Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
wurzelndem
Grundglück.
Vor allem Unglück
war Glück. Vor allem
Mißglücken glückte es.
Ihr glücklichen Tage!
Nur wen ihr beglückt,
der kennt glücklose Nächte.
Wir glücklichen Menschen!
Vor unserem Glück erst
erstrahlt hell euer Unglück.
Schlafenszeit
Reck ich die Hand,
ist da ein Hund.
Streck ich den Fuß,
ist da ein Katz.
Dreh ich den Kopf,
ist da ein Du:
So hat ein jedes seinen Platz.
Nach der Nacht
Glücklicher Morgen: Wir in der Sonne
Unter uns Nebel, über uns Vögel
Zwei graue Reiher auf geradestem Wege
Im Gleichschlag der Flügel
Im Gleichtakt des Fluges
Aus tiefem Blau in weit fernere Bläue.
Der glorreiche 29 . April 2000
8 Uhr 30 Blick aus dem Fenster
Der Tag beginnt mit Gleißen.
Mag meinen Blick nicht wenden.
Solch Gleißen will verheißen:
So wird der Tag auch enden.
12 Uhr 30 Im Garten des Wissenschaftskollegs
Die Bäume läßt ein Wehen
erst zittern, dann erbeben.
Solch Wehen hilft verstehen:
Deshalb lohnt es, zu leben.
16 Uhr 30 Am Griebnitzsee
Den Sandstrand netzt das Fluten
ganz leicht bewegter Wellen.
Solch Fluten läßt vermuten:
Hier sitzt man an den Quellen.
20 Uhr 30 Blick auf die Havel
Die Abendröte spiegeln
schön schwarzgefaßte Seen.
Solch Spiegeln mag besiegeln:
Heut nacht kann es geschehen.
Auf Rügen
Abends
Das Meer bricht sich matt am Strand.
Vom Land bläst ein kräftiger Wind her.
Tiefblaue Schauer eilen über das Meer
und verlieren sich auf dem Weg zum Horizont.
Die Dämmerung läßt sich viel Zeit.
Immer dunkler wird das erschauernde Meer.
Zag blinkt ein Licht von weit her.
Wer noch am Strand ist, beschleunigt seinen Schritt.
Bald wird das Meer tiefschwarz sein.
Schon ist der Strand fast menschenleer.
Ohne Licht macht das Meer nicht viel her,
macht nur noch »slosch«, wenn es sich matt am Strand bricht.
Morgens
Rechts fabelhaftes Glänzen.
Es ist nicht anzusehen!
Dann lieber links das Blau im Blick,
vor dem schwarz Menschen gehen.
Sie werfen lange Schatten,
teils einzeln, teils zu zweien.
Ihr Weg führt sie durch Naß und Sand,
was Möwen laut beschreien.
Im Flug vier wilde Schwäne!
Es ist kaum auszuhalten:
Für einen Augenblick scheint ganz,
was heillos sonst gespalten.
Kurzer Aufenthalt in und um Krems
A.D. Donau I.D. Wachau
Einer von jenen gesegneten Landstrichen.
Gesegnet mit Fluß, mit Hügeln gesegnet,
mit Wein auf den Hügeln, gesegnet mit Sonne,
die mir auf den Pelz brennt.
Gesegnet mit Orten, die Orte gesegnet
mit Toren und Türmen, gesegnet mit Plätzen,
mit leeren und andren, gesegnet mit Menschen,
die mir gelassen nachschaun.
Gesegnet mit Stille, mit Bäumen gesegnet,
mit Vögeln in ihnen, gesegnet mit Zwitschern,
mit Enten am Fluß gesegnet, mit Schnattern
entbieten sie mir ihren Gruß:
Gesegnet seist du, Fremder, in Krems,
mit einem Bahnhof gesegnet, mit Zügen.
Gesegneter Zug, der dich hertrug. Er trag dich
marsch, marsch zurück zu den andren Verdammten.
Alles über den Sonnenuntergang
vom 3 . Juli 2001
Wir da oben. Die da unten.
Kennen nicht die Neun-Uhr-Sonne.
Neun? Ich sprech von neun Uhr abends.
Woran hatten Sie gedacht?
Sie da unten. Wir da oben.
Rückgelehnt auf unsern Sitzen.
Golden wärmt die Neun-Uhr-Sonne
uns im Licht. Nicht euch im Schatten.
Ihr im Schatten. Wir hier oben,
wo die Neun-Uhr-Fünfzehn-Sonne
nicht mehr wärmend, noch vergoldend
herrlich allen Horizont frißt.
Sie am Sinken. Wir am Recken,
bis die Sonne neun Uhr zwanzig
uns zurückläßt, wo ihr längst seid:
Ihr im Schatten. Wir im Schatten.
Lob der Bescheidung
Natürlich gibt es auch den Pavillon am Meer.
Auf Säulen ruht sein Dach. Von ihnen eingerahmt,
erstrahlt was irgend des Planeten Schönheit ausmacht:
Land, Wasser, Luft.
Natürlich kühlt nicht jeden solch ein Pavillon.
Doch künden Gartenlauben rings um den Planeten
davon, daß Menschen sich das Glück was kosten lassen:
Geld, Liebe, Zeit.
Natürlich hat nicht jeder eine Gartenlaube.
Doch bietet vielen der Planet etwas. Im Fenster
genießen sie an warmen Abenden den Dreiklang:
Lärm, Abgas, Stein.
Natürlich scheints dem Menschen, so sich zu bescheiden,
daß er nicht mehr verlangt, als ihm das Leben zuteilt.
Wie anders sollte der Planet sie alle fassen:
Reich, nicht reich, arm dran?
Verfluchung dreifach
Ein dreifach Fluch der Makellosigkeit:
Fluch erstens, weil sie einfach ohne Makel.
Fluch zweitens, weil sie zwiefach den verwirrt,
der Makel bisher teils nicht sah, teils
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