Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
Friedhof. Ich hatte dort in einem Tonstudio zu tun, um eine Aufnahme meines ›Rock 'n' roll-Königs‹ zu überprüfen, und als ich das Studio verließ …«
Wir vergleichen und verwundern uns: Mag ja sein, daß das Leben die besten Geschichten schreibt, doch was soll man davon halten, daß es seine halbwegs gelungenen Pointen derart schamlos wiederholt?!«
Es blieb Volker Kriegel erspart, ein Hospiz von innen kennenzulernen. Als er Tochter und Enkelin in Spanien besuchte, starb er, nicht »nach langer schwerer Krankheit«, sondern »plötzlich und unerwartet«; beerdigt wurde er im sommerlich heißen Wiesbaden.
Soviel zum K wie Krankheit; das K wie Krieg soll uns nur kurz beschäftigen.
Die Sonette zum Irak-Krieg, der K-Gedichte zweiter Teil, verdanken sich einem Auftrag: Für die von Denis Scheck moderierte und von der ARD ausgestrahlte Literatursendung Druckfrisch sollte ich allmonatlich ein Gedicht zu einem möglichst aktuellen Anlaß verfassen und vortragen.
Bereits während der langen Planungsphase hatte ich das Sonett als durchgehende Gedichtform vorgeschlagen, und nach zwei Probeläufen war es Anfang des Jahres 2003 so weit: Zeitgleich mit den amerikanischen Flugzeugträgern startete die neue Sendung.
Obgleich sie zu sehr später Stunde und vor dementsprechend kleinem, belastbarem Publikum lief, war das Sonett-Vorhaben dem Vernehmen nach bereits nach der Vorlage des ersten Gedichts gefährdet: Eine veritable Programmdirektorenkonferenz habe sich über die vierzehn Zeilen gebeugt, schließlich aber die Freiheit der Kunst höher gestellt als die offenbar schwerwiegenden inhaltlichen Bedenken.
Zwei Monate später waren die Kriegsvorbereitungen in den allseits erwarteten, erhofften oder gefürchteten Krieg gemündet, ein Vorgang, der lange Zeit alle anderen Tagesereignisse in den Hintergrund treten ließ. Viermal trug ich im Rahmen erwähnter Sendung ein Sonett zum jeweiligen Stand der Vorkriegs- und Kriegsdinge vor, zudem entstanden drei weitere Sonette zum Thema. Hinterher ist man immer gescheiter – im Falle des Irak-Krieges jedoch glaube ich mir die Feder an den Hut stecken zu können, es bereits vorher gewesen zu sein: Das, was dichtet, ist manchmal klüger als das, was regiert.
Nach der – vermeintlichen – Beendigung des Krieges bedichtete ich andere Themen, doch irgendwie war die Luft raus aus dem anfangs so aufmerksam beäugten Projekt: Wir, Druckfrisch und ich, lebten uns auseinander, und in Momenten der Hoffart bin ich geneigt zu glauben, die ganze Sendung sei lediglich eine List der Musen gewesen, mir die Sonette zu entlocken, ein eigens für die Maus der Poesie ausgelegter Käse, der nach geschaffter mythischer Siebenzahl seiner historischen Bestimmung – zumindest sub specie aeternitatis – gerecht geworden sei.
Doch da auch sie sich zwanglos unter dem Buchstaben K ablegen lassen – K wie Kritik, K wie Kassensturz–, seien hier zwei weitere, nicht gesendete Sonette eingerückt.
Das erste stammt noch aus der Vorbereitungszeit von Druckfrisch . Es bezieht sich auf das umstrittene Buch von Martin Walser und antwortet auf die Frage, was noch schlimmer sei als Der Tod eines Kritikers:
Sonett von der
Geburt eines Kritikers
Die Hebamme; sie roch zuerst den Braten.
Sie spürte: Diesem Schelm ist nicht zu trauen:
Als er dann schlüpfte, packte sie das Grauen.
Versteinert auch der Vater und die Paten.
Er aber quicklebendig, dessen Pfoten
sogleich die mütterlichen Brüste wogen.
»Die linke hängt«, befand er ungezogen,
»Die rechte, weil zu leicht, gehört verboten.«
Da schrien alle auf: »Wir sind verloren!
Auf uns kommt Kummer zu, Verdruß und Leiden.
Denn heut ward uns ein Kritiker geboren.
Wir wollen ›Friede‹, er besteht auf ›Scheiden‹.
Wir wollen ›Freude‹, er beharrt auf ›Schneiden‹.
Wir wollen ›Eierkuchen‹, er will ›Rattattattattat‹!«
Wurde dieses Probesonett noch nicht ausgestrahlt, so gilt für mein letztes Sonett, daß es, aus welchen Gründen immer, nicht mehr gesendet wurde:
Sonett vom Kampf der
Generationen
»Was sind wir Menschen doch! Ein Wohnhaus grimmer Schmerzen« -
so krass sah das bereits Herr Gryphius im Barock.
Der alte Mensch von heut geht schmerzlicher am Stock,
weil niemand dafür sorgt, ihn zeitig auszumerzen.
Träg schleppt er sich dahin: Mit tiefverderbtem Herzen
läßt er sich durchkuriern. Er hat auf gar nichts Bock,
als immer nur kassiern. Ihm ist der eigne Rock,
und nur der, lieb und wert, als wie
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