Gesammelte Werke 1
verschwand in der Dunkelheit.
Ich folgte ihm. Ganz wie in alten Zeiten.
In langen, lautlosen Sätzen eilte er vor mir her - groß und hager, gewandt und völlig schwarz gekleidet glich er dem Schatten eines mittelalterlichen Dämons. Mir schoss plötzlich durch den Kopf, dass wohl noch keiner von unseren Grünschnäbeln Seine Exzellenz so zu Gesicht bekommen hatte. Nur der alte Turm, Pjotr Angelow und ich hatten ihn so erlebt - vor fünfzehn Jahren …
Er führte mich auf einem komplizierten, verschlungenen Weg von Saal zu Saal, von Korridor zu Korridor, und konnte sich inmitten all der Stände und Vitrinen fehlerlos orientieren; zwischen all den Statuen und Attrappen, die aussahen wie groteske Mechanismen, und all den Apparaten und Mechanismen, die aussahen wie groteske Statuen. Nirgends war Licht - offenbar war die Automatik vorher abgeschaltet worden -, aber er irrte sich kein einziges Mal und kam nicht vom Weg ab, obwohl ich wusste, dass er nachts wesentlich schlechter sah als ich. Seine Exzellenz hatte sich gründlich auf diesen nächtlichen Exkurs vorbereitet, und bisher war ihm alles bestens
gelungen, wenn man einmal von der Atmung absah. Er atmete zu laut, aber daran ließ sich eben nichts ändern. Die Jahre. Das verdammte Alter.
Plötzlich hielt er inne, und kaum dass ich neben ihm stand, krallte er die Finger in meine Schulter. Im ersten Moment bekam ich einen Schreck und dachte, sein Herz könnte ihm zu schaffen machen; doch dann begriff ich: Wir waren angekommen, und er wollte warten, bis er wieder zu Atem käme.
Ich schaute mich um. Leere Tische. An den Wänden entlang standen Regale voller exoplanetarer Wunderdinge. Xenografische Projektoren an der entfernteren Schmalseite. Das alles hatte ich schon gesehen. Ich war hier gewesen. Es war das Arbeitszimmer von Maja Toivowna Glumowa. Da stand ihr Tisch, und in diesem Sessel hatte der Journalist Kammerer gesessen …
Seine Exzellenz ließ meine Schulter los, trat zu den Regalen, bückte sich und ging in gebückter Haltung die Reihen entlang - er hielt nach etwas Ausschau. Dann blieb er stehen, hob angestrengt etwas hoch und ging langsam zu dem Tisch, der unmittelbar vor dem Eingang stand. Den Oberkörper leicht zurückgeneigt, hielt er einen langen Gegenstand in seinen Händen - eine Art flachen Klotz mit abgerundeten Ecken. Vorsichtig, ohne die geringste Erschütterung, legte er den Gegenstand auf den Tisch, verharrte einen Augenblick reglos und lauschte; dann zog er plötzlich wie ein Zauberkünstler ein langes Halstuch mit Fransen aus der Brusttasche. Mit einer geschickten Bewegung faltete er es auseinander und warf es über den Klotz. Dann kehrte er zu mir zurück, beugte sich zu meinem Ohr herab und flüsterte kaum hörbar: »Wenn er dieses Tuch berührt - dann fasse ihn. Wenn er uns vorher bemerkt - fasse ihn. Stell dich hier hin.«
Ich bezog auf der einen Seite der Tür Stellung, Seine Exzellenz auf der anderen.
Anfangs hörte ich nichts. Ich stand da, den Rücken an die Wand gepresst, ging in Gedanken mechanisch die Varianten für den weiteren Verlauf der Ereignisse durch und schaute auf das Tuch, das über den Tisch gebreitet war. Interessant, was Lew Abalkin wohl dazu bewegen mochte, es zu berühren? Wenn er diesen Klotz gar so dringend brauchte, wie sollte er erfahren, dass er unter dem Tuch verborgen war? Und was ist das für ein Klotz? Sieht aus wie ein Futteral für einen tragbaren Intravisor. Oder für irgendein Musikinstrument. Das heißt, dafür wohl kaum. Zu schwer. Ich begreife nichts. Das ist offensichtlich ein Köder, aber wenn es ein Köder ist, dann nicht für einen Menschen …
Da hörte ich Lärm, und zwar ziemlich lauten Lärm: Irgendwo im Innern des Museums war etwas Großes aus Metall umgestürzt und dabei auseinandergebrochen. Sofort fiel mir die riesige Rolle Stacheldraht ein, an der die Mädchen so sorgsam mit ihren Molekularlötkolben gearbeitet hatten. Ich blickte Seine Exzellenz an. Er lauschte und war ebenfalls irritiert.
Das Klingen, Scheppern und Klirren verebbte allmählich, und es wurde wieder still. Sonderbar. Dass ein Progressor, ein Profi, ein Meister in der Kunst, sich unbemerkt zu bewegen, ein Ninja, blindlings in eine derart sperrige Vorrichtung laufen sollte? Sehr unwahrscheinlich. Freilich, er könnte mit dem Ärmel an einem hervorstehenden kleinen Drahtstachel hängen geblieben sein … Nein, könnte er nicht. Einem Progressor passiert so etwas nicht. Oder der Progressor ist hier, auf der
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