Gesammelte Werke
ihrer immanenten Konstitution nach nicht zufällig sind, sondern durchaus als Phänomene irgendwelcher psychischer Dinge, als gesetzliche Folgen irgendwelcher Dispositionen begreiflich; und daß ihnen symbolische Funktion zukommt, auch ohne daß das mit ihnen Gemeinte klar und ausdrücklich gegeben wäre; ganz so, wie wir es auf Grund unserer Betrachtung der Elemente der transzendentalen Seelenlehre erwarten müssen, die uns lehrte, daß selbst die einfachsten Tatbestände der Erinnerung zugleich »rudimentäre Erinnerung« in sich enthalten. Weiter vertritt Freud die Auffassung, »daß auch [die]
Träume
einen Sinn haben« (Vorl., 74). Es ist dabei von besonderer Wichtigkeit Freuds Zugeständnis, es sei seine
Voraussetzung,
die Träume hätten einen Sinn; eine notwendige Voraussetzung, wie wir auf Grund unserer transzendentalen Analyse hinzufügen dürfen, auch ehe wir uns in empirischer Einzelforschung vom Sinn der einzelnen Träume überzeugt haben: »Unsere Traumdeutungen sind unter den Voraussetzungen gemacht, die wir vorhin einbekannt haben, daß der Traum überhaupt einen Sinn habe ... und daß alle Einfälle determiniert«, d.h. in gesetzmäßiger Weise dem Bewußtseinsganzen zugeordnet, »seien« (Vorl., 141). Endlich nimmt Freud, wie unser Ausgangsbeispiel zeigte, einen »Sinn« in Anspruch für die Tatbestände, mit denen es die Psychoanalyse vor allem zu tun hat und deren Sinn zu erfassen ihre erste praktische Aufgabe war: für die
neurotischen Symptome.
Breuers Entdeckung des Sinnes der Symptome wird von Freud geradezu als Ursprung der Psychoanalyse angesehen. Freud formuliert bündig: »Die Wahnidee ist nichts Unsinniges oder Unverständliches ..., sie ist sinnreich, gut motiviert, gehört in den Zusammenhang eines ... Erlebnisses« (wir würden sagen: der Erlebnisse) »der Kranken.« (Vorl., 259) Wenn Freud an anderer Stelle (Vorl., 284) einmal ausspricht, daß die neurotischen Symptome wie die Fehlleistungen und Träume »ihren Zusammenhang mit dem Leben der Personen haben, die sie zeigen«, so ist damit die Zugeordnetheit aller jener Fakten zum
Ganzen
des Bewußtseinszusammenhanges nochmals ausdrücklich festgestellt.
Hier liegt der Einwand bequem zur Hand: daß die Psychoanalyse, weil sie es mit dem »Abhub der Erscheinungswelt« (Freud), mit Fehlleistungen, Träumen und Neurosen zu tun habe, für unser normales und waches Bewußtseinsleben, mit dem Erkenntnistheorie doch zu rechnen hat, nichts ausmachen könne; daß eben die allseitige psychische Determiniertheit gerade das Zeichen jener besonderen und entlegenen psychischen Gebiete sei, während die gleiche Gesetzmäßigkeit für das wache Bewußtseinsleben nicht nachgewiesen werden könne, das von anderen Tatbeständen abhänge als bloß psychischen. Der Einwand ist naturalistisch und verfehlt darum sein Ziel. Wohl sind die Tatbestände unseres wachen Bewußtseinslebens vielfach abhängig von Veränderungen in der materiellen Welt; aber ist die materielle Welt nicht selbst wieder aufgebaut auf Grund der Gesetzmäßigkeiten unseres Bewußtseins? Freilich bezeichnen wir als Fehlleistungen, Träume und neurotische Symptome gerade solche Tatbestände, die von der materiellen Welt unabhängiger sind als unser waches Bewußtseinsleben; wenn auch keineswegs ganz unabhängig, da ja die Traumbildung z.B. auch nach der psychoanalytischen Auffassung durch die Einwirkung physischer Reize mitbedingt wird, wie denn allgemein die Psychoanalyse die herkömmlichen Motive der Deutung selten bestreitet, sondern meist nur ergänzt: »Es kommt überhaupt nicht so häufig vor, daß die Psychoanalyse etwas bestreitet, was von anderer Seite behauptet wird; sie fügt in der Regel nur etwas Neues hinzu, und gelegentlich trifft es sich freilich, daß dies bisher Übersehene und nun neu Dazugekommene gerade das Wesentliche ist.« (Vorl., 33) Immerhin gesteht die Psychoanalyse ihren spezifischen Gegenständen eine weitergehendere Unabhängigkeit von der materiellen Welt zu als anderen Bereichen des Psychischen. Freuds vorsichtige Definition des
Schlafes
insbesondere: »Der Schlaf ist ein Zustand, in welchem ich nichts von der äußeren Welt wissen will, mein Interesse von ihr abgezogen habe« (Vorl., 79f.), weist darauf hin. Allein abgesehen davon, daß die Grenzen von Fehlleistung und bewußter Kundgabe, Wachen und Traum, neurotischem Symptom und »Angewohnheit« schwanken und vielfach zur Annahme von »Grenzgebieten« nötigen: was wäre denn, selbst wenn in jenen drei
Weitere Kostenlose Bücher