Gesammelte Werke
große Menschen sind sie wohl auch persönliche Lebensvorbilder, denn es gehört eine große Koordination und Subordination aller Eigenschaften zu ihnen (hier erfährt also das Prinzip Mann ohne Eigenschaften eine entscheidende Einschränkung); aber ihre Lehre ist nicht vorbildlich, sondern richtbildlich und ähnliches. – Hieher gehört also zum Beispiel: Partiallösung auch – in dem Sinn, daß die Zeiten Überzeugungen annehmen, aber solange diese nicht ganz reell sind, bleiben sie nicht. Namentlich: Es gibt Zeiten, die den theoretischen Typus begünstigen, und solche, die handeln, sehr überzeugt sind, neue Bedingungen schaffen und gewöhnlich alles ruinieren. Bevorsteht eine antitheoretische Zeit. Darauf wird natürlich Walter erwidern: Bist du denn ein großer Mensch!? Das führt also auf die erste Frage: Werk zurück. (Erinnerung: Agathe braucht kein Werk. Bei Ulrich war immer eins im Hintergrund. Es wäre aber ganz lächerlich, sich nun hinzusetzen und zu schreiben. Er setzt viel zu wenig Optimismus darein.)
Soweit vorderhand.
ad 2) erledigt sich dann schon durch Raummangel in dem Sinn, daß diese Frage entweder nicht oder nur flüchtig berührt werden kann.
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119
Generaldirektor Fischel. Begegnung im Zug
... durch den Zug gehend, bemerkte Ulrich ein bekanntes Gesicht, hielt an und kam darauf, daß es Leo Fischel sei, der allein in einem Abteil saß und in einem Stoß dünner Papiere blätterte, den er in der Hand hielt. Er war so bedürftig nach Teilnahme am alltäglichen Leben, daß er fast mit Freude seinen alten Bekannten begrüßte, den er monatelang nicht gesehen hatte.
Fischel fragte ihn, von wo er komme.
«Aus dem Süden» erwiderte Ulrich unbestimmt.
«Man hat Sie lange nicht gesehn» sagte Fischel bekümmert. «Sie haben Unannehmlichkeiten gehabt, nicht?»
«Inwiefern?»
«Ich meine nur so. In Ihrer Stellung bei der Aktion denk ich.»
«Ich bin doch nie zu ihr in einer Beziehung gestanden, die man eine Stellung nennen konnte» wandte Ulrich etwas entrüstet ein.
«Eines Tags sind Sie verschwunden» sagte Fischel. «Niemand hat gewußt, wo Sie sind. Ich habe daraus geschlossen, daß Sie Unannehmlichkeiten hatten.»
«Bis auf diesen Irrtum sind Sie auffallend gut unterrichtet: Wieso?» fragte Ulrich lachend.
«Ich hab Sie doch gesucht wie eine Spennadel. Schwere Zeiten, böse Geschichten, mein Lieber» antwortete Fischel seufzend. «Der General hat nicht gewußt, wo Sie sind, Ihre Kusine hat nicht gewußt, wo Sie sind, und Ihre Post haben Sie sich nicht nachkommen lassen, wie man mir gesagt hat. Haben Sie einen Brief von Gerda bekommen?»
«Empfangen nicht. Vielleicht finde ich ihn zu Hause vor. Ist etwas mit Gerda?»
Direktor Fischel antwortete nicht; der Schaffner war vorbeigegangen, und er winkte ihn herein, um ihm einige Telegramme mit dem Ersuchen zu übergeben, daß er sie in der nächsten Station absende.
Jetzt erst bemerkte Ulrich, daß Fischel erster Klasse fuhr, was er nicht von ihm erwartet hätte.
«Seit wann verkehren Sie mit meiner Kusine und dem General?» fragte er.
Fischel sah ihn nachdenklich an. Er verstand offenbar nicht gleich diese Frage. «Ja, so» sagte er danach. «Ich glaube, da waren Sie noch gar nicht abgereist. Ihre Kusine hat mich wegen einer Geschäftsangelegenheit konsultiert, und durch sie habe ich dann den General kennen gelernt, den ich damals noch wegen Hans Sepp um etwas ersuchen wollte. Sie wissen doch, daß sich Hans erschossen hat?»
Ulrich fuhr unwillkürlich hoch.
«Ist sogar in einigen Zeitungen gestanden» bekräftigte Fischel. «War eingerückt zum Einjährigendienst beim Militär und hat sich nach einigen Wochen erschossen.»
«Ja, weshalb denn?»
«Weiß Gott! Ehrlich gestanden, er hätte sich ebenso gut auch schon früher erschießen können. Immer hätte er sich erschießen können. Er ist ein Narr gewesen. Aber ich habe ihn zum Schluß ganz gern gehabt. Sie werden es nicht glauben, aber mir hat sogar sein Antisemitismus und sein Schimpfen auf die Bankdirektoren gefallen.»
«Hat es zwischen ihm und Gerda etwas gegeben?»
«Großen Krach» bestätigte Fischel. «Aber das ist es nicht allein gewesen. Hören Sie. Sie haben mir gefehlt. Ich habe Sie gesucht. Wenn ich mit Ihnen rede, habe ich nicht das Gefühl, es mit einem vernünftigen Menschen zu tun zu haben, sondern mit einem Philosophen. Was Sie sagen – erlauben Sie einem alten Freund, das zu bemerken – hat nie Hand und Fuß, aber es hat Herz und Kopf! Also was
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