Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
sein!
VATER:
Das ist ein Ton, der mir mißfällt!
SOHN:
Ich pfeife trotzdem auf dein Geld!
VATER:
Mein Sohn, du als mein Fleisch und Blut…
SOHN:
Steck dir dein Geld doch an den Hut!
Der Vater schaut seinen Sohn sehr traurig an und beginnt dann damit, sich das Geld an den Hut zu stecken. Das dauert etwas, da sehr viel Geld vor ihm auf dem Tisch liegt. Schließlich ist er damit fertig.
VATER:
Wenn du mein Geld nicht willst, was dann?
SOHN:
Das kann ich dir verraten, Mann!
VATER:
Was willst du? Sag's mir! Sei so gut!
SOHN:
Deinen Hut.
Er nimmt seinem Vater rasch den Hut vom Kopf, setzt ihn sich auf und verläßt pfeifend den Raum. Verblüfft schaut der Vater ihm nach. Es wird ziemlich finster.
Auf der Fahrt von
Ringel nach Natz notiert
Wie kann eine Stadt nur Zwieback heißen!
Sie heißt auch nicht so.
Heißt Peine.
In die kannst du jahrelang hineinbeißen
und bleibst doch alleine.
Ich muß es wissen.
An Peine
habe ich mir alle meine
Zähne ausgebissen.
Da sind die Straßen so grad,
daß es einen graust.
Und die Häuser wirken so steinern und fad
und unbehaust.
Denn wer ist schon gern Peiner?
Keiner.
Dort lebte ich sieben Jahre lang,
dann ging ich
nach Paris, da fing ich
ein neues Leben an.
Paris, das ist eine große Stadt. Sie liegt an der Seine.
Langsam wachsen sie mir wieder,
die Zähne.
Vater und Sohn I
»Wie heißt du denn, mein blauäugiges Kind?
Wie heißt du denn, mein Liebling so jung?«
»Ich heiße, glaub' ich, Havemeyer.
Ja, ich heiße Havemeyer, glaub' ich.«
»Und heißest du Glaubich Havemeyer,
dann bist du mein Sohn, mein Liebling so jung.
Denn auch ich heiße, freu dich, Havemeyer.
Ja, ich heiße Havemeyer, freu dich.«
»Und heißest du Freudich Havemeyer,
so bist du nicht mein Vater, du Sack.
Mein Vater hieß nämlich Friedrich, nicht Freudich,
und ich bin sein Sohn Kurt.«
Vater und Sohn II
»Was möchtest du sein, wenn du groß bist?
Was möchtest du sein, wenn du groß bist, mein Sohn?«
»Dann möchte ich gern ein Professor sein.
Ein Professor möchte ich sein, Vater.«
»Du wirst aber nie ein Professor sein,
ein Professor wirst du nie, mein Sohn.
Weil du dazu zu dumm bist, verstehst du,
dir fehlt es ganz einfach da oben.«
»Und werde ich nie ein Professor sein,
so werde ich doch General, mein Vater.
Nur sag mir, wo oben fehlt was mir, mein Vater,
und wer ist zu dazu du dumm?«
Materialien zu einer Kritik
der bekanntesten Gedichtform
italinischen Ursprungs
Sonette find ich sowas von beschissen,
so eng, rigide, irgendwie nicht gut;
es macht mich ehrlich richtig krank zu wissen,
daß wer Sonette schreibt. Daß wer den Mut
hat, heute noch so 'n dumpfen Scheiß zu bauen;
allein der Fakt, daß so ein Typ das tut,
kann mir in echt den ganzen Tag versauen.
Ich hab da eine Sperre. Und die Wut
darüber, daß so 'n abgefuckter Kacker
mich mittels seiner Wichserein blockiert,
schafft in mir Aggressionen auf den Macker.
Ich tick nicht, was das Arschloch motiviert.
Ich tick es echt nicht. Und will's echt nicht wissen:
Ich find Sonette unheimlich beschissen.
Psalm
Bei dem Tanz ums goldene Kalb
gab es unschöne Szenen.
Ich möchte hier nur dreieinhalb
der unschönsten erwähnen:
David beispielsweise trat
Aaron auf die Zehen,
was er mit dem Satz abtat,
es sei gern geschehen.
Oder Saul, der plötzlich schrie,
er sei Gottes Enkel,
denn er trage seine Knie
unterhalb der Schenkel.
Oder Habakuk, der Hirt,
der beim Tanz so patzte,
daß sein Leitbock sich verwirrt
an den Leisten kratzte.
Oder Moses, der das Kalb,
statt es zu erschießen -
doch das sind schon dreieinhalb
Szenen. Ich muß schließen.
Sela.
Deutingen eines
allegorischen Gemäldes
Fünf Männer seh ich
inhaltsschwer -
wer sind die fünf?
Wofür steht wer?
Des ersten Wams strahlt
blutigrot -
das ist der Tod
das ist der Tod
Der zweite hält die
Geißel fest -
das ist die Pest
das ist die Pest
Der dritte sitzt in
grauem Kleid -
das ist das Leid
das ist das Leid
Des vierten Schild trieft
giftignaß -
das ist der Haß
das ist der Haß
Der fünfte bringt stumm
Wein herein -
das wird der
Weinreinbringer sein.
Die Nacht, dsa Glück, der Tod
Verlassen stieg
Verlassen stieg die Nacht an Land,
der Tag war ihr davongerannt.
Durchs Dunkel tönte ihr Geschrei,
wo denn der liebe Tag wohl sei.
Indessen saß der Tag bei mir,
bei weißem Brot und hellem Bier
hat er die Suchende verlacht:
Die säh doch nichts, es sei ja Nacht.
Und
Weitere Kostenlose Bücher