Gesammelte Wanderabenteuer
tolle Suite im Schloss Lübbenau, die wir gebucht hatten, nicht ordentlich genießen zu können.
Es wäre dem Bruttosozialprodukt der Lübbenauer Taxi-Innung gegenüber unfair, nicht mit dem Taxi zu fahren.
Wahrscheinlich werden wir vom Taxi aus noch einen Storch sehen. Ich hatte den Kindern erzählt, dass es im Spreewald noch ganz viele Störche gibt, und das war kein Ammenmärchen, denn wir sahen später tatsächlich einen Storch in fünf Meter Entfernung – aus dem Taxifenster.
|367| Lena und Myriam wollten für den folgenden Tag, wenn es so richtig anstrengend wurde, topfit sein.
Eigentlich gut, wenn einem die eigenen Kinder die rhetorische Arbeit abnehmen, sich einen Wanderabbruch schönzureden. Wir fuhren dann mit dem Taxi nach Lübbenau und verbrachten als Alternativprogramm zur Wanderung einen entspannten Abend an der Bowlingbahn.
Am nächsten Tag gingen wir um elf Uhr im Hafen von Lübbenau zum Bootsverleih. Man kann sich hier, wie oben beschrieben, mit einem Kahn über die Wasserwege fahren lassen, aber wir wollten es auf eigene Faust versuchen. Statt eines Dreierkajaks hatten wir uns für drei einzelne Boote entschieden. Der Bootsverleiher Herr Richter mit Kapitänsmütze gab uns eine kurze Einweisung: Man solle sich gegenseitig beim Einsteigen helfen und ein über das Boot quergelegtes Paddel als Hilfe benutzen. Nie das Boot über Steine herausziehen, es könnte zerkratzen. Und: Das Paddel immer flach halten, da man bei ausholenden Bewegungen schnell nass würde. Ich kaufte noch Mückenspray, und dann stiegen wir in die Boote. Bei den Kindern ging das flott, ich tat mich etwas schwer. Von einer Brücke aus beobachteten uns einige Menschen, und bald begleitete ein lautes Gelächter meine ersten Einsteig- und Fahrübungen. Am schwersten fiel mir das Paddeln selbst. Ich war als Jugendlicher in einem Ruderverein gewesen, aber das war etwas anderes. Die Paddelblätter waren so komisch verdreht, und man musste das Doppelpaddel bei jedem Eintauchen ins Wasser in den Händen drehen.
Nachdem Herr Richter sich überzeugt hatte, dass wir nicht untergehen würden, durften wir endlich losfahren. Am Anfang war es wirklich sehr anstrengend. Nach ein paar |368| Schlägen musste ich mich erst einmal eine Weile treiben lassen, dann ausruhen und Kraft schöpfen, dann wieder paddeln, ausruhen, paddeln. Nach einer halben Stunde aber hatte ich den Bogen raus. Ein Wasserwandergefühl stellte sich ein. Wie man ja auch nicht darüber nachdenkt, einen Fuß vor den anderen zu setzen, so schwebte ich jetzt über das Wasser. Herr Richter hatte uns eine eingeschweißte Wasserwegekarte zur Orientierung mitgegeben, worauf alle Kanäle mit Namen verzeichnet waren. Unsere Route sollte vom Südumfluter über die Wolschina an der Moorigen Tschummi vorbei zum Bürgerfließ führen. Das Wegweisersystem war ordentlich, an jeder Abzweigung gab es Hinweisschilder und sogar markierte Rundpaddelwege. Verpaddeln konnte man sich hier nicht.
Eleganz in Perfektion im Spreewald
Die Spreewaldlandschaft war wunderschön. Die Kanäle wurden von alten Bäumen gesäumt, deren Äste Amazonaslike bis ins Wasser hingen. An zwei Stellen erhob sich direkt vor unseren Augen ein Fischreiher mit seiner gewaltigen |369| Spannweite aus dem Schilf. Nach einer Stunde legten wir für eine Pinkelpause an einem Wiesenstück an. An Land angekommen, sahen wir einen Kahn vorbeifahren. Ein Ehepaar, das es sich bei einer Flasche gekühltem Champagner gut gehen ließ, wurde von einem Spreewald-Gondoliere durch den Kanal gestakst. Der Fahrgast fragte über das Wasser, ob wir auch aus Zwickau kämen, denn bisher wären alle Paddelbootfahrer, denen sie begegnet wären, von dort gekommen. Als ich unsere Heimatstadt nannte, fing er an, laut zu singen, und noch hinter der nächsten Flussbiegung konnte man »Mer losse dr Dom in Kölle« hören.
In Lehde, das wir am vorangegangenen Tag nicht mehr erreicht hatten, machten wir eine Mittagspause. Fontane hatte über den Ort geschrieben: »Es ist die Lagunenstadt in Taschenformat, ein Venedig, wie es vor 1500 Jahren gewesen sein mag, als die ersten Fischerfamilien auf seinen Sumpfeilanden Schutz suchten.« Dem war auch über 100 Jahre später nichts hinzuzufügen. In Lehde gibt es das einzige Gurkenmuseum in Deutschland, wahrscheinlich ist es auch das einzige auf der ganzen Welt. Aber wer braucht wirklich ein Gurkenmuseum? (Ehrlich gesagt, mag man im Spreewald schon am zweiten Tag das Wort »Gurke« nicht mehr hören.)
Jede
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