Gesammelte Werke
Bierpferden sitzen, nicht geben kann und noch nie gegeben hat; und ich kann mir bloß nicht vorstellen, wie das im Mittelalter selbst gewesen ist, als die altdeutschen Kostüme noch nicht alt gewesen sind, und nicht einmal älter ausgeschaut haben als heutzutage ein Smoking!?»
Nachdem diese Frage zur Genüge gewürdigt worden war, stellte Ulrich aber eine bedenklichere: «Ich möchte wissen, was unsere nichtdeutschen Nationen zu dem Ganzen sagen werden!»
«Das ist einfach: sie werden mitmarschieren!» versicherte Stumm vergnügt. «Denn wenn sie es nicht tun, so kommandieren wir ein böhmisches Dragonerregiment in den Festzug und machen Hussitenkrieger aus ihm, und ein Ulanenregiment ziehen wir als die polnischen Türkenbefreier Wiens an.»
«Und was sagt Leinsdorf zu diesen Plänen?» fragte Ulrich zögernd.
Stumm stellte das übergelegte Bein neben das andere und wurde ernst. «Der ist allerdings nicht gerade entzückt» gab er zu und erzählte, daß Graf Leinsdorf niemals das Wort «Festzug» in Gebrauch nehme, sondern auf das halsstarrigste daran festhalte, «die Demonstration» zu sagen. «Wahrscheinlich liegen ihm noch die Demonstrationen im Sinn, die er erlebt hat» meinte Ulrich, und Stumm pflichtete ihm bei: «Er hat schon des öfteren zu mir gesagt,» berichtete er «wer das Volk auf die Straße führt, lädt damit eine große Verantwortung auf sich, Herr General! Genau so, als ob ich etwas dafür oder dagegen tun könnte! Dazu müßtest du aber freilich auch wissen, daß wir seit einiger Zeit ziemlich oft beisammen sind, er und ich –»
Stumm setzte aus, als wolle er Zeit für eine Frage lassen, als aber weder Agathe noch Ulrich diese stellten, fuhr er vorsichtig fort: «Es ist Seiner Erlaucht nämlich noch eine Demonstration widerfahren. Auf einer Reise, in B..., ist er in jüngster Zeit sowohl von den Tschechen als auch von den Deutschen beinahe verprügelt worden.»
«Aber warum denn?» rief Agathe teilnehmend aus, und auch Ulrich zeigte seine Neugierde.
«Weil er als Friedensstifter bekannt ist!» verkündete Stumm. «Die Friedens- und Menschenliebe ist nämlich in Wirklichkeit nicht so einfach –»
«Wie bei der Äpfelfrau!» fiel Agathe lachend ein.
«Eigentlich habe ich sagen wollen, wie bei einer Bonbonniere» verbesserte sie Stumm und fügte diesem bedächtigen Tadel für Ulrich noch die Anerkennung für Leinsdorf hinzu: «Trotzdem wird ein Mann wie er, wenn es einmal beschlossen ist, das Amt, das ihm zufällt, voll und ganz ausfüllen!»
«Welches Amt denn?» fragte nun Ulrich.
«Jedes!» versicherte der General. «Er wird auf der Festtribüne neben dem Kaiser sitzen, natürlich nur in dem Fall, daß sich Seine Majestät auf eine Festtribüne setzt; und außerdem entwirft er die Huldigungsadresse unserer Völker, die er dem Allerhöchsten Herrn überreichen wird. Wenn das aber vorläufig selbst alles sein sollte, so bin ich überzeugt, daß es das nicht bleiben wird; denn wenn er keine andern Sorgen hat, so macht er sich sofort welche: eine so tatkräftige Natur ist er! Jetzt möchte er übrigens dich sprechen» ließ Stumm versuchsweise einfließen.
Ulrich schien es zu überhören, war aber aufmerksam geworden. «Leinsdorf ‹fällt› doch kein Amt ‹zu›?!» fragte er mißtrauisch. «Seit er lebt, ist er immer der Knopf auf der Fahnenstange gewesen!»
«Ja –» meinte General Stumm mit Vorbehalt. «Ich will eigentlich auch nichts gesagt haben; er bleibt natürlich immer ein hoher Herr. Aber schau, da hat mich zum Beispiel der Tuzzi unlängst beiseite genommen und hat vertraulich zu mir gesagt: ‹Herr General! Wenn mich in einer finsteren Gasse ein Mann anstreift, so trete ich zur Seite; wenn er mich aber in der gleichen Lage freundlich fragt, wieviel Uhr es ist, dann greife ich nicht nur nach der Uhr, sondern taste auch nach der Pistole!› Was sagst du dazu?»
«Was sollte ich dazu sagen? Ich verstehe den Zusammenhang nicht!»
«Das ist eben jetzt die Vorsicht der Regierung» erklärte Stumm. «Sie denkt bei einem Weltfriedenskongreß an alle Möglichkeiten, während der Leinsdorf schließlich doch immer seine eigenen Ideen hat.»
Ulrich begriff plötzlich. «Also mit einem Wort: Leinsdorf soll jetzt von der Spitze verdrängt werden, weil man Angst vor ihm hat?!»
Darauf erwiderte der General nicht unmittelbar. «Er läßt dich durch mich bitten, daß du die guten Beziehungen zu deiner Kusine Tuzzi wieder aufnehmen sollst, damit man erfährt, was vorgeht: Ich sage es
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