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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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überall von diesem pazifistischen Kongreß gewußt – ich versichere dir: in der ganzen Welt! Und bei Privaten gerade so wie in Redaktionen und Staatskanzleien! – doch hat man angenommen, oder es ist eben ausgesprengt worden, daß er von uns ausgeht und zu unserer großen Weltaktion gehört, und ist bloß verwundert gewesen, weil von uns auf keinerlei Anfragen und Rückfragen eine vernünftige Antwort gekommen ist. Vielleicht hat sich jemand einen Jux mit uns gemacht; der Tuzzi hat uns ein paar von diesen Einladungen zum Friedenskongreß unauffällig verschaffen können: die Unterschriften waren zwar recht naiv nachgemacht, aber das Briefpapier und der Stil sind wirklich wie echt gewesen! Natürlich haben wir uns dann auch an die Polizei gewandt, und die hat rasch herausgefunden, daß die ganze Ausführung auf einen Ursprung hierzulande zurückweist, und dabei ist auch herausgekommen, daß es wirklich solche Leute hier gibt, die einen Weltfriedenskongreß im Herbst einberufen möchten – weil da nämlich eine Frau, die einen pazifistischen Roman geschrieben hat, ich weiß nicht wie viel Jahre alt wird oder, falls sie schon gestorben sein sollte, alt geworden wäre: Aber diese Leute haben mit der Ausstreuung, die uns betroffen hat, wie sich bald herausgestellt hat, nachweisbar nicht das geringste zu tun; und auf diese Weise ist der Ursprung also im Dunkel geblieben» meinte Stumm verzichtend, aber mit der Befriedigung, die jede gut zu Ende gebrachte Erzählung gewährt. Die anstrengende Darlegung der Schwierigkeiten hatte sein Gesicht mit Schatten überzogen, doch jetzt brach die Sonne seines Lächelns durch diese Ratlosigkeit hindurch, und mit einem so unbefangenen wie treuherzigen Zug von Verachtung fügte er noch hinzu: «Das Merkwürdigste ist ja, daß alle Welt einverstanden gewesen ist mit so einem Kongreß oder daß wenigstens keiner hat nein sagen wollen! Und jetzt frage ich dich: was bleibt einem da übrig; besonders wenn man schon vorausgesagt hat, daß man etwas unternehmen wird, was der ganzen Welt ein Vorbild sein soll, und immer die Parole der Tat ausgegeben hat?! Wir haben einfach vierzehn Tage wie die Wilden arbeiten müssen, damit das wenigstens hinterdrein so ausschaut, wie es sozusagen unter anderen Umständen im vorhinein ausgeschaut hätte. Und so haben wir uns der organisatorischen Überlegenheit der Preußen – vorausgesetzt, daß es überhaupt die Preußen gewesen sind! – eben gewachsen gezeigt. Wir nennen es jetzt eine Vorfeier. Den politischen Teil behält dabei die Regierung im Auge, und wir von der Aktion bearbeiten mehr das Festliche und Kulturmenschliche, weil das für ein Ministerium einfach zu belastend ist –»
    «Aber eine sonderbare Geschichte bleibt es immerhin!» versicherte jetzt Ulrich ernst, obwohl er über diesen Ausgang lachen mußte.
    «Halt ein historischer Zufall» sagte der General zufrieden. «Solche Mystifikationen sind schon oft von Wichtigkeit gewesen.»
    «Und Diotima?» erkundigte sich Ulrich vorsichtig.
    «Ja, die hat freilich Amor und Psyche schleunigst beiseite stellen müssen und entwirft jetzt zusammen mit einem Maler den Trachtenfestzug. ‹Die Stämme Österreichs und Ungarns huldigen dem inneren und äußeren Frieden› wird er heißen» berichtete Stumm und wandte sich nun flehend an Agathe, als er bemerkte, daß auch sie die Lippen zum Lächeln verzog. «Ich beschwöre Sie, Gnädigste, wenden Sie nichts dagegen ein und gestatten Sie auch ihm keinen Einwand!» bat er. «Denn der Trachtenfestzug und wahrscheinlich eine Militärparade sind das einzige, was bis jetzt von den Feierlichkeiten feststeht. Es werden die Tiroler Standschützen über die Ringstraße marschieren, denn die geben mit ihren grünen Hosenträgern, den Hahnenfedern und den langen Bärten immer ein malerisches Bild ab; und dann sollen auch noch die Biere und Weine der Monarchie den Bieren und Weinen der übrigen Welt huldigen. Aber schon da besteht zum Beispiel noch keine Einigung darüber, ob nur die österreichisch-ungarischen Biere und Weine denen der übrigen Welt huldigen sollen, damit der liebenswürdige österreichische Charakter umso gastlicher hervorkommt, als man auf eine Gegenhuldigung verzichtet; oder ob auch die ausländischen Biere und Weine mitmarschieren dürfen, damit sie den unsrigen huldigen, und ob sie dafür Zoll zahlen müssen oder nicht. Jedenfalls ist das eine sicher, daß es bei uns einen Festzug ohne Menschen, die in altdeutschen Kostümen auf Faßwagen und

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