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Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Theodor Adorno
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Abweichung kausal nachzuweisen; so daß uns also die Apparatur der dinglichen Begriffsbildung im Bereich des Psychischen zur Einführung eines Begriffes der
psychischen
Kausalität nötigt, dessen Beschaffenheit, dessen Zusammenhang mit der physischen Kausalität und dessen Grenze uns bei der Interpretation des psychoanalytischen Verfahrens noch kurz beschäftigen wird. Während in allen oben erörterten Fällen die unbewußten Tatbestände selbst Phänomene, vergangene Erlebnisse waren, dinglich allein allenfalls die allgemeinen Begriffe, unter denen ich die Möglichkeit gesetzmäßig befasse, mir die betreffenden Tatbestände zur Erinnerung zu bringen; also etwa: daß ich »ein Gedicht im Gedächtnis habe«; nicht aber das Unbewußte, rudimentär Erinnerte selbst, das nicht den Charakter der Gesetzmäßigkeit in sich trägt, sondern lediglich ein Phänomen oder eine Folge von Phänomenen ist –, während also die unbewußten Tatsachen in den früher betrachteten Fällen nicht dinglich, die intentionalen Objekte Phänomene waren, sind in den jetzt behandelten Fällen nicht allein die Zusammenhänge zwischen den vergangenen und den gegenwärtigen Erlebnissen dinglich, sondern die intentionalen Objekte meiner gegenwärtigen Erlebnisse sind selbst Zusammenhänge von Phänomenen, Dinge. Sie können nie unmittelbar gegeben, nie selbst Erlebnisse, nie in unserem prägnanten Sinne bewußt gewesen sein. Wir können uns ihrer auch nicht durch die elementare Form der einfachen Erinnerung versichern. Eine eindeutige Erinnerung an eine Eigenschaft, entsprechend etwa der eindeutigen Erinnerung an ein bestimmtes Eindruckserlebnis, gibt es nicht. Die Wahrheit der dinglichen Prädikationen, mit denen wir es hier zu tun haben, ist also niemals durch einfache Erinnerung zu erproben. Wir bedürfen bei der Erinnerung an einzelne unter dem Individualgesetz befaßte Tatsachen, um den vagen Begriff des Gesetzes zu erfüllen (die Erinnerung an den
Wortlaut
des betreffenden Gesetzes, also den Namen der betreffenden Eigenschaft, vermag uns über seine derzeitige Existenz, über die reale Gültigkeit des Gesetzes natürlich keinerlei Auskunft zu geben), des Eintretens der auf Grund des Gesetzes erwarteten Phänomene. In dieser Notwendigkeit drückt sich entscheidend aus, daß die unbewußten Gegenstände, auf die wir hier zielen, Dinge sind. Ob ich eine Eigenschaft habe oder nicht, kann ich entscheiden allein auf Grund der Kenntnis, ob in einem durch die im Gesetz enthaltenen Bedingungen zulänglich bestimmten Fall die auf Grund der Definition der Eigenschaft erwarteten Phänomene eintreten oder nicht. Insoweit unsere Eigenschaften und Dispositionen niemals Phänomene, sondern Dinggesetze sind; insoweit also jede zukünftige Erfahrung mein Urteil über die betreffende Eigenschaft tangieren, meine Kenntnis des Zusammenhanges der Eigenschaften untereinander beeinflussen kann, sind uns unsere psychischen Dinge, wie alle Dinge schlechthin, niemals vollständig bekannt. Wir sind zwar angesichts der Antinomien, die wir eingehend erörtert haben, nicht berechtigt, die Aufgabe der Erkenntnis der unbewußten Tatbestände unseres Ich, soweit sie dinglicher Natur sind, als positiv unendlich zu bezeichnen, sind aber andererseits auch nicht legitimiert, für den Fortgang unserer Erkenntnis der unbewußten Dinge eine positive Grenze anzusetzen. Im Rahmen unserer bisherigen Erfahrung aber sind uns die unbewußten Tatbestände jedenfalls der Möglichkeit nach sehr wohl bekannt. Soweit sie uns unbekannt sind, sind sie es so nur wie im Dingbereich der materiellen Welt unbetretene Landschaften den Menschen unbekannt sind, keinesfalls aber prinzipiell und qualitativ transzendent; wie es jede Philosophie des Unbewußten stets und stets wieder behauptet. Die Grenzenlosigkeit im Fortgang unserer Erkenntnis des Unbewußten endlich ist allein als Grenzenlosigkeit des Fortganges im Rahmen unseres Bewußtseinszusammenhanges zu verstehen. Der Gedanke eines von unseren Erlebnissen schlechthin unabhängigen Unbewußten als eines »An sich der Seele« ist widerspruchsvoll und nicht zu denken.
    Die durchgeführten Betrachtungen ermächtigen uns zu einer ausreichenden Differenzierung des Begriffs des Unbewußten. Diese Differenzierung ist allerdings nicht gleichbedeutend mit einer blanken Klassifikation. Wir haben daran zu denken, daß alle Tatsachen des Unbewußten in der gleichen einfachsten Tatsache, der rudimentären Erinnerung, begründet und alle Begriffe des

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