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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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Prinzip ewig andauern. Das Alter eines Individuums wird mit dem Alter kosmischer Objekte vergleichbar sein - und das ohne jegliche psychische Ermüdung. Das Individuum des Monokosmos braucht keine Schöpfer. Es ist selbst zugleich Schöpfer und Nutznießer seiner Kultur. Es kann anhand eines Wassertropfens nicht nur das Bild des Ozeans entstehen lassen, sondern auch die ganze Welt der darin lebenden
Wesen, einschließlich der vernunftbegabten. Und all dies wird begleitet sein von einem ständigen, unstillbaren Hunger nach neuen Reizen.
    Jedes neue Individuum wird als synkretistisches Kunstwerk erschaffen: An seiner Entstehung wirken sowohl die Physiologen mit als auch die Genetiker, die Ingenieure, die Psychologen, die Ästhetiker, die Pädagogen und die Philosophen des Monokosmos. Dieser Vorgang wird sicher mehrere Erdjahrzehnte in Anspruch nehmen und die interessanteste und angesehenste Art von Beschäftigung für die Wanderer sein. Der gegenwärtigen Menschheit ist nichts bekannt, was mit dieser Art von Kunst vergleichbar wäre - ausgenommen vielleicht die in der Geschichte mehr als seltenen Fälle einer Großen Liebe.
    »Erschaffen, ohne zu zerstören!« - das ist die Maxime des Monokosmos.
    Der Monokosmos kann nicht anders: Er wird seinen eigenen Entwicklungsweg und seinen eigenen Modus vivendi für den einzig richtigen halten. Bilder von zersplitterten Intelligenzen, die noch nicht reif sind für die Eingliederung, bereiten ihm Schmerz und Verzweiflung. Aber er muss abwarten, bis sich die Intelligenz im Verlauf der Evolution erster Ordnung bis zum Zustand eines gesamtplanetaren Soziums entwickelt hat. Erst dann nämlich kann der Eingriff in die Biostruktur einsetzen, der den Träger der Intelligenz darauf vorbereitet, in den monokosmischen Organismus eines Wanderers überzugehen. Eine Einmischung der Wanderer in die Geschicke von Zivilisationen, die noch in sich zersplittert sind, ergibt hingegen keinen Sinn.
    Eine denkwürdige Situation: Die Progressoren der Erde wollen im Grunde bei den vom Unglück getroffenen Zivilisationen den historischen Prozess beschleunigen, der zur Schaffung verbesserter, ja vollkommener sozialer Strukturen führen soll. Indem sie das tun, arbeiten sie gleichsam an der
Bereitstellung neuer Materialreserven für die zukünftige Arbeit des Monokosmos.
    Wir kennen derzeit drei Zivilisationen, die sich für wohl entwickelt halten:
    Die Leonidaner. Eine sehr, sehr alte Zivilisation (dreihunderttausend Jahre oder älter - was auch immer der verstorbene Pak Hin sonst behauptet haben mag). Sie ist der Prototyp einer »langsamen« Zivilisation, die im Einklang mit der Natur stehen geblieben ist.
    Die Tagoraner. Eine Zivilisation des hypertrophierten Sicherheitsdenkens. Dreiviertel all ihrer Kapazitäten konzentrieren sie auf die Erforschung schädlicher Folgen, die aus einer Entdeckung, einer Erfindung, einem neuen technologischen Prozess usw. resultieren könnten. Uns erscheint eine solche Zivilisation seltsam, aber nur deshalb, weil wir nicht begreifen, wie interessant es ist, schädlichen Folgen vorzubeugen und wie viel intellektuelle und emotionale Befriedigung dies bedeuten kann. Den Fortschritt zu bremsen ist genauso spannend, wie ihn voranzutreiben - alles hängt von der Ausgangssituation und von der Erziehung ab. Als Konsequenz gibt es auf der Tagora nur öffentliche Verkehrsmittel, keinerlei Luftverkehr, dafür aber ein hervorragend entwickeltes Kommunikationsnetz auf Leiterbasis.
    Die dritte Zivilisation ist unsere. Und jetzt verstehen wir, warum sich die Wanderer ausgerechnet und in erster Linie in unser Leben einmischen. Wir bewegen uns. Wir bewegen uns, und können uns deshalb bei der Wahl unserer Bewegungsrichtung irren.
    Heute erinnert sich niemand mehr an die sogenannten »Anschieber«, die mit fanatischem Enthusiasmus versucht haben, den Fortschritt bei den Tagoranern und Leonidanern zu forcieren. Inzwischen weiß jeder, dass es ebenso sinnlos wie aussichtslos ist, solche in ihrer Art vollkommenen Zivilisationen gewaltsam anzuschieben. Es ist, als wollte man das
Wachstum eines Baums, sagen wir, einer Eiche, beschleunigen, indem man ihn an den Zweigen emporzieht. Die Wanderer aber sind keine »Anschieber«; bei ihnen gibt es keine Aufgabe, wie »den Fortschritt forcieren«, und wird es auch nicht geben. Ihr Ziel ist es, die für die Eingliederung in den Monokosmos herangereiften Individuen zu suchen, zu selektieren, auf die Eingliederung vorzubereiten und sie schließlich mit

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