Gesammelte Werke
fundamentalen Grundsatzes auf die Psychoanalyse: des Satzes, daß die Analyse des Zusammenhanges des Gegebenen ihren letzten Rechtsausweis findet im unmittelbar Gegebenen, in unseren Erlebnissen. Nun sind uns zwar die unbewußten Tatbestände, wie sich uns ergab, selbst nie unmittelbar, sondern stets nur mittelbar gegeben; aber mittelbar gegeben
durch
unsere Erlebnisse, die somit doch den letzten Ausgang auch der Erkenntnis des Unbewußten darstellen. Unsere Erlebnisse können aber nie einem anderen, sondern allein uns selbst unmittelbar gegeben sein. Der zur Erkenntnis des Unbewußten notwendige Rekurs auf das unmittelbar Gegebene kann also in verbindlicher Weise nur von dem empirischen Ich geleistet werden, in dessen Bewußtseinszusammenhang unbewußte Tatbestände aufgeklärt werden sollen – unsere Begründung des empirischen Ich, der »empirischen Person« durch die Gesetzmäßigkeiten des phänomenalen Ich vorausgesetzt. Dies empirische Ich ist aber im Falle der psychoanalytischen Therapie der Kranke. Wir erkennen also einen scheinbar sehr speziellen, zudem therapeutischen Fall der psychoanalytischen Methode als die einfache Konsequenz eines allgemeinsten gesetzmäßigen Tatbestandes unseres Bewußtseinslebens. Er mag nicht allein die strenge Übereinstimmung des Erkenntniszieles der Psychoanalyse mit den Bedingungen und Erfordernissen der transzendentalen Methode dartun, sondern zugleich auch als Beispiel stehen für die Möglichkeit einer erkenntnistheoretischen Interpretation der Psychoanalyse selbst. Die vollzogenen Überlegungen berechtigen uns, nunmehr verbindlich die Gründe aufzuführen, die uns bestimmten, Möglichkeit und Methode der Erkenntnis des Unbewußten an der Psychoanalyse darzutun. Da diese Gründe selbst erkenntniskritischer Art sind, den Zusammenhang der Psychoanalyse mit der Transzendentalphilosophie klarlegen, die Psychoanalyse aber ihren Zusammenhang mit der Transzendentalphilosophie niemals betont, kaum wohl ihn überhaupt scharf sieht, so sind die Gründe zugleich die Grundsätze der erkenntnistheoretischen Interpretation der Psychoanalyse selbst, die in ihnen ihr Fundament hat. Wir rekurrieren auf die Psychoanalyse zunächst darum, weil sie vom »Zusammenhang der Erlebnisse zur Einheit des persönlichen Bewußtseins« ausgeht, den sie nicht allein als Zusammenhang der Phänomene ansieht, sondern bei dessen Betrachtung sie die
mittelbare
Gegebenheit allein von allen psychologischen Disziplinen entscheidend mitberücksichtigt. Sie ist uns weiter darum Gegenstand der Interpretation, weil sie sich in der gleichen Weise auf die in unserem engeren Sinn psychischen Tatbestände richtet. Wir wählen sie ferner darum, weil sie sich die Erkenntnis des Unbewußten in der gleichen Weise zum Ziel gesetzt hat, in der wir die Erkenntnis des Unbewußten als Aufgabe bezeichneten. Insofern sie sich die Erforschung der Gesetzmäßigkeiten der psychischen Zusammenhänge als Problem gestellt hat, die ja nach unserer transzendentalen Untersuchung »unbewußt« sind, steht auch ihr der Begriff des Unbewußten im Zentrum; ihm ist tatsächlich ein großer Teil aller psychoanalytischen Untersuchungen gewidmet. Wir werden uns zu überzeugen haben, ob der psychoanalytische Begriff des Unbewußten dem unseren entspricht, ob er Raum für die gleichen Differenzierungen bietet, ob er etwa im Sinne der transzendentalen Methode einiger Korrektur bedarf. Wir wählten weiterhin die Psychoanalyse darum, weil sie sich dem Unbewußten gegenüber erkennend verhält, weil sie, wie wir es forderten, den Ausweis alles Unbewußten durch
Bewußtes,
nämlich die einfache, klare, deutliche Erinnerung fordert; weil sie, indem sie die
Erkenntnis
des Unbewußten zur Aufgabe, und zwar in den Grenzen der Erfahrung
lösbaren
Aufgabe macht, sich aller Metaphysik des Unbewußten und jeder unklaren Fassung des Begriffs ebenso hart entgegenstellt, wie wir es für notwendig erachten. Wir wählen sie endlich darum, weil sie, wie schon ihr Name andeutet – nicht umsonst gab er gerade Anlaß zu so vielen Angriffen – als Methode der Erkenntnis des Unbewußten die
Analyse
betrachtet, nicht die Intuition oder irgendwelche verschwommenen Synthesen, nicht auch die unauflösliche Einheit der »Gestalt«, sondern die Zerlegung des Zusammenhanges in seine Elemente und die Gesetzmäßigkeiten, die ihn als Zusammenhang konstituieren. Ohne diese Zerlegung ist ihr eine objektiv gültige Erkenntnis der unbewußten Tatbestände so wenig möglich, wie sie
Weitere Kostenlose Bücher