen Menschen!
    Vor unserem Glück erst
    erstrahlt hell euer Unglück.
    Schlafenszeit
    Reck ich die Hand,
    ist da ein Hund.
    Streck ich den Fuß,
    ist da ein Katz.
    Dreh ich den Kopf,
    ist da ein Du:
    So hat ein jedes seinen Platz.
    Nach der Nacht
    Glücklicher Morgen: Wir in der Sonne
    Unter uns Nebel, über uns Vögel
    Zwei graue Reiher auf geradestem Wege
    Im Gleichschlag der Flügel
    Im Gleichtakt des Fluges
    Aus tiefem Blau in weit fernere Bläue.
    Der glorreiche 29 . April 2000
    8 Uhr 30 Blick aus dem Fenster
    Der Tag beginnt mit Gleißen.
    Mag meinen Blick nicht wenden.
    Solch Gleißen will verheißen:
    So wird der Tag auch enden.
    12 Uhr 30 Im Garten des Wissenschaftskollegs
    Die Bäume läßt ein Wehen
    erst zittern, dann erbeben.
    Solch Wehen hilft verstehen:
    Deshalb lohnt es, zu leben.
    16 Uhr 30 Am Griebnitzsee
    Den Sandstrand netzt das Fluten
    ganz leicht bewegter Wellen.
    Solch Fluten läßt vermuten:
    Hier sitzt man an den Quellen.
    20 Uhr 30 Blick auf die Havel
    Die Abendröte spiegeln
    schön schwarzgefaßte Seen.
    Solch Spiegeln mag besiegeln:
    Heut nacht kann es geschehen.
    Auf Rügen
    Abends
    Das Meer bricht sich matt am Strand.
    Vom Land bläst ein kräftiger Wind her.
    Tiefblaue Schauer eilen über das Meer
    und verlieren sich auf dem Weg zum Horizont.
    Die Dämmerung läßt sich viel Zeit.
    Immer dunkler wird das erschauernde Meer.
    Zag blinkt ein Licht von weit her.
    Wer noch am Strand ist, beschleunigt seinen Schritt.
    Bald wird das Meer tiefschwarz sein.
    Schon ist der Strand fast menschenleer.
    Ohne Licht macht das Meer nicht viel her,
    macht nur noch »slosch«, wenn es sich matt am Strand bricht.
    Morgens
    Rechts fabelhaftes Glänzen.
    Es ist nicht anzusehen!
    Dann lieber links das Blau im Blick,
    vor dem schwarz Menschen gehen.
    Sie werfen lange Schatten,
    teils einzeln, teils zu zweien.
    Ihr Weg führt sie durch Naß und Sand,
    was Möwen laut beschreien.
    Im Flug vier wilde Schwäne!
    Es ist kaum auszuhalten:
    Für einen Augenblick scheint ganz,
    was heillos sonst gespalten.
    Kurzer Aufenthalt in und um Krems
A.D. Donau I.D. Wachau
    Einer von jenen gesegneten Landstrichen.
    Gesegnet mit Fluß, mit Hügeln gesegnet,
    mit Wein auf den Hügeln, gesegnet mit Sonne,
    die mir auf den Pelz brennt.
    Gesegnet mit Orten, die Orte gesegnet
    mit Toren und Türmen, gesegnet mit Plätzen,
    mit leeren und andren, gesegnet mit Menschen,
    die mir gelassen nachschaun.
    Gesegnet mit Stille, mit Bäumen gesegnet,
    mit Vögeln in ihnen, gesegnet mit Zwitschern,
    mit Enten am Fluß gesegnet, mit Schnattern
    entbieten sie mir ihren Gruß:
    Gesegnet seist du, Fremder, in Krems,
    mit einem Bahnhof gesegnet, mit Zügen.
    Gesegneter Zug, der dich hertrug. Er trag dich
    marsch, marsch zurück zu den andren Verdammten.
    Alles über den Sonnenuntergang
vom 3 . Juli 2001
    Wir da oben. Die da unten.
    Kennen nicht die Neun-Uhr-Sonne.
    Neun? Ich sprech von neun Uhr abends.
    Woran hatten Sie gedacht?
    Sie da unten. Wir da oben.
    Rückgelehnt auf unsern Sitzen.
    Golden wärmt die Neun-Uhr-Sonne
    uns im Licht. Nicht euch im Schatten.
    Ihr im Schatten. Wir hier oben,
    wo die Neun-Uhr-Fünfzehn-Sonne
    nicht mehr wärmend, noch vergoldend
    herrlich allen Horizont frißt.
    Sie am Sinken. Wir am Recken,
    bis die Sonne neun Uhr zwanzig
    uns zurückläßt, wo ihr längst seid:
    Ihr im Schatten. Wir im Schatten.
    Lob der Bescheidung
    Natürlich gibt es auch den Pavillon am Meer.
    Auf Säulen ruht sein Dach. Von ihnen eingerahmt,
    erstrahlt was irgend des Planeten Schönheit ausmacht:
    Land, Wasser, Luft.
    Natürlich kühlt nicht jeden solch ein Pavillon.
    Doch künden Gartenlauben rings um den Planeten
    davon, daß Menschen sich das Glück was kosten lassen:
    Geld, Liebe, Zeit.
    Natürlich hat nicht jeder eine Gartenlaube.
    Doch bietet vielen der Planet etwas. Im Fenster
    genießen sie an warmen Abenden den Dreiklang:
    Lärm, Abgas, Stein.
    Natürlich scheints dem Menschen, so sich zu bescheiden,
    daß er nicht mehr verlangt, als ihm das Leben zuteilt.
    Wie anders sollte der Planet sie alle fassen:
    Reich, nicht reich, arm dran?
    Verfluchung dreifach
    Ein dreifach Fluch der Makellosigkeit:
    Fluch erstens, weil sie einfach ohne Makel.
    Fluch zweitens, weil sie zwiefach den verwirrt,
    der Makel bisher teils nicht sah, teils

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