Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
geholt
Vollreif und handwarm.
Da kam der Wind vom Berg
Und brachte Kühlung
Gekräuselt tief im Tal
Der kleine Stausee
Kaum sichtbar, so versteckt in den Oliven
Hielt er doch aller Welt
Ihr Blau vor.
Da krault die Hand den Hund
Worauf der seufzend
Dem selbstvergeßnen Herrn
Die Kehle darbot:
Dies eine Seufzen lang war in der Schwebe
Die Waage dieses Tages
Wenn nicht Jahres.
Da! Es ist weg, das Licht
Mit ihm der Schatten
Durchs Grau ein Donner rollt
Jäh springt der Hund auf
Vom Herren angeschrien: Wirf nicht den Korb um
So panisch geht es heim
Winselnd und fluchend.
Der Weltenwind
Der Weltenwind weht durch die Welt,
nichts, das ihn treibt, nichts, das ihn hält,
den Weltenwind.
Die ganze Welt ist sein Revier,
es lauschen Pflanze, Mensch und Tier
dem Weltenwind.
Der Weltenwind bleibt niemals stehn,
die ganze Welt erfrischt im Wehn
des Weltenwinds.
Der Weltenwind weht durch die Welt,
viel, das er treibt, nichts, das er hält,
der Weltenwind.
Windig und findig
Nein, der machte keinen Wind
um das Fächeln. »Liebes Kind«,
sprach er, »wenn der Wind mich fächelt,
wird das nicht groß durchgehechelt.
Schau, ich seh im Fächeln nur
jenes Lächeln der Natur,
das dem Menschenkind besagt:
Schön, wenn's dir bei mir behagt!«
Abendgedicht
Der Schatten macht den Hügel halb.
Der Hund steht gegens Licht.
Die Katze durch den Schatten springt.
Die Frau sieht man gar nicht.
Die Frau macht irgendwo ihr Ding.
Die Katz ihrs. Seins der Hund.
Und Licht und Schatten sowieso.
Schön geht der Tag zugrund.
Guiseppes Botschaft
Giuseppe ist dreiundachtzig. Dem Doktor
gefalln seine Venen nicht. Er hat ihm
Bewegung verordnet, drei bis vier Stunden,
und das täglich.
Von Grimoli, seinem Dorf, steigt hinunter
Giuseppe bis zum Bild der Madonna.
Pünktlich um drei erreicht er das Wegmal
und geht los.
Geht seinen Weg. Doch vor seinem Ölberg
verharrt er. Die Steigung ist nicht zu schaffen.
Giuseppe glättet den Sand am Wegrand
und setzt an.
Er zieht mit dem Stock einen Strich: Giuseppe
markiert seinen ersten Gang. Dann kehrt er
zurück zu dem Bild der Madonna, verharrt kurz
und geht wieder los.
Geht bis zum Ölberg. Hält ein an dem Sandplatz.
Zieht einen zweiten Strich. Giuseppe
geht seinen Weg, zieht seinen Strich
und so weiter.
Mein Abendgang führt an Madonna und Sandplatz
vorbei. An jedem Abend les ich
im späten Licht die Botschaft Giuseppes:
Acht Striche.
Giuseppe ist derweil schon im Dorfe.
Hat nach den Hühnern geschaut, muß ausruhn.
Morgen geht er erneut um sein Leben
und gegen den Tod.
Heilloser Hügel
Ich auf meinem Hügel,
nackt und verletzlich.
Alles Lärmen betrifft mich,
jeder Lichtschein verletzt mich.
Jedwede Störung
verstärkt und vernetzt sich,
meint mich und trifft mich,
jagt mich und hetzt mich.
Halte sonst stand.
Nur hier nicht und jetzt nicht.
Nicht auf meinem Hügel,
nicht nackt und verletzlich.
Magische Matte
Ich auf meiner magischen Matte
Ich unbezwinglich, ich unverletzbar
Ich unersetzbar, ich übersinnlich
Ob nun der Himmel verschatte, erleuchte,
Nichts, was mich scheuchte, nichts, was mich hielte
Nichts, was mich lockte, nichts, was mir fehlte
Nichts, was noch zählte, nichts, was noch zielte
Auf meine magische Matte und mich.
Die und ich
Wahre Schätze kann man in Weinbergen bergen.
Vorausgesetzt, daß sich Menschen sorgen:
Heute um ihre Weinstöcke und
um meinen Wein morgen.
Seh ich der Weinstöcke Reih und Glied,
muß ich den Menschen in Gedanken danken:
Was da heute Haltung bewahrt, das läßt
mich morgen schon schwanken.
Altes Haus
So ein altes Haus scheint ein Teil der Natur:
Ich besitz und besetz es
und bin doch nur
ein Glied in der Kette
von vielen Benutzern,
Besitzern, Bewahrern,
Bewohnern, Verschmutzern,
die alle verwohnten,
verstarben, vergingen,
nicht zu bedenken,
nie zu besingen,
alle nur Gäste,
alles nur Drohnen,
gewohnt zu beerben
geschickt im Bewohnen -
aber:
Vor uns, den Erben,
erbauten Erbauer
Mauern aus Feldstein
in Maßen von Dauer,
nicht immer lotrecht,
doch immer gerichtet,
nicht immer nach Vorschrift,
doch stets so gewichtet,
daß die Mauern nach all den
Jahrzehnten noch ragen,
die Wände noch schützen,
die Balken noch tragen–:
Erfahrne Erbauer!
Euch sollte ich kennen,
bedenken, besingen,
berühmen, benennen,
und weiß nichts von euch.
Ich weiß nur: Dies Haus
ging einst mit euch an
und geht nicht mit mir aus.
Er blickt auf Cavriglia
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