Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
und Worte stöhne,
nie gehört. Dann geht die Post ab:
Aus dem Nebenzimmer stürzen
sieben Amis, breit wie Bären,
alle in den gleichen Jacken,
alle mit der gleichen Aufschrift,
alles Judo-Fighter. Alle
sind nur zu bereit zu fighten,
alle rauf. Wir andern warten.
Hören erst mal nichts, dann Flüche,
Klatschen, Winseln, Poltern. Dann ein
Schrei, so markerschütternd elend,
daß sich jedes Haar sträubt. Alle
schaun wir aus der Tür und sehen,
wie da wer im trüben Licht der
Toilette schreit. Im Halbkreis,
fast verlegen, steht die Meute,
deren Anführer zurückblafft.
Alles Amis, auch der Schreier,
offenkundig Opfer eines
derart übergroßen Schreckens,
daß er selber schreckt. Beklommen
treten wir zurück. Im Gastraum
herrscht erst Schweigen. Dann sagt einer
was von Drogen. Und ein andrer
was von Horror. Und ein dritter
will ein Helles. Und dann läuft der
Film zurück: Die Amibären
kommen wieder rein, verschwinden
nebenan. Ein Krankenwagen
holt wen ab, und als er heulend
losfährt, weiß ich unvermittelt,
wie das hieß, was selbst im trüben
Licht der Toilette unschwer
zu erkennen war, schwarz-rote
kleine Karos, großer Kragen:
Lumberjack ! Ja, noch ein Helles!
- Und weiter?
- Was weiter?
- Laß dich nicht bitten.
- Worum?
- Worum wohl?
Um Ansbach zum dritten.
75 war ich wieder in
Ansbach.
Nicht allein, ich führte nämlich durch
Ansbach.
Doch statt des gesuchten Mordsteins von
Ansbach
fand ich eine Säule, die war echt
goldig:
UZ
Dem Weisen
Dem Menschenfreunde
Seine Verehrer
1825
Uz – wer war denn das schon wieder?
Reimte der nicht treu und bieder,
ein Paradepferd der Richtung
sittlich reifer Schäferdichtung?
- Das tat er. Und der Stein für Hauser?
- Den fand ich am nächsten Tage.
- Wieso überhaupt wieder Ansbach?
- Das ist etwas, was ich mich ebenfalls frage:
Nach Ansbach fährt man nicht,
Ansbach widerfährt einem.
Der noch vor Stunden sagte
»Auf keinen Fall Ansbach«,
erinnert sich beim Aussteigen:
Da drüben bin ich damals abgestiegen.
Der nur drei Schritte gehen wollte,
gerät schrittweise ins Suchen:
Irgendwo steht doch dieser Hauser-Stein!
Der einst in Ansbach gelitten hat,
will es nun gut haben:
Laß uns hier übernachten!
- Frankenfahrt mit der Geliebten!
Ringsum Juni! Ging es da nicht
geradewegs durch alle Himmel
in den herrlichsten, den siebten?
Der geradeste Weg ist manchmal der Umweg.
Für schwache Stunden muß man sich stärken.
Doch war jener Herr an der Seite der Dame
nicht ganz bei der Sache:
Der die Schöne beim Hauptgericht beriet,
dachte schon an den Nachtisch.
Der mit der Lachenden die Nachspeise teilte,
freute sich bereits auf den Heimweg.
Der zum Gehen drängte
- Fieberte dem Bett entgegen?
Das war nicht so einfach
ins Bett zu gelangen.
Erst ging's übern Platz,
da stand dieses Pärchen.
Da floß rotes Blut,
das tropfte von seinem
Kopf auf ihr Kopftuch.
Sie hielt ihn, er stöhnte.
Da war was geschehen
- Ein Unfall?
- Ein Unheil.
Der Anfang vom Ende.
- Weshalb das?
- Ganz einfach.
Wir kamen nicht vorwärts:
Sie wollte hinsehn
Ich wollte wegsehn
Sie wollte warten
Ich wollte gehen
Sie wollte wissen
Ich wollte weiter
Sie wollte helfen
Ich wollte sie
- Und sie?
- Sie schalt mich herzlos.
- Und du?
- Ich schalt sie lieblos.
- Und die?
- Verschwanden spurlos.
- Und ihr?
- Wir wurden uns los:
Die zuvor ein Herz und eine Seele gewesen waren,
waren danach wie Hund und Katze.
Die gemeinsam zu Tisch gesessen hatten,
suchten getrennt das Bett auf.
Die es ersehnt hatten, sich ineinander zu verschränken,
lagen nebeneinander wie Stöcke.
Denen die Nacht zu kurz erschienen war,
konnten den Morgen kaum erwarten.
Die einander nie hatten aus den Augen lassen wollen,
verabredeten, heimgekehrt, kein Wiedersehen.
- Das war es?
- So ist es.
- Kein Nachwort?
- Ein Nachtrag:
Bin seit heute Mittag wieder in
Ansbach
Fror ein wenig, denn es schneite auf
Ansbach.
Plötzlich auf dem Rundgang durch
Ansbach
fühlte ich mich irgendwie
traurig:
Marktplatz, Altstadt, Parkanlagen,
Platen, Uz und Kaspar Hauser,
alles da und trotzdem alles
so verändert. Schrecklich bieder
all die Bürger. Kein Gehetzter
geistert durch der Einkaufszone
grellen Frohsinn. Keine Trauer
lähmt die Kreglen. Kein Geheimnis
stört die Trinität der Dumpfen:
Friede, Freude, Eierkuchen.
- Jetzt haben wir es dem Bürger aber gegeben!
- Er wird's überleben.
- So, wie wir es überlebt haben?
-
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