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Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gernhardt
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geholt
    Vollreif und handwarm.
    Da kam der Wind vom Berg
    Und brachte Kühlung
    Gekräuselt tief im Tal
    Der kleine Stausee
    Kaum sichtbar, so versteckt in den Oliven
    Hielt er doch aller Welt
    Ihr Blau vor.
    Da krault die Hand den Hund
    Worauf der seufzend
    Dem selbstvergeßnen Herrn
    Die Kehle darbot:
    Dies eine Seufzen lang war in der Schwebe
    Die Waage dieses Tages
    Wenn nicht Jahres.
    Da! Es ist weg, das Licht
    Mit ihm der Schatten
    Durchs Grau ein Donner rollt
    Jäh springt der Hund auf
    Vom Herren angeschrien: Wirf nicht den Korb um
    So panisch geht es heim
    Winselnd und fluchend.
    Der Weltenwind
    Der Weltenwind weht durch die Welt,
    nichts, das ihn treibt, nichts, das ihn hält,
    den Weltenwind.
    Die ganze Welt ist sein Revier,
    es lauschen Pflanze, Mensch und Tier
    dem Weltenwind.
    Der Weltenwind bleibt niemals stehn,
    die ganze Welt erfrischt im Wehn
    des Weltenwinds.
    Der Weltenwind weht durch die Welt,
    viel, das er treibt, nichts, das er hält,
    der Weltenwind.
    Windig und findig
    Nein, der machte keinen Wind
    um das Fächeln. »Liebes Kind«,
    sprach er, »wenn der Wind mich fächelt,
    wird das nicht groß durchgehechelt.
    Schau, ich seh im Fächeln nur
    jenes Lächeln der Natur,
    das dem Menschenkind besagt:
    Schön, wenn's dir bei mir behagt!«
    Abendgedicht
    Der Schatten macht den Hügel halb.
    Der Hund steht gegens Licht.
    Die Katze durch den Schatten springt.
    Die Frau sieht man gar nicht.
    Die Frau macht irgendwo ihr Ding.
    Die Katz ihrs. Seins der Hund.
    Und Licht und Schatten sowieso.
    Schön geht der Tag zugrund.
    Guiseppes Botschaft
    Giuseppe ist dreiundachtzig. Dem Doktor
    gefalln seine Venen nicht. Er hat ihm
    Bewegung verordnet, drei bis vier Stunden,
    und das täglich.
    Von Grimoli, seinem Dorf, steigt hinunter
    Giuseppe bis zum Bild der Madonna.
    Pünktlich um drei erreicht er das Wegmal
    und geht los.
    Geht seinen Weg. Doch vor seinem Ölberg
    verharrt er. Die Steigung ist nicht zu schaffen.
    Giuseppe glättet den Sand am Wegrand
    und setzt an.
    Er zieht mit dem Stock einen Strich: Giuseppe
    markiert seinen ersten Gang. Dann kehrt er
    zurück zu dem Bild der Madonna, verharrt kurz
    und geht wieder los.
    Geht bis zum Ölberg. Hält ein an dem Sandplatz.
    Zieht einen zweiten Strich. Giuseppe
    geht seinen Weg, zieht seinen Strich
    und so weiter.
    Mein Abendgang führt an Madonna und Sandplatz
    vorbei. An jedem Abend les ich
    im späten Licht die Botschaft Giuseppes:
    Acht Striche.
    Giuseppe ist derweil schon im Dorfe.
    Hat nach den Hühnern geschaut, muß ausruhn.
    Morgen geht er erneut um sein Leben
    und gegen den Tod.
    Heilloser Hügel
    Ich auf meinem Hügel,
    nackt und verletzlich.
    Alles Lärmen betrifft mich,
    jeder Lichtschein verletzt mich.
    Jedwede Störung
    verstärkt und vernetzt sich,
    meint mich und trifft mich,
    jagt mich und hetzt mich.
    Halte sonst stand.
    Nur hier nicht und jetzt nicht.
    Nicht auf meinem Hügel,
    nicht nackt und verletzlich.
    Magische Matte
    Ich auf meiner magischen Matte
    Ich unbezwinglich, ich unverletzbar
    Ich unersetzbar, ich übersinnlich
    Ob nun der Himmel verschatte, erleuchte,
    Nichts, was mich scheuchte, nichts, was mich hielte
    Nichts, was mich lockte, nichts, was mir fehlte
    Nichts, was noch zählte, nichts, was noch zielte
    Auf meine magische Matte und mich.
    Die und ich
    Wahre Schätze kann man in Weinbergen bergen.
    Vorausgesetzt, daß sich Menschen sorgen:
    Heute um ihre Weinstöcke und
    um meinen Wein morgen.
    Seh ich der Weinstöcke Reih und Glied,
    muß ich den Menschen in Gedanken danken:
    Was da heute Haltung bewahrt, das läßt
    mich morgen schon schwanken.
    Altes Haus
    So ein altes Haus scheint ein Teil der Natur:
    Ich besitz und besetz es
    und bin doch nur
    ein Glied in der Kette
    von vielen Benutzern,
    Besitzern, Bewahrern,
    Bewohnern, Verschmutzern,
    die alle verwohnten,
    verstarben, vergingen,
    nicht zu bedenken,
    nie zu besingen,
    alle nur Gäste,
    alles nur Drohnen,
    gewohnt zu beerben
    geschickt im Bewohnen -
    aber:
    Vor uns, den Erben,
    erbauten Erbauer
    Mauern aus Feldstein
    in Maßen von Dauer,
    nicht immer lotrecht,
    doch immer gerichtet,
    nicht immer nach Vorschrift,
    doch stets so gewichtet,
    daß die Mauern nach all den
    Jahrzehnten noch ragen,
    die Wände noch schützen,
    die Balken noch tragen–:
    Erfahrne Erbauer!
    Euch sollte ich kennen,
    bedenken, besingen,
    berühmen, benennen,
    und weiß nichts von euch.
    Ich weiß nur: Dies Haus
    ging einst mit euch an
    und geht nicht mit mir aus.
    Er blickt auf Cavriglia
    Diese

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