Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
Grieche.
War das der Grieche? War es nicht
vielmehr der Bayer?
»Mensch, Schnaps ist Schnaps, und Dom ist Dom«,
sagt man in Speyer.
War das in Speyer? War es nicht
vielmehr in Chartres?
»Macht zu! Was quält ihr euch?« sprach Petrus
auf der Marter.
War das der Petrus? War es nicht
vielmehr – ich finde
grad keinen Schluß – »Macht nichts, ich find ihn«,
sagt die Linde.
Zum Tier
9. Juni
Mein Gott, bist du mir fremd. Du Tier
bist unverbindlich, kommst, und ich
begreif nicht, was dich kommen hieß,
frag mich, wann du wohl gehst.
Du lebst dein Leben, ich leb meins.
Zu Zeiten gibt es Brot und Wein
für mich. Und Dosenfleisch für dich
und Schweigen und Gefühle.
Du schweigst. Ich fühl. Und manchmal hoff
ich schweigend auf Gefühle, die
du mir entgegenbringst fürs Fleisch,
das ich dir täglich reiche.
Mein Gott, ja! Es ist Dosenfleisch!
Herrgott ja! Es gibt Besseres!
Gibt Putenbrust und Hühnerklein,
gibt Leber, Milz und Herz.
Tier! Sind wir jetzt auf dem Niveau?
Ich schrei dich an. Du schweigst dich aus,
bleibst fremd und stumm und undankbar,
erhebst dich, gähnst und gehst.
Woher du kamst? Ich weiß es nicht.
Wohin du gehst? Gott weiß wohin.
Ich sag mir: Mensch, das weiß, wo's langgeht.
Tier, ich bedanke mich bei dir!
Gesegnete Mahlzeit
16. Juni
Das Reißen
der heißen
Pinienzapfen im Ohr
Das Schwanken
der ranken
Olivenbäume vor Augen
Das Zittern
der bittern
Kapernfrüchte auf der Zunge
Das Walten
des alten
Chiantiweins im Hirn
Das Nagen
des zagen
Abschiedsschmerzes im Herzen:
Ein Narr, wer in der Volksküchen ißt!
Was wäre, wenn
20. Juni
Fehlte der Wiedehopf,
fehlte noch mehr:
Fehlte ein steter Ruf
fehlte ein rascher Flug
fehlte ein lichtes Braun
fehlte schwarz-weißes Flirrn
fehlte dieses
ganz einzigartig
mitreißend Fremde
fehlte dies Anderssein
fehlte dies Ich bin ich
fehlte dies Sei wie ich
fehlte dies Ihr könnt mich
fehlte dies Du bleibst du
fehlte dies Upupu
fehlte sein heller Kopf
fehlte sein greller Schopf:
Fehlte der Wiedehopf.
Weiss auf weiss
Wenn sich regennaß die Dolde
der Akazie, blütenweiß,
derart senkt, daß des Holunders
blütenweißer Teller sich
derart der Gesenkten annimmt,
daß vor lauter Blütenweiß
niemand weiß: Was hängt, was stützt da?
Ist nur eins klar: Dies Vermischen
weißer Blüten ist das reine
Gegenteil von allem Sagen,
allem Deuten, allem Schreiben,
denn es zeigt nur. Und man kann da
nichts getrost nach Hause tragen,
weiß auf weiß.
Eine schöne Vorstellung
Gesetzt, die Sonne stünde hoch,
so hoch, daß Pinienschatten schützt.
Gesetzt, es zög von Stamm zu Stamm
sich eine Schnur, nicht ungenützt.
Gesetzt, dran hing ein Tuch, nein zwei,
bewegt von traumhaft warmem Hauch.
Gesetzt, die Tücher klafften auf;
dann sähst du, was ich sähe auch:
Der Feige Blattwerk, schön durchleuchtet,
Goldgrün von Zweigen schwarz gefaßt,
umrahmt vom Gleißen des Olivgrüns,
das sich im Tal verliert, wo klar
der See mit Spiegelgrün auftrumpft
von Tanne, Weide, Wein, Zypressen,
dahinter, schattig terrassiert,
Gelände ansteigt, bis zum Kamm
mit Wald besetzt, gesäumt von Kiefern.
Und dazu käm noch:
Ich röche, rieche Pinienduft,
Ich sähe, sehe Wirklichkeit,
Ich hörte, höre Weihenschrei,
Ich fühlte, fühle Hiesigkeit,
Ich spürte, spüre Fächelwind,
Ich dächte, denke Endlichkeit.
Und auch das wär noch nicht alles:
Ach, all das übersteigt ein Blau,
so unerhört dem Hügelkamm
klar hinterlegt, dem Wolkenglanz
und auch den Tüchern, die, gesetzt,
sie schlössen sich, doch, so entgrenzt,
erahnen ließen, welche Pracht
der sähe, der sie teilte.
Lob des Alleinseins
Süße des Alleinseins. Niemand
Da, der dir versalzen könnte
Deine Freude beim Beschauen
Beim Bedenken, beim Beschweigen
Schaut und denkt und schweigt am besten
Wer sich sicher weiß: Hier, nimmt mir
Niemand des Alleinseins Süße.
Über die Unmöglichkeit
von der Stille zu reden
»Wie still es hier ist! Keine andren Geräusche
als Murmeln des Baches und Summen der Bienen
und Singen der Vögel!«
»Und eine Stimme, die redet von Stille,
vom Murmeln des Baches, vom Summen der Bienen,
vom Singen der Vögel. Und übertönt sie.«
30. Juni 1997 , zwölf Uhr mittags
Daß ich des nicht vergess' -
doch wie's behalten?
Da lag der Hund im Gras
Ich saß daneben
Gefleckt der Hund, der Herr
Vom breiten Schatten
Des Aprikosenbaums, aus dem ich eben
Noch Frucht um Frucht
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