Gesammelte Werke
Bereichen auf die pure Bewußtseinsimmanenz reduziert wäre, damit gegen den Erkenntniswert der Zusammenhangsanalyse gerade in jenen Bereichen ausgesagt? Gelten etwa die Zusammenhänge, deren Erforschung die Psychoanalyse sich zur Aufgabe gesetzt hat, für unser waches Bewußtseinsleben nicht? Gewiß gelten sie dort ebenso: müssen wir doch sogar die Konstitution der räumlichen Welt, deren Gesetzmäßigkeit angeblich den Bewußtseinsgesetzmäßigkeiten so radikal entgegengesetzt sein sollen, daß, wo der Bewußtseinsverlauf abhängig von ihr ist, seine eigene Gesetzlichkeit hinfällig sein soll – müssen wir doch sogar die Konstitution jener Raumwelt als Gesetzmäßigkeit unseres Bewußtseins erkennen. Nicht umsonst haben wir die ontologische Unterscheidung von Bewußtsein und Wirklichkeit zurückgewiesen, sie als eine bloße Verschiedenheit der Begriffsbildungen erkannt und damit gleichzeitig die Unabhängigkeit des Bewußtseins von einer transzendenten Raumwelt und die Möglichkeit gesetzmäßiger Beziehungen zwischen dem »Psychischen« im herkömmlichen engeren Sinn und der immanent konstituierten Räumlichkeit eingesehen. Die Auswahl der spezifischen Gegenstandsgebiete der Psychoanalyse hat danach erkenntnistheoretisch gesehen – und wir werden uns überzeugen, daß die erkenntnistheoretische Auslegung des psychoanalytischen Verfahrens allgemein zulässig ist – lediglich methodischen Sinn. Unseren Begriff des Unbewußten hatten wir auf die nichträumlichen Tatbestände beschränkt; die entsprechenden räumlichen Fakten wollten wir »unbekannt« nennen: so ist es unser Recht, mit unserer Erkenntnis des Unbewußten dort einzusetzen, wo sich jene Tatbestände uns am deutlichsten, am »reinsten« darstellen; rein hier verstanden allein als Tatbestände, deren Gesetzmäßigkeit wir in weitreichender Unabhängigkeit von der räumlichen Gesetzlichkeit verfolgen können. Zur Auswahl jener Gebiete bestimmte die Psychoanalyse, und bestimmt legitimerweise auch unser Verfahren, ein zweites wichtiges Motiv, dem wir bereits bei der Einführung der psychoanalytischen Methode gegenüber der herkömmlichen psychologischen und psychiatrischen begegneten: die Fehlleistungen, Träume, neurotischen Symptome sind solche Tatbestände, bei denen die Erkenntnis der unbewußten Zusammenhänge, damit die für sich genommen unverständlichen Tatbestände überhaupt als sinnvolle sich ausweisen, notwendig gefordert ist; die Tatbestände der, in unserem Sinne, »bewußten« Erinnerung, des »bewußten« Wiedererkennens genügen nicht, die betreffenden Fakten in die Totalität des Bewußtseinsverlaufs sinnvoll einzuordnen, zu ihrer Aufklärung bedürfen wir des Rekurses auf die
rudimentäre
Erinnerung und die rudimentär erinnerten
Komplexe
zumal. Andererseits sind es diese Fakten gerade, die um ihrer Isoliertheit willen die Erkenntnis der unbewußten Zusammenhänge, denen sie zugehören, am schwersten machen, bei denen der Nachweis ihrer Zugehörigkeit am meisten Mühe verursacht und für eine wissenschaftliche Systematik am notwendigsten ist; kurz, wo sich das Unbewußte als Problem am sinnfälligsten auskristallisiert. Die Gruppen der Fehlleistungen, der Träume und der neurotischen Symptome bezeichnen darum gewissermaßen ausgezeichnete Flächen des Feldes der Erforschung der psychischen Zusammenhänge; in ihnen liegen die Ansatzpunkte einer Erkenntnis des Unbewußten. Mit der Begründung ihrer Wahl allein nach methodischen Gesichtspunkten ist bereits gesagt, daß die psychoanalytische Forschung keineswegs auf sie beschränkt ist und damit unser erkenntniskritisches Verfahren keineswegs einseitig an der Pathologie orientiert. Die psychoanalytische Behandlung der »Tagträume«, vor allem aber der sogenannten »Symptomhandlungen« bezeichnet deutlich genug, daß die Psychoanalyse sich nicht bei der Deskription und Erklärung von
Störungen
unseres wachen Bewußtseinslebens zu bescheiden braucht, sondern daß ihr das wache Bewußtseinsleben selbst in gleicher Weise zugänglich ist, nur seine Behandlung minder dringlich durch die Unverständlichkeit seiner Vorkommnisse gefordert. Es mag zum Beleg Freuds Definition der Symptom- oder Zufallshandlungen angeführt sein: »Sie haben gleichfalls« (nämlich wie die Fehlleistungen) »den Charakter des Unmotivierten, Unscheinbaren und Unwichtigen, überdies aber deutlicher den des Überflüssigen. Von den Fehlhandlungen unterscheidet sie der Wegfall einer anderen Intention, mit der sie
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