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Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gernhardt
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Grieche.
    War das der Grieche? War es nicht
    vielmehr der Bayer?
    »Mensch, Schnaps ist Schnaps, und Dom ist Dom«,
    sagt man in Speyer.
    War das in Speyer? War es nicht
    vielmehr in Chartres?
    »Macht zu! Was quält ihr euch?« sprach Petrus
    auf der Marter.
    War das der Petrus? War es nicht
    vielmehr – ich finde
    grad keinen Schluß – »Macht nichts, ich find ihn«,
    sagt die Linde.
    Zum Tier
9. Juni
    Mein Gott, bist du mir fremd. Du Tier
    bist unverbindlich, kommst, und ich
    begreif nicht, was dich kommen hieß,
    frag mich, wann du wohl gehst.
    Du lebst dein Leben, ich leb meins.
    Zu Zeiten gibt es Brot und Wein
    für mich. Und Dosenfleisch für dich
    und Schweigen und Gefühle.
    Du schweigst. Ich fühl. Und manchmal hoff
    ich schweigend auf Gefühle, die
    du mir entgegenbringst fürs Fleisch,
    das ich dir täglich reiche.
    Mein Gott, ja! Es ist Dosenfleisch!
    Herrgott ja! Es gibt Besseres!
    Gibt Putenbrust und Hühnerklein,
    gibt Leber, Milz und Herz.
    Tier! Sind wir jetzt auf dem Niveau?
    Ich schrei dich an. Du schweigst dich aus,
    bleibst fremd und stumm und undankbar,
    erhebst dich, gähnst und gehst.
    Woher du kamst? Ich weiß es nicht.
    Wohin du gehst? Gott weiß wohin.
    Ich sag mir: Mensch, das weiß, wo's langgeht.
    Tier, ich bedanke mich bei dir!
    Gesegnete Mahlzeit
16. Juni
    Das Reißen
    der heißen
    Pinienzapfen im Ohr
    Das Schwanken
    der ranken
    Olivenbäume vor Augen
    Das Zittern
    der bittern
    Kapernfrüchte auf der Zunge
    Das Walten
    des alten
    Chiantiweins im Hirn
    Das Nagen
    des zagen
    Abschiedsschmerzes im Herzen:
    Ein Narr, wer in der Volksküchen ißt!
    Was wäre, wenn
20. Juni
    Fehlte der Wiedehopf,
    fehlte noch mehr:
    Fehlte ein steter Ruf
    fehlte ein rascher Flug
    fehlte ein lichtes Braun
    fehlte schwarz-weißes Flirrn
    fehlte dieses
    ganz einzigartig
    mitreißend Fremde
    fehlte dies Anderssein
    fehlte dies Ich bin ich
    fehlte dies Sei wie ich
    fehlte dies Ihr könnt mich
    fehlte dies Du bleibst du
    fehlte dies Upupu
    fehlte sein heller Kopf
    fehlte sein greller Schopf:
    Fehlte der Wiedehopf.
    Weiss auf weiss
    Wenn sich regennaß die Dolde
    der Akazie, blütenweiß,
    derart senkt, daß des Holunders
    blütenweißer Teller sich
    derart der Gesenkten annimmt,
    daß vor lauter Blütenweiß
    niemand weiß: Was hängt, was stützt da?
    Ist nur eins klar: Dies Vermischen
    weißer Blüten ist das reine
    Gegenteil von allem Sagen,
    allem Deuten, allem Schreiben,
    denn es zeigt nur. Und man kann da
    nichts getrost nach Hause tragen,
    weiß auf weiß.
    Eine schöne Vorstellung
    Gesetzt, die Sonne stünde hoch,
    so hoch, daß Pinienschatten schützt.
    Gesetzt, es zög von Stamm zu Stamm
    sich eine Schnur, nicht ungenützt.
    Gesetzt, dran hing ein Tuch, nein zwei,
    bewegt von traumhaft warmem Hauch.
    Gesetzt, die Tücher klafften auf;
    dann sähst du, was ich sähe auch:
    Der Feige Blattwerk, schön durchleuchtet,
    Goldgrün von Zweigen schwarz gefaßt,
    umrahmt vom Gleißen des Olivgrüns,
    das sich im Tal verliert, wo klar
    der See mit Spiegelgrün auftrumpft
    von Tanne, Weide, Wein, Zypressen,
    dahinter, schattig terrassiert,
    Gelände ansteigt, bis zum Kamm
    mit Wald besetzt, gesäumt von Kiefern.
    Und dazu käm noch:
    Ich röche, rieche Pinienduft,
    Ich sähe, sehe Wirklichkeit,
    Ich hörte, höre Weihenschrei,
    Ich fühlte, fühle Hiesigkeit,
    Ich spürte, spüre Fächelwind,
    Ich dächte, denke Endlichkeit.
    Und auch das wär noch nicht alles:
    Ach, all das übersteigt ein Blau,
    so unerhört dem Hügelkamm
    klar hinterlegt, dem Wolkenglanz
    und auch den Tüchern, die, gesetzt,
    sie schlössen sich, doch, so entgrenzt,
    erahnen ließen, welche Pracht
    der sähe, der sie teilte.
    Lob des Alleinseins
    Süße des Alleinseins. Niemand
    Da, der dir versalzen könnte
    Deine Freude beim Beschauen
    Beim Bedenken, beim Beschweigen
    Schaut und denkt und schweigt am besten
    Wer sich sicher weiß: Hier, nimmt mir
    Niemand des Alleinseins Süße.
    Über die Unmöglichkeit
von der Stille zu reden
    »Wie still es hier ist! Keine andren Geräusche
    als Murmeln des Baches und Summen der Bienen
    und Singen der Vögel!«
    »Und eine Stimme, die redet von Stille,
    vom Murmeln des Baches, vom Summen der Bienen,
    vom Singen der Vögel. Und übertönt sie.«
    30. Juni 1997 , zwölf Uhr mittags
    Daß ich des nicht vergess' -
    doch wie's behalten?
    Da lag der Hund im Gras
    Ich saß daneben
    Gefleckt der Hund, der Herr
    Vom breiten Schatten
    Des Aprikosenbaums, aus dem ich eben
    Noch Frucht um Frucht

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