Gesammelte Werke 1
ganz offiziellen Charakter trägt. An den Briefkopf Ihrer Rapporte und Berichte erinnere ich mich noch gut … seit dem Moment, als der arme Sikorsky sie einmal vor mir auf den Tisch geworfen hat - als ziemlich erbärmliches Argument.
Meine Einstellung zu Ihrer Organisation hat sich seitdem nicht geändert. Sie ist Ihnen zweifellos bekannt, denn ich habe nie ein Hehl daraus gemacht. Aber ich danke Ihnen für das Material, das Sie mir freundlicherweise zusandten und das ich mit großem Interesse studiert habe. Ich möchte Ihnen versichern, dass Sie bei dieser Ausrichtung Ihrer Arbeit (aber nur bei dieser!) in mir einen begeisterten Mitarbeiter und Mitstreiter finden werden.
Ich selbst habe viele Jahre lang Überlegungen zur Natur der Wanderer angestellt - wie auch zur Unvermeidlichkeit ihrer Konfrontation mit der Erdzivilisation. Und ich weiß nicht, ob es ein Zufall war, aber ich erhielt Ihre »Modellübersicht« just in dem Moment, als ich mich gerade mit den Ergebnissen und Schlussfolgerungen meiner langjährigen Überlegungen beschäftigen wollte. Da ich jedoch davon überzeugt
bin, dass es keine Zufälle gibt, scheint mir, dass die Zeit für diese Frage wohl einfach reif war.
Nun habe ich weder Zeit noch Lust, ihre Unterlagen einer detaillierten Kritik zu unterziehen, kann aber nicht umhin, hier zumindest Folgendes anzumerken: Die Modelle »Krake« und »Conquistador« waren so primitiv, ja geradezu albern, dass ich einen Lachanfall bekam. Das Modell »Neue Luft« erweckte zwar den Eindruck, als sei es nicht völlig trivial - entbehrte aber dennoch jeglicher seriöser Beweisgründe. Acht Modelle! Achtzehn Mitwirkende. Und darunter Leute wie Karibanow, Yasuda, Mikić! Zum Teufel, da hätte man doch Bedeutenderes erwarten können! Wie Sie meinen, Kammerer. Mir allerdings drängt sich der Verdacht auf, als hätten Sie diesen Großmeistern Ihre »Sorge angesichts des Mangels an Einblick in dieser Frage« nicht wirklich vermitteln können. Denn sie haben sich ihrer Aufgabe mehr schlecht als recht entledigt.
Im Folgenden gebe ich Ihnen eine kurze Zusammenfassung meines künftigen Buches, dessen Titel lauten soll: »Der ›Monokosmos‹ - Gipfel oder erster Schritt? Anmerkungen zur Evolution der Evolution«. Auch hier habe ich weder Zeit noch Lust, meine Annahmen durch eine detaillierte Beweisführung zu begründen. Aber ich kann Ihnen versichern, dass ich für jede meiner Annahmen schon heute ausreichend Argumente liefern kann. Falls Sie also diesbezüglich Fragen haben, werde ich sie gerne beantworten. (Übrigens: Ich kann nicht umhin zu bemerken, dass Ihr Ersuchen um Konsultation wohl die erste und bislang einzige gesellschaftlich nützliche Handlung der KomKon 2 seit ihrer Gründung gewesen ist.)
Also dann: der Monokosmos .
Jede planetare Intelligenz - sei sie technologisch, rousseauistisch oder gar heronisch - durchläuft im Evolutionsprozess erster Ordnung den Weg vom Zustand maximaler
Zersplitterung (Wildheit, gegenseitige Aggression, Armut der Emotionen, Misstrauen) bis zum Zustand maximaler Vereinigung bei zugleich gewahrter Individualität (Freundlichkeit, hohes Niveau der Beziehungen, Altruismus, Geringschätzung des Erworbenen). Dieser Prozess wird von biologischen, biosozialen und sozialen Gesetzen gesteuert. Er ist gut erforscht und für uns nur insofern von Belang, als er zu der Frage führt: Was passiert danach? Lassen wir einmal die allzu romantischen Thesen der Theorie vom vertikalen Progress beiseite - dann sehen wir, dass es für die Intelligenz auf dieser Stufe nur zwei reale und dabei sehr verschiedene Möglichkeiten gibt: Entweder Stillstand, Selbstgenügsamkeit, Abkapselung und Verlust des Interesses an der physischen Welt. Oder es folgt die Evolution zweiter Ordnung, d. h. eine Evolution, die sowohl plan- als auch steuerbar ist: der Monokosmos.
Die Synthese der Intelligenzen ist unvermeidlich, und sie eröffnet unermesslich viele neue Facetten für die Wahrnehmung der Welt. Das führt zu einem exponentiellen Anwachsen von Quantität und vor allem Qualität der zur Verfügung stehenden Information. Das wiederum führt zur Verringerung des Leidens auf ein Minimum und zur Erhöhung der Freude auf ein Maximum. Der Begriff »Zuhause« dehnt sich auf die Größe des Universums aus. (Sicher ist das auch der Grund, warum man diesen unverantwortlichen und oberflächlichen Begriff der »Wanderer« geprägt hat.) Es wird ein neuer Metabolismus entstehen, der bewirkt, dass Gesundheit und Leben im
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