Gesammelte Werke
Universitäten, und die damit verbundene Demokratisierung der Formen des akademischen Unterrichts und des Lebens der Hochschule, nicht allzu unvermittelt mit einem eigentlichen Demokratisierungsprozeß des Bewußtseins gleichsetzen. Der Geist der Fachschule, der Geist derer, die auf die Universität einzig gehen, um sich positive Kenntnisse für den Beruf zu erwerben, und für die der alte Begriff der Bildung nicht mehr substantiell sein kann, auch nicht willkürlich sich wieder erwecken läßt, ist einer von Anpassung ans Bestehende. Der Widerstand des Geistes gegen das, was nun einmal ist, gegen die Verhältnisse, in denen man sich sein Plätzchen suchen muß, schwächt sich proportional zur steigenden Macht der Verhältnisse ab, und mit ihm sinkt die Autonomie des Geistes selber. Die Idee eines demokratischen Staates aber setzt implizit autonome Menschen voraus, in deren Besinnung das eigene Interesse und das der Gesamtheit durchsichtig sich aufeinander beziehen. Eben dieser Typus des freien Menschen, der darum sich selbst zu bestimmen vermag, weil er von seiner Selbstbestimmung zugleich die des Ganzen abhängig weiß, ist an den Universitäten im Niedergang, einfach deshalb, weil die Gesellschaft nicht länger mehr ihn derart honoriert, wie sie vielleicht in der Ära des Hochliberalismus ihn honorierte. Damit aber scheinen die Subjekte, auf die doch eine Demokratie ihrem eigenen Sinn nach verwiesen ist, immer weniger dem zu entsprechen, was die Idee von Demokratie verlangt. Es besteht demnach die Möglichkeit, daß der innerakademische Demokratisierungsprozeß mit dem Geist der Demokratie in Konflikt gerät, weil der Geist, den er produziert oder wenigstens reproduziert, eigentlich kein demokratischer ist. Diese Möglichkeit muß ohne Illusion ins Auge fassen, wer sich nicht mit Fassadenfortschritten abspeisen läßt. Freilich ist der Widerspruch, auf den ich hier aufmerksam mache, schwerlich von den Universitäten her, etwa durch eine Reform ihrer Lehrmethoden und Examenspläne, zu verändern, sondern deutet zurück auf die Gesamtgesellschaft. Aber die Universität repräsentiert diese wie ein Mikrokosmos. Vieles läßt in ihr wie an einem Modell sich erkennen, was in der gesellschaftlichen Totalität leicht der Erkenntnis verfließt.
Man pflegt der Beobachtung, an die ich erinnere, und für die mir keinerlei Priorität gebührt, sondern die unter den verschiedensten Aspekten und an den verschiedensten Stellen sich findet, vielfach die Wendung zu geben, die gegenwärtigen Studenten seien apolitisch. Aber damit wird selbst ein Politikum getroffen. Der Rückzug von der Politik, die Beschränkung aufs je eigene Interesse, sei es auf das materielle, sei es auch selbst auf die geistige Bestimmung, involviert einen Rückzug von den öffentlichen Dingen, der diese sich selber oder einer mit ihnen beruflich befaßten Menschengruppe überläßt, jenen Politikern, über welche der apolitische Akademiker im allgemeinen wenig Freundliches zu sagen hat. Demokratie jedoch bedeutet die aktive Teilnahme der Bevölkerung an den öffentlichen Dingen. Nur in solcher Teilnahme, nicht als skeptische Zuschauer dessen, was in einer vermeintlichen politischen Sondersphäre sich zuträgt, vermöchte das Volk sich selbst zu bestimmen. Mag immer die apolitische Haltung der Spitze gegen die Demokratie entraten; ja mag sie einer Harmlosigkeit und Friedfertigkeit entstammen, die von der Periode des Vorfaschismus aufs glücklichste sich abhebt, der Rückzug von der Politik selber negiert das demokratische Prinzip auch dann, wenn man es kontemplativ gelten läßt. Das ist die Achillesferse der Demokratisierung der deutschen Universitäten.
Was ich anzeige, ist aber darum so ernst, weil es überaus schwer fiele, nun den Studenten, die von der Politik sich abkehren, konkret zu sagen, wofür eigentlich sie sich engagieren sollten. Sie vermögen sich nicht zu entflammen an einer Ordnung, die ihnen zwar alle möglichen Chancen des Lebens und des angenehmen Lebens bereitstellt, in der sie aber gleichwohl unablässig sich selbst als Funktionen, Objekte, nach einem heute in der Soziologie modischen Wort als eine Rolle Spielende erfahren und nicht als solche, von denen ihr eigenes Leben und gar das der Nation abhängt. Andererseits ist die Hoffnung auf Demokratie als volle Emanzipation der Gesellschaft aufs schwerste kompromittiert durch die Tyrannis der Oststaaten, welche die Mündigkeit des Volkes im Mund führen, während sie ihm den Mund
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