Gesammelte Werke
Kleinbürgertums, bei denen die Voraussetzungen gar nicht so viel verschieden sind, sich mit Bildung identifizieren und ungehemmt die Universitäten besuchen. All das sind einstweilen Mutmaßungen. Eine Untersuchung, die auf diesen wesentlichen und schwierigen Komplex einiges Licht zu werfen verspricht, ist im Frankfurter Institut für Sozialforschung im Entstehen; sie behandelt die Frage der Begabtenauslese beim Übergang von den Volks- in die höheren Schulen.
Wie es um das bestellt ist, was man die innere Demokratisierung der Hochschulen nennen könnte, bereitet erhebliche theoretische Probleme. Ganz gewiß kann gesagt werden, daß die alte Rede von der Universität als Hochburg der Reaktion nicht mehr zutrifft. Sie ist auch keine Zufluchtsstätte des Nationalsozialismus. Wenn insgesamt in der deutschen Bevölkerung nach dem Zweiten Krieg die Demokratie tiefere Wurzeln zu schlagen scheint als nach dem Ersten; wenn sie nicht länger mehr als ein Oktroyiertes verdächtig ist, sondern, nach dem Schrecken der totalitären Herrschaft und des Hitlerschen Krieges, in einer Epoche wirtschaftlichen Aufschwungs positiv erfahren wird, so spiegelt sich das auch in den Universitäten. Antidemokratische Strömungen sind nicht sichtbar; mangelt es an leidenschaftlicher Identifikation mit der Demokratie, so ganz gewiß auch an leidenschaftlicher Opposition. Selbst die traditionalistischen Korporationen und Verbindungen, die allesamt der Weimarer Republik feind waren, zeigen keinerlei Aggressivität und stellen sich auf den Boden des Grundgesetzes. Vereinzelte rechtsradikale Organisationen mögen hie und da sich regen – sicherlich sind sie nicht charakteristisch für den Geist der Universität, weder den der Lehrer noch den der Studenten. Bei nicht wenigen allerdings überlebt, nach den Ergebnissen einer Untersuchung des Frankfurter Instituts für Sozialforschung, das Bewußtsein der Zugehörigkeit zu einer absinkenden Mittelschicht, mit der man nach wie vor sich identifiziert; vielfach auch elitäre Vorstellungen, wobei die Akademiker nach altem Brauch jener Elite sich zurechnen. Doch sind solche Tendenzen keineswegs eindeutig und ungebrochen. Sie werden balanciert von einer auch unter Akademikern weit verbreiteten Abwehr des sogenannten akademischen Standesdünkels. Sie mag etwas mit der Herkunft vieler der gegenwärtigen Akademiker aus nichtakademischen Schichten zu tun haben. Insgesamt sind Vorstellungen wie die des gleichsam in der Selbstverteidigung befindlichen, von der Massengesellschaft überrollten geistigen Menschen, oder des Akademikers als eines höheren, zur Führung berufenen Typus eher blasse Nachbilder einst herrschender Schemata, als daß sie im Augenblick viel Gewalt besäßen; nicht auszuschließen freilich bleibt, daß sie unter gegebenen Machtkonstellationen energisch wiederbelebt werden.
Im inneren Betrieb der deutschen Universitäten stellt sich die Frage der Demokratisierung wesentlich als eine der Autorität. Die alte Autoritätsgebundenheit der Studenten löst fraglos sich auf, im Zug einer Anähnelung des akademischen Wesens an amerikanische Formen, die wahrscheinlich einer immanenten gesellschaftlichen Gesetzlichkeit gehorcht und keineswegs als oberflächliche Amerikanisierung abzutun wäre. Als ich vor zehn Jahren aus Amerika an die Frankfurter Universität zurückkam, gab es noch Studenten genug, die, wenn sie mit ihrem Professor sprachen, die Hacken zusammenschlugen; dergleichen ist heute wohl undenkbar. Wohl ist ein Moment von Autorität im Verhältnis des Lernenden zum Lehrenden schwer wegzudenken; man wird aber sagen können, daß tendenziell heute die Sachautorität die personelle überwiegt. Darin reflektiert sich die vielbemerkte Annäherung der Hochschule an die Fachschule. Der Hochschullehrer wird aus dem Würdenträger, dessen irrationalen Einfluß er oft mit Vergnügen ausübte, zu einem, der Kenntnisse, die man braucht, denen übermittelt, die sie noch nicht haben, und dafür bezahlt wird. Das Tauschverhältnis, das alle Bereiche des Lebens durchdringt, macht auch vor den Universitäten nicht Halt. Freilich erweist sich, wenn man einigen Umfragen glauben darf, in Deutschland der Nimbus des Universitätsprofessors als beständiger, denn der Wechsel seiner Funktion erwarten ließe. Übrigens fehlt es auch den akademischen Lehrern, welche die geistige Reflexion über die faktische Information stellen, keineswegs an Resonanz.
Man sollte nun aber die fortschreitende Rationalität der
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