Gesammelte Wanderabenteuer

Restauration in Lehde hat einen eigenen Anlegeplatz, dort dürfen aber nur die großen Kähne zum Be- und Entladen ihrer Personenfracht halten. Wir mussten einmal um den Block fahren, gingen (in meinem Fall: krochen) an Land und zogen die Boote aus dem Wasser. Im Restaurant merkte ich, wie nass meine Hose vom Paddeln geworden war. Es empfiehlt sich, auf einer solchen Paddeltour immer eine Ersatzhose parat zu haben. Meine Kinder hatten eine, ich nicht. Als verantwortungsvoller Vater hatte ich an ihre Hosen gedacht, meine aber vergessen.
    |370| Nach der Mittagspause fuhren wir noch eine Schleife um Lehde herum und kamen zu einer Schleuse. Es war schon komisch, mit den kleinen Booten in die Schleuse einzufahren, aber die zu überwindenden Staustufen waren nicht höher als ein Meter. Als ich dem Schleusenwärter, der hier seinen Dienst unentgeltlich tat, einen Schleusenobulus gab, nickte er anerkennend: In ein solch kleines Boot würde er sich aus Angst vorm Kentern niemals setzen. Der Respekt des Schleusenwärters machte mir klar, was wir für eine Leistung vollbracht hatten. Deshalb hatten wir auch auf unserer Tour ausschließlich Zweier- und Dreierkajaks gesehen. Die anderen Leute hatten einfach Angst vor den kleinen Einerkajaks gehabt. Anders die furchtlosen Drei aus Köln. Wir waren bereit für höhere Aufgaben: Jugend trainiert für Olympia!
    Als wir auf dem Weg zurück nach Lübbenau wieder in Lehde ankamen, mussten wir noch eine Erschöpfungsnachmittagskuchenpause einlegen. Myriam und ich hatten vom ständigen Drehen des Paddels Blasen an den Händen, und so waren wir froh, als wir gegen 16 Uhr wieder am Bootsverleih Richter angekommen waren.
     
    Für eine Wanderung braucht man nicht immer ein Gebirge, kein Mittelgebirge und auch kein Minigebirge. Auch im Flachland ist es schön, wobei die Wanderung dort eher einen etwas meditativen Charakter hat. Oder man muss sich jede Menge zu erzählen haben. Und man muss nicht immer zu Fuß wandern, man kann auch mit dem Rad wandern oder mit dem Boot. Dieses Paddelwandern im Spreewald ist das Nonplusultra, ein Natur- und Fortbewegungserlebnis erster Klasse, das in dieser Form in Deutschland einmalig ist. Aber muss das so sein? Könnte man nicht viel mehr die Bäche und kleinen Flüsse in den deutschen Mittelgebirgen und Tiefebenen |371| nutzen und einen Paddelbootspaß für jedermann anbieten? Ich bin überzeugt davon, dass viel mehr Menschen wanderpaddeln würden, wenn sich öfter eine bessere Gelegenheit dazu böte. Im Spreewald wird es vorgemacht, die Nachahmung sei empfohlen.
     
    Aufführungslänge
    9,4 Kilometer zu Fuß und 8,8 Kilometer mit dem Kanu
    Aufführungsdauer
    2 Stunden und 30 Minuten ohne Pause am ersten Tag und 5 Stunden mit 70-minütiger Pause am zweiten Tag
    Programmheft
    Ich hatte einen sehr guten Wanderführer. In »Wanderungen durch Brandenburg« werden die Streckenwanderungen der Fernwege E10 und E11 durch Brandenburg beschrieben. Eigentlich hatte ich vorgehabt, den Teilabschnitt des E10 zwischen Lübben und Lübbenau zu gehen. Doch in seltener Offenheit hatte der Wanderführer von dieser Etappe abgeraten. Karte »Pharus-Plan Spreewald, Rad-, Wasser-, Wanderwege«, 1:40.000.

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    Stuttgart
    |373| Die Kunst Spazieren zu gehen
    EINE DRAMATISCHE KOMÖDIE
     
    Personen
Friedrich I., Wilhelm I.
Könige von Württemberg
Alte Männer im Unterhemd
Alte Männer ohne Unterhemd
     
    Schauplatz ist Stuttgart, die Zeit Mai 2006.
     
    Was soll das denn? Thema verfehlt? Natürlich soll es in diesem Buch um die Schönheit des Wanderns gehen und nicht um Spaziergänge. Aber was ist die Grenze? Wo endet der Spaziergang, und wann fängt die Wanderung an? Ich habe in den letzten Jahren teilweise recht kuriose Definitionen gehört. Für einen Bekannten beginnt eine Wanderung erst, wenn er einen Rucksack auf dem Rücken hat. Nach dieser Definition würde ich permanent wandern, da ich meinen Rucksack ständig bei mir habe. Meine Frau wandert, sobald sie ihre Wanderschuhe anhat, auch wenn sie nur eine kurze Strecke zurücklegt. Andere bestehen darauf, dass man nur im Hochgebirge richtig wandern kann. Jede Fortbewegung im Mittelgebirge und im Flachland sei demnach ein Spaziergang. Das ist natürlich Quatsch, und ich muss so etwas weit von mir weisen. Mein Freund Markus definiert eine Wanderung eher im zeitlichen Rahmen: Wenn man eine Mittagspause |374| macht, sei das Wandern. Da kommen wir meines Erachtens der Sache schon näher. Der Unterschied zwischen einem Spaziergang