Gesammelte Werke
zusammenstoßen, und die durch sie gestört (!) wird. Sie übergehen andererseits ohne Grenze in die Gesten und Bewegungen, welche wir zum Ausdruck der Gemütsbewegungen rechnen.« (Vorl., 51) Der gleiche kontinuierliche Übergang, der hier von den Zufallshandlungen zu den Ausdruckshandlungen unseres bewußten Lebens angenommen wird, führt auch von der Analyse der drei ausgezeichneten Gebiete zu der unseres wachen Bewußtseinslebens. Die Idee einer
allgemeinen Psychoanalyse
als allgemeiner Erforschung der psychischen Dinge und ihrer dynamischen Zusammenhänge widerspricht nicht etwa der psychoanalytischen Methode, sondern liegt in ihrer Konsequenz. Sie eben ist in unserem Sinne als systematische Erkenntnis des Unbewußten zu fordern. Daß diese Forderung nicht gleichbedeutend ist mit der Forderung nach psychoanalytischer Behandlung aller einzelnen Individuen, die gelegentlich in der psychoanalytischen Diskussion erhoben wird, sollte sich von selbst verstehen, insoweit wenigstens, wie jene Forderung alle Individuen als Patienten, als zu Heilende auffaßt. Denn aus den durchgeführten Untersuchungen ergibt sich, daß die Psychoanalyse keineswegs auf Pathologie und Therapie beschränkt bleibt, sondern allein durch ihre Erkenntnisziele ihre ausreichende Begründung findet. Freud selbst übrigens hat das gelegentlich mit aller Deutlichkeit ausgesprochen; dort nämlich, wo er auf die Grenzen der psychoanalytischen Therapie zu sprechen kommt. Er gesteht unumwunden zu, daß die psychoanalytische Heilung von Wahnideen bis heute noch nicht gelungen ist, weil »wir ... zwar verstehen [können], was in dem Kranken vor sich gegangen ist, aber ... kein Mittel [haben], um es den Kranken selbst verstehen zu machen« (Vorl., 262), d.h. nach der psychoanalytischen Anschauung: kein Mittel ihn zu heilen. Unheilbarkeit und Unanalysierbarkeit sind also nicht dasselbe; das Erkenntnisziel der Psychoanalyse ist unabhängig von ihrem therapeutischen; das therapeutische allerdings stets abhängig von der Lösung der psychoanalytischen Erkenntnisaufgaben.
Diese letzte Abhängigkeit nun ist der tiefste Grund, der uns ermächtigt, die psychoanalytische Methode in extenso für unsere erkenntnistheoretischen Untersuchungen in Anspruch zu nehmen. Die Grundthese aller psychoanalytischen Praxis ist: daß die Heilung aller Neurosen gleichbedeutend ist mit der vollständigen Erkenntnis des Sinns ihrer Symptome durch den Kranken; mit der gelungenen Aufdeckung ihrer Stellung im Bewußtseinszusammenhang und der Gesetzmäßigkeit, der die »Symptombildung«, also das Zustandekommen der isoliert unverständlichen Fakten, die die Psychoanalyse notwendig machten, unterliegt. Soweit die Psychoanalyse andere Mittel verwendet als die der Erkenntnis, etwa die »Übertragung«, die affektive Bindung des Patienten an den Arzt, verwendet sie sie allein als Hilfsmittel und löst diese Mittel mit der fortschreitenden Erkenntnis selbst auf. Von dem hypnotisch-suggestiven Heilverfahren, aus dem sie sich entwickelte, unterscheidet sie sich wesentlich dadurch, daß sie, selbst auf Kosten augenblicklicher Heilerfolge, niemals bei affektiven Tatbeständen stehen bleibt, sondern unerbittlich auf die Erkenntnis von deren Sinn, also die Einsicht in ihre Stellung im Zusammenhang des Gegebenen dringt. Eine Methode aber, die derart rücksichtslos den Primat der Erkenntnis durchsetzt, läßt sich nicht als »Therapie« von der Erkenntnis sondern. Die Therapie will nichts anderes sein als Erkenntnis; besteht sie zu Recht, so muß sie sich vollständig als Erkenntnis ausweisen, d.h. all den transzendentalen Bedingungen genügen, die wir in unserer Theorie des Unbewußten allgemein formuliert haben. Umgekehrt ist unsere Forderung der Erkenntnis der psychischen Dinglichkeit und der unbewußten Tatbestände insgesamt nichts anderes als die Forderung, der die psychoanalytische Methode von sich aus zu genügen trachtet, gleichgültig, ob sie als Therapie auftritt oder als »Forschung ohne Rücksicht auf einen unmittelbaren Nutzeffekt« (Vorl., 262). Wenn schließlich die Therapie besteht auf der Erkenntnis des Sinnes der Symptome durch den
Kranken,
die Erkenntnis durch den Arzt als unzulänglich und Krankheiten solange als unheilbar ansieht, wie der Sinn der Symptome nicht vom Kranken selbst eingesehen werden kann – nach dem heutigen Stand der Forschung also der Paranoia und der dementia praecox –, so haben wir darin nichts anderes zu erblicken als eine Anwendung unseres
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