Gesammelte Werke
immerzu mit dem echten Gespräch, der Begegnung, dem Auftrag und ähnlichen ausverkauften Eigentlichkeiten zu tun hat. Aufklärende Erwachsenenbildung darf auch vor dem Begriff der Kultur nicht haltmachen, an dem sie notwendig selbst teilhat, und muß sich hüten, eilfertig hinter dem herzulaufen, was angeblich in der Welt des Geistes droben sich gerade an Wichtigem abspielt und dann meist schon abgestanden ist. Um ihrer Aktualität zu genügen, um sich in die eigenen, wahrhaft ungeahnten Chancen überhaupt hereinzufinden, bedarf die Erwachsenenbildung, als Erziehung zur Kritik, auch der rücksichtslosen Selbstkritik. Der Deutsche Volkshochschultag in Frankfurt ist zumal um deren Möglichkeit willen zu begrüßen.
Zur Demokratisierung der deutschen Universitäten
Der Ausdruck ›Demokratisierung der deutschen Universitäten‹ hat mehrere Bedeutungen. Sie hängen allesamt miteinander zusammen, müssen aber unterschieden werden, wenn nicht ihre Verflochtenheit in purer Verwirrung sich spiegeln soll. Gemeint kann sein: einmal, ob die Möglichkeit zu studieren demokratisch geworden, ob allgemeiner Zugang zu den Hochschulen garantiert ist. Dann: ob dem eigenen Geist und dem eigenen Gefüge nach die Universitäten demokratisch sind. Schließlich: ob die akademischen Absolventen die Universität demokratisch gesonnen verlassen; ob sie ein demokratisches Potential in der zukünftigen Entwicklung Deutschlands darstellen. In wenigen Minuten können zu all dem nur eben einige Gedanken und Erfahrungen angemeldet werden. Auf wissenschaftliche Belege ist zu verzichten; nicht zuletzt auch darum, weil die Fragen, die das Stichwort Demokratisierung der deutschen Universitäten aufwirft, von der empirischen Bildungssoziologie bis heute nur fragmentarisch angefaßt werden konnten. Selbst dort, wo Untersuchungen vorliegen, sind sie eher Pilotstudien, als daß sie bündige Antworten erteilten.
Zum Problem des Zugangs, dem, was man traditionellerweise mit Bildungsmonopol bezeichnet: den institutionellen Voraussetzungen nach hat sich hier Entscheidendes geändert, und fraglos im demokratischen Sinn. Die ökonomische Aushöhlung jener selbständigen höheren Mittelschicht, die bis vor dem ersten Weltkrieg das Studium ihrer Söhne finanzierte, ebenso wie der anwachsende Bedarf nach wissenschaftlich qualifizierten Fachkräften hätte solche Demokratisierung erzwungen, auch wenn sie nicht im Zug der politischen Entwicklung gelegen hätte. Manche Länder, wie Hessen, gewähren schon seit Jahren volle Freiheit des akademischen Unterrichts, zumindest für die Bürger des Landes; Studienförderungen und Stipendien gehen so sehr über das in Kaiserreich und Weimarer Republik Gewohnte hinaus, daß die Quantität in die Qualität umschlägt und die Förderung, ehemals Ausnahme, zur Norm wird; schließlich ratifizierte die Einführung des Honnefer Modells diese Entwicklung, ohne daß im übrigen bis heute alle damit verbundenen Probleme, zumal das der Auslese, ganz gelöst wären. Trotzdem aber hat die Demokratisierung des Zugangs zum Studium objektiv ihre Grenze. Heute wie stets ist der Anteil von Arbeiterkindern äußerst gering (5 %), ganz außer Verhältnis zu dem der Arbeiter an der Gesamtbevölkerung (rund 50 %). Unter den Gründen dafür wird man vermuten dürfen, daß es sich bei den Arbeitern ja nicht nur um die Bezahlung des Studiums handelt, sondern vielfach zugleich um die Notwendigkeit, früh schon Geld zu verdienen, die auch dann nicht entfällt, wenn man das Studium nicht zu bezahlen braucht. Wenigstens mögen eingeschliffene Vorstellungen der Arbeiter in dieser Richtung laufen; auch mag Mißtrauen gegen das Studium als bürgerliche Institution mitspielen; überhaupt mögen psychologische Momente mitverantwortlich sein für die Abwesenheit der Arbeiterkinder von der Universität, obwohl selbstverständlich zuerst nach ökonomischen Motiven zu suchen wäre. Hinzu kommt vielleicht, daß Erfahrungen, an denen man eigentlich Bildung gewinnt, der Kontakt mit den Werken der traditionellen Kultur, vielfach schon in die frühe Kindheit fallen. Darüber, ob einer ein sogenannter gebildeter Mensch ist, wird oft längst entschieden, ehe er mit der organisierten Bildung der höheren Schulen und Universitäten in Berührung kommt. Unter diesem Aspekt sind die Arbeiter auch heute noch, aller sogenannten Nivellierung zum Trotz, weithin von Bildung ausgeschlossen oder fühlen wenigstens so, als ob sie es wären, während Angehörige des
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