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Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Theodor Adorno
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Spengler, Klages nie sich ausgeliefert. Seine Freundschaft mit Bernhard Diebold zerbrach in einem Streit über Richard Wagner, den Diebold ohne Vorbehalt liebte und Zickel, unbeirrt, sein ganzes Leben hindurch verabscheute.
    Wille zeitigte seinen poetischen Ansatz selber: er schrieb wie aus nach innen gewandter, vergeistigter Pflicht, als Fichtesche Tathandlung. Das Moment des passiven Sichüberlassens, das Medium, in dem der Geist sich selbst als Natur erfährt und mit dieser versöhnt, unterdrückte er in permanenter Zensur. Bei einem Künstler konnte er danach fragen, ob er »gehämmert« sei. Nicht daß er zu arm gewesen wäre zum Unwillkürlichen. Manchmal gelangen ihm Verse wie die aus einem Gedicht, das er der jungen Mutter in den Mund legt:
     
    Oft noch muß ich weinen
    In die sterblichen Kissen,
    Weil wir nicht wissen,
    Wohin wir erscheinen.
     
    Aber schonungslos – und das bezeugt wiederum seine Lauterkeit – hat er sein autoritäres Prinzip gegen sich selbst gewandt und das eigene Wort nach dem gemodelt, was ihm sein Imperativ dünkte, anstatt je blind sich an das Wort zu verlieren, sich zu entäußern. Das Konformistische, Disziplinäre ist ihm zum Verhängnis geworden als Herrschaft über sein Ich. Mit dem Nachdruck aufs Individuum hat er das Individuum gehemmt. Sein ethischer Gestus aber hat ihn von der Welt isoliert, deren Gesetz er als unverbrüchlich verkündete, und ihm damit doch etwas von der Wahrheit des nicht Konformierenden geschenkt.
     
    Mehr als die bloße Klage über Zickels Unstern wäre nach seinem Sinn Versöhnung mit dem Unwiderruflichen dadurch, daß es aus sich heraus begriffen wird. Der Versuch dazu stößt auf seine soziale Biographie. Sein Instinkt gegen den Lehrberuf, der ihn schließlich bewog, eine karge und kaum nur gesicherte Existenz zu riskieren, war richtig. Was heute als Gefahr der Pädagogisierung in deren Bereich diskutiert wird, hat seine Produktion überschattet, die doch ihre Norm an Autonomie hatte und als autonom sich fühlte. An ihm bemerkte ich erstmals, daß Worte einen Gebrauch dulden, der sekundär, nicht aus ihrer Erfahrung gespeist ist und dem widerstreitet, was sie von sich aus wollen. Von Freiheit konnte er guten Glaubens reden und war doch nicht frei: in ihm spitzte eine uralte bürgerliche Antinomie zur Not des Einzelnen sich zu. Wie für Lehrer das, was sie zu übermitteln haben, leicht zum Vorgegebenen, zum fixierten Pensum wird, so verhielt er sich, ohne es sich und anderen einzugestehen, auch wo er gestalten wollte und nicht weitergeben. Die Normen traten ihm fertig aus dem entgegen, was er sein Weltbild genannt hätte, als Schöpfung dröhnte ein in Wahrheit Vorentschiedenes; das als positiv Approbierte mußte herauskommen. Der Hintergrund dessen, die kritische Philosophie, war ihm das geworden, was sie befocht, dogmatisch; daher Zickels Indignation über alles, was von seinem Credo abwich. Galt Dialektik ihm als Nerv des Dramatischen, so beschied sie sich bei ihm zum Aufeinanderprallen der Gegensätze, ohne Macht über die inwendige Textur der Sache. Sie wird zu dem, was autonome Gesinnung am letzten Wort haben möchte, Illustration eines übernommenen Ideengehalts. Für die Sphäre sind Ausdrücke wie »sich auseinandersetzen« charakteristisch; sagt jemand, er setze mit einer Theorie oder Richtung sich auseinander, so kann man wetten, daß er gegen diese sich entscheidet, weil er sich nur gleichwie aus Pflicht damit beschäftigt, aber viel zu verbissen ist in das, wozu er ein für allemal sich bekannt hat, als daß er des Ausgangs ungewiß sie in sich hineinließe oder in ihre Kraft einginge. Jene trotz seines betonten geistigen Temperaments dinghafte Stellung Zickels zum Geist verleitete ihn zum Kurzschluß, es sei die »Idee« – was vom Autor in ein Werk an Intention, an Philosophie gepumpt wird – identisch mit dessen Wahrheitsgehalt, wie ihn etwa die philosophische Interpretation der Objektivität eines Kunstwerks erschließt. 1 Das Kunstwerk, das auf seine Intention pocht, usurpiert Gewalt über seine eigene Geschichte. Dafür wird es bestraft: nur das in ihm vermag recht sich zu entfalten, was dem Willen des Autors sich entzieht. Das sind aber eben die Sachgehalte, gegen deren Fülle idealistische Kunstgesinnung sich spröde macht. Ihre Sprödigkeit ist nicht bloß freiwillig. Verschmäht wird die Erfahrung, die man in materiell und sozial eingeengter Existenz nicht hat, und der Stolz, der lieber sich in sich zurücknimmt als sich

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