Gesammelte Werke 1
wieder an der Linguistik? An sich ist die Linguistik eine feine Sache. Gehen wir also zum Angriff über. Frontal.
»Du hast dich mit ihm getroffen«, erklärte ich. »Und er hat dir erneut eine Arbeit angeboten. Bist du einverstanden?«
Das konnte bedeuten: »Würdest du dich mit ihm treffen und er böte dir erneut eine Arbeit an - wärst du einverstanden?« Oder auch: »Du hast dich mit ihm getroffen, und er hat - wie ich weiß - dir eine Arbeit angeboten. Hast du zugesagt?« Linguistik. Zugegeben, es war ein ziemlich armseliges Manöver, doch was blieb mir anders übrig?
Und die Linguistik half mir letztlich weiter.
»Er hat mir keine Arbeit angeboten«, widersprach Wepl.
»Worüber habt ihr denn dann gesprochen?«, wunderte ich mich und baute meinen Erfolg weiter aus.
»Über Vergangenes«, sagte er knapp. »Für niemanden von Belang.«
»Was meinst du«, fragte ich und wischte mir in Gedanken den Schweiß von der Stirn, »hat er sich in diesen fünfzehn Jahren sehr verändert?«
»Das ist ebenso wenig von Belang.«
»Nein, das ist durchaus von Belang. Ich habe ihn vor kurzem gesehen und festgestellt, dass er sich sehr verändert hat. Aber ich bin ein Erdenmensch, und ich müsste deine Meinung wissen.«
»Meine Meinung: ja.«
»Siehst du! Und worin hat er sich deiner Ansicht nach verändert?«
»Er interessiert sich nicht mehr für das Volk der Kopfler.«
»Wirklich?« Ich war sehr erstaunt. »Aber mit mir hat er nur über die Kopfler gesprochen.«
Wieder trat dieser rote Schein in seine Augen. Es schien, dass meine Worte ihn abermals verwirrt hatten.
»Was hat er dir gesagt?«, fragte er.
»Wir haben uns gestritten, wer von den Erdenmenschen mehr für die Kontakte mit den Kopflern getan hat.«
»Und außerdem?«
»Nichts. Nur darüber.«
»Wann war das?«
»Vorgestern. Und warum meinst du, dass er sich nicht mehr für das Volk der Kopfler interessiert?«
Dann sagte er plötzlich: »Wir verlieren Zeit. Stell keine leeren Fragen. Stell richtige Fragen.«
»Gut. Ich stelle eine richtige Frage. Wo ist er jetzt?«
»Ich weiß nicht.«
»Was hatte er vor?«
»Ich weiß nicht.«
»Was hat er dir gesagt? Für mich ist jedes seiner Worte wichtig.«
Und da nahm Wepl eine sonderbare, ja, unnatürliche Haltung ein: Er legte sich auf die angespannten, wie zum Sprung bereiten Beine, reckte den Hals hervor und starrte mich von unten her an. Dann wiegte er langsam den schweren Kopf hin und her und begann zu sprechen, wobei er die Worte wieder überaus deutlich artikulierte: »Höre genau zu, verstehe es richtig und merke es dir für lange Zeit. Das Volk der Erde mischt sich nicht in die Angelegenheiten des Volkes der Kopfler. Das Volk der Kopfler mischt sich nicht in die Angelegenheiten des Volkes der Erde. So war es, so ist es und so wird es sein. Die Angelegenheit Lew Abalkins ist eine Angelegenheit des Volkes der Erde. Das ist beschlossene Sache. Und darum: Such nicht, was nicht ist. Das Volk der Kopfler wird Lew Abalkin niemals Asyl gewähren.«
So etwas! Ich platzte heraus: »Er hat um Asyl gebeten? Bei euch?«
»Ich habe nur gesagt, was ich gesagt habe: Das Volk der Kopfler wird Lew Abalkin niemals Asyl gewähren. Weiter nichts. Hast du das verstanden?«
»Ich habe es verstanden. Aber das interessiert mich nicht. Ich wiederhole die Frage: Was hat er zu dir gesagt?«
»Ich werde antworten. Aber erst wiederhole du das Wesentliche von dem, was ich gesagt habe.«
»Gut, ich wiederhole. Das Volk der Kopfler mischt sich nicht in die Angelegenheiten Abalkins und verweigert ihm Asyl? Richtig?«
»Richtig. Und das ist die Hauptsache.«
»Antworte jetzt auf meine Frage.«
»Ich antworte. Er hat mich gefragt, ob es einen Unterschied zwischen ihm und den anderen Menschen gibt, mit denen ich zusammengearbeitet habe. Die gleiche Frage, die du mir gestellt hast.«
Kaum hatte er zu Ende gesprochen, machte er kehrt und verschwand lautlos im Gebüsch. Kein Zweig, kein Blatt regte sich. Er war einfach nicht mehr da. Weg.
Dieser Wepl! »… Ich habe ihm die Sprache beigebracht und gezeigt, wie man die Versorgungslinie benutzt. Ich habe keinen Schritt von ihm getan, als er an diesen sonderbaren Krankheiten litt. Ich habe seine schlechten Manieren erduldet, mich mit seinen unverblümten Äußerungen abgefunden und ihm Dinge verziehen, die ich sonst niemandem auf der Welt verzeihe. Wenn nötig, werde ich für Wepl wie für einen Erdenmenschen kämpfen, wie für mich selbst. Und Wepl? Ich weiß nicht …«
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