Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
sagen?
Nein? Na, ich wollte nor mal fragen!
lesbisch
Und als die ersten Hörer grollten
und schon den Saal verlassen wollten,
da sprach der Dichter ungerührt:
»Ich les bisch euch der Arsch abfriert.«
Ökumenischer Dialog
»Trinken ist ein Laster -
ist das klar, Herr Paster?«
»Alles klar, Herr Kaddinal -
dassselbe bidde nocheimmal!«
Wer bin ich
Ich weiß nicht, wie ich wirklich heiß',
ich kenn' nur meinen Namen.
Und diesen trug bereits ein Greis,
einer meiner Ahnen.
Ein Mann, der Abel hieß, nein Kain,
nein Noah, nein Hans-Peter,
nein Leberecht, nein Franz, nein Hein,
nein Werner, doch da steht er
ja zufällig am Wegesrand -
Tag, Ahn, wie schön, daß ich dich fand!
Wie heißt du denn, mein Guter?
»Klaus-Duter«.
Ach ja? Dann heiß ich auch so.
Am Telefon
Du, ich hab den Bus verpaßt
Du, ich komme später
Du, wenn Du mich gerne hast -
gib mir mal den Peter!
Peter, Du, der Bus fuhr ab
Du, ich steh am Hafen
Du, ich muß das mit dem Grab
nochmal überschlafen -
Doch! Na klar begrab ich Dich!
Aber heute geht's nicht.
Peter! Du! Verstehe mich!
Scheiße! Er versteht's nicht!
Was die Sprache verrät
Vier Silben – hämmernd, unmenschlich, kalt:
Großstadtasphalt
Drei schwebende, lebende Silben nur:
Waldesflur
Zwei Silben – forschend, bedeutungsvoll, froh:
Hallo
Einsilbig, hochfahrend, jählings und knapp:
Schrapp
Paarreime in absteiender Linie
Von den Gästen
Was einer ist, was einer war,
beim Scheiden wird es offenbar.
Ruft er »Auf Nimmerwiedersehn«,
dann laß ihn frohen Herzens gehn.
Sagt er: »Lebt wohl, so leid mir's tut«,
dann sei mal lieber auf der Hut.
Tut er nur »Tschau, bis dann dann« brommen,
dann will das Arschloch wiederkommen.
Von der Ruhe
Du bist so fahrig und wärst gerne
ganz ruhig, guter Freund? Dann lerne:
Den Bereich der Dunkelheiten
immer heiter zu durchschreiten,
Das Erinnern, das Vergessen
stets zufrieden zu durchmessen,
Dich, sowie das Ich des Andern
muntern Sinnes zu durchwandern–:
Und du strahlst ne Ruhe aus,
die zieht dir die Schuhe aus.
Vom Leben
Dein Leben ist dir nur geliehn -
du sollst nicht daraus Vorteil ziehn.
Du sollst es ganz dem Andren weihn -
und der kannst nicht du selber sein.
Der Andre, das bin ich, mein Lieber -
nu komm schon mit den Kohlen rüber.
Noch ein Rätsel
»Ich hab was für dich,
rate mal was:
Mit ›G‹ fängt es an,
und es endet mit ›las‹,
und man kann daraus trinken -«
»Eine Gurke?«
II Vorbild und Nachbild
Fragen eines lesenden
Bankdirektors
Der große Julius Cäsar eroberte Gallien -
was der alles um die Ohren hatte!
Lukullus bezwang die Thraker -
und dann hat er ja auch noch hervorragend gekocht!
Bischof Beutel baute den Kölner Dom -
das muß ein unheimlich dynamischer Geistlicher gewesen sein!
Jedes Jahr ein Sieg -
wo ist eigentlich mein Terminkalender?
Alle zehn Jahre ein großer Mann -
wo mein Terminkalender ist?!
So viele Fragen -
Ach da ist er ja! Wenn man nicht alles selber macht!
Nimm und lies
Die drei Berufungen des Kirchenvaters Augustin
Und sieh, da höre ich vom Nachbarhause her in singendem Tonfall, ich weiß nicht, ob eines Knaben oder eines Mädchens Stimme, die immer wieder sagt: »Nimm und lies, nimm und lies!«AUGUSTIN, BEKENNTNISSE
1. Berufung
In seinem Garten Augustin
malt grad Figuren in den Kies,
sehr pralle Weiber, nackt und schlimm -
da spricht ein feines Stimmchen: »Nimm
und lies.«
Verwirrt schaut um sich Augustin,
sieht dann in Höhe seines Knies
ein Buch auf runden Tisch gestellt,
und jenes feine Stimmchen bellt:
»Ja, dies.«
Zum Buch greift zögernd Augustin,
er öffnet's, und ihm ins Gesicht
springt eine Zeile fett und breit,
ein Satz, der ihm entgegenschreit:
»Lies nicht!«
In seinem Garten Augustin
blickt fragend aufwärts, denn er weiß
nun gar nicht, wessen Wort hier gilt -
und jenes feine Stimmchen brüllt:
»So 'n Scheiß!«
2. Berufung
Am Tag darauf
ertönt es: Nimm!
Verzeiht, sagt Augustin,
ich schwimm.
Nimm, sagt die Stimme barsch,
und lies!
Pardon, fragt Augustin,
Wie dies?
Soweit ich seh,
sind um mich her
nur Wasser,
respektive Meer.
Die Stimme schwieg,
da Augustin
tatsächlich
rechtzuhaben schien:
Da war kein Land,
da war kein Buch;
Gott unterdrückte
einen Fluch.
3. Berufung
Das war des Jünglings letzte Chance,
beim dritten Mal ging Gott aufs Ganze.
Er sprach zu Augustinus: »Hier!
Jetzt nimm und lies mal dies Papier.«
Darauf stand groß in schwarzen
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